

Im Anschluss an unseren jüngsten Newsletter 08/2020 werden wir Ihnen heute weitere Fragen im Zusammenhang mit der Unfallregulierung in der Corona-Krise beantworten.
1) Ersatzbeschaffung beim Totalschaden?
Der stationäre und gewerbliche Autohandel ist in der Bundesrepublik Deutschland vorerst bis zum 19.04.2020 untersagt. Der private Autoverkauf ist mit Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen in Bayern ab dem 21.03.2020 zwar nicht untersagt, aber faktisch zum Erliegen gekommen. Was aber gilt, wenn das Fahrzeug des Geschädigten ein Totalschaden ist und dieser zur Wahrung der Mobilität ein Ersatzfahrzeug benötigt?
In der Begründung der in Bayern geltenden Ausgangsbeschränkung heißt es, dass Kfz-Werkstätten geöffnet sein dürfen, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und die individuelle Mobilität zu sichern. Der Kauf eines Ersatzfahrzeugs dürfte nach dieser Begründung jedenfalls dann zulässig sein, wenn es darum geht, die Mobilität des Einzelnen zu erhalten. Derzeit sind viele Landratsämter und Zulassungsstellen im Notbetrieb oder geschlossen, dringende Zulassungen werden zumindest von manchen Zulassungsstellen – so wurde uns aus der Praxis berichtet – durchgeführt. Die Dauer der Ersatzbeschaffung kann sich in den meisten Fällen auch hier verlängern.
2) Restwerte
Grundsätzlich ermittelt der Sachverständige die drei notwendigen Restwertangebote am örtlichen Markt. In Sonderfällen allerdings, in denen der Geschädigte ein Autohaus ist oder zumindest ein Unternehmen, das mit dem Handel von Gebrauchtfahrzeugen befasst ist, hat er den Restwert auch unter Berücksichtigung des Sondermarktes (Restwertbörsen aus dem Internet) zu ermitteln (vgl. Newsletter 23/2019). Hier sinken nun möglicherweise Anzahl und Höhe der Gebote, da die Logistikketten des Restwerthandels oftmals ins Ausland führen und jetzt gestört sind. So kann es vorkommen, dass auch in diesen Sonderfällen das höchste Gebot von einem Aufkäufer des örtlichen Markts stammt, da dieser das Fahrzeug nicht weit transportieren muss. Sofern der Sachverständige dies sorgfältig dokumentiert, dürfte dies unproblematisch sein.
3) Standgeld
Hat der Geschädigte das verunfallte Fahrzeug an einen überregionalen Händler verkauft und kann dieser das Fahrzeug wegen gestörter Logistikketten oder wegen Fahrermangels nicht abholen, darf das Autohaus, das das Fahrzeug verwahrt, das Standgeld bis zur Abholung berechnen. Die gegnerische Haftpflichtversicherung muss dieses erstatten.
Hat dagegen das Autohaus, die Werkstatt oder der Abschleppunternehmer das verunfallte Fahrzeug selbst zum Restwert angekauft, kann es kein weiteres Standgeld für die Zeit verlangen, bis der eigene Käufer des Autohauses das Unfallfahrzeug von dort abholt.
4) zusätzlicher Aufwand für Desinfektionsmaßnahmen
Bei sämtlichen Reparaturen an Kundenfahrzeugen kann derzeit ein zusätzlicher Arbeitsaufwand für Desinfektionsmaßnehmen entstehen. Denn alle relevanten Teile, die planmäßig kurzfristig berührt werden (Lenkrad, den Schalthebel, Blinkerhebel, Scheibenwischerhebel, Türgriffe innen und außen etc.) müssen desinfiziert werden. Der Arbeitsaufwand beträgt vor und nach der Reparatur je ca. zehn Minuten. Zudem ist Desinfektionsmittel inzwischen im Einkauf relativ teuer oder muss aufwendig selbst hergestellt werden, so dass es von der Kleinteilepauschale nicht mehr umfasst sein dürfte. Den notwendigen Arbeitslohn und die Materialkosten kann das Autohaus in der Reparaturrechnung berechnen und der Geschädigte kann diese gegenüber der Haftpflichtversicherung geltend machen.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Ersatzanschaffungen und damit Gebrauchtwagenverkäufe nach einem Totalschaden dürften zur Wahrung der Mobilität des Kunden zulässig sein. Zusätzlicher Aufwand für Desinfektionsmaßnahmen kann das Autohaus in der Reparaturrechnung berechnen.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige sollte längere Ersatzbeschaffungszeiten bei seiner Prognose für die Wiederbeschaffungsdauer bedenken. Bei einem Totalschaden könnte die Prognose lauten: „x Tage zzgl. Zeitraum eventueller coronabedingter Verzögerungen/Schließung der Autohäuser und Zulassungsstellen“.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Nach der hier vertretenen Ansicht dürfte sich der Geschädigte trotz Ausgangsbeschränkungen ein Ersatzfahrzeug nach einem Totalschaden kaufen, um die erforderliche Mobilität zu wahren. Der Geschädigte kann zusätzlichen Aufwand des Autohauses beim Desinfizieren sowie verlängertes Standgeld, das durch eine verzögerte Abholung seines Restwertaufkäufers aufläuft, von der Haftpflichtversicherung erstattet verlangen.