In unseren Newslettern 08/2020 und 09/2020 hatten wir einzelne Schadensersatzpositionen in der Unfallregulierung herausgegriffen, auf die sich die Corona-Krise besonders ausgewirkt hat. Aufgrund des Lockdowns hat sich die Zahl der Autounfälle besonders in den Monaten März und April 2020 deutlich verringert. Seit Mai 2020 nähern sich die Unfallzahlen wieder an das Vor-Krisen-Niveau an, wie die Versicherungen berichten.
Folgende Schadensersatzpositionen sind in den von uns bearbeiteten Fällen strittig und werden von den Haftpflichtversicherungen immer wieder gekürzt:
1. verlängerte Mietwagen-/Nutzungsausfalldauer
Die Kfz-Werkstätten haben teilweise längere Reparaturzeiten, da sich die Lieferzeiten von Ersatzteilen verlängern oder aufgrund Kurzarbeit weniger Mitarbeiter in der Werkstatt zur Verfügung stehen. Dies wirkt sich auf die Dauer der Inanspruchnahme eines Mietwagens bzw. des Nutzungsausfalls aus.
Insbesondere wenn die tatsächliche Reparaturdauer länger ist als die Prognose im Gutachten, empfiehlt es sich, einen Reparaturablaufplan vorzulegen. In diesem können einzelne Arbeitsschritte und Verzögerungen festgehalten werden. Auch wenn es schadensrechtlich nur darauf ankommt, dass die Werkstatt die Kosten an den Geschädigten berechnet, der Schädiger das Werkstattrisiko trägt und der Ablaufplan somit schadensersatzrechtlich überflüssig ist, kann die Vorlage eines solchen die Regulierung beschleunigen.
Wenn die Versicherer den Plan von sich aus anfordern, müssen sie auch die dafür entstehenden Kosten erstatten (vgl. LG Görlitz, Urteil vom 13.05.2020, Az. 1 O 75/19, AG Mainz, Urteil vom 26.03.2019, Az. 80 C 141/18, AG Stuttgart, Urteil vom 29.08.2018, Az. 47 C 2171/18).
Ist das verunfallte Fahrzeug des Geschädigten verkehrssicher, sollte der Geschädigte zur Vermeidung von unnötigen Ausfallkosten dieses erst in die Werkstatt geben, wenn die Ersatzteile dort eingetroffen sind (vgl. AG Paderborn, Urteil vom 14.11.2014, Az. 50 C 169/14, AG Bautzen, Urteil vom 14.1.2015, Az. 20 C 347/14, AG Köln, Urteil vom 29.06.2016, Az. 276 C 39/16). Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit der Verzögerung zu rechnen war. Treten nach bereits erfolgtem Reparaturbeginn zunächst unbekannte Lieferschwierigkeiten erst dann auf, ist das wiederum ein vom Schädiger zu tragendes Risiko.
2. Kürzung der Reparaturkosten um die Position Desinfektionsmaßnahmen
Die meisten Sachverständigen nehmen die Position Desinfektionsmaßnahmen mittlerweile in das Gutachten auf. Dabei werden diese Maßnahmen aufgeteilt in Arbeitszeit und Material. Üblicherweise werden die Arbeitszeit mit ca. 20 bis 30 Minuten und dem entsprechenden Stundeverrechnungssatz und das Material mit ca. 15,00 Euro angesetzt.
Einige Versicherungen übernehmen diese Kosten anstandslos, einige kürzen die Kosten auf einen von ihnen als angemessen betrachteten Betrag und andere lehnen die Erstattung komplett ab. Dabei wird argumentiert, dass die Kosten bereits in den Gemeinkosten enthalten seien bzw. neuerdings, dass Virologen festgestellt hätten, dass eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen unwahrscheinlich sei.
Besteht Streit über die Höhe des Betrags und sind die Kosten so im Gutachten festgehalten wie abgerechnet, kann sich der Geschädigte auf die „Reparatur-gemäß-Gutachten-Rechtsprechung“ berufen. Gegen das Argument, dass die Kosten bereits in den Gemeinkosten enthalten sein, kann vorgebracht werden: Die Kfz-Werkstatt selbst entscheidet nach betriebswirtschaftlichen Erwägungen, ob sie die Kosten für die Desinfektionsmaßnahmen in die Gemeinkosten nimmt oder gesondert abrechnet. Die Preisfestsetzung obliegt auch hier dem Unternehmer. Zudem gilt die „Reparatur-gemäß-Gutachten-Rechtsprechung“.
Wir haben etliche Gerichtsverfahren bezüglich dieser Position anhängig, Entscheidungen der Gerichte stehen aber noch aus. Wir werden Sie hierüber weiter informieren.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Den zusätzlichen Arbeits- und Materialaufwand für Desinfektionsmaßnahmen sollte das Autohaus dem Geschädigten in Rechnung stellen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dieser schadensersatzrechtlich erstattungsfähig.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige sollte den zusätzlichen Arbeits- und Materialaufwand für Desinfektionsmaßnahmen weiterhin in sein Gutachten mit aufnehmen.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Kommt es bei Reparaturen zu einer längeren Reparaturdauer, kann der Geschädigte grundsätzlich für diese Dauer einen Mietwagen in Anspruch zu nehmen. An mögliche Notreparaturen ist aber zu denken; dadurch kann ein Fahrzeug in einen verkehrssicheren Zustand versetzt und eine allzu lange Ausfalldauer vermieden werden. Zudem sollte ein verkehrssicheres Fahrzeug nicht in die Werkstatt gebracht werden, wenn bereits vorher bekannt ist, dass Ersatzteile längere Lieferzeiten haben.