Nach einem Verkehrsunfall kommt es mitunter vor, dass das verunfallte Auto nicht mehr fahrtauglich oder verkehrssicher ist. Es muss abgeschleppt werden. In diesem Zusammenhang stellen sich dann etliche rechtliche Fragen: Wer kommt für Abschleppkosten auf? Wann darf überhaupt abgeschleppt werden und wohin darf das Auto geschleppt werden?
Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Abschleppen nach einem Unfall erhalten Sie hier! Und falls Sie weitere Fragen haben oder Unterstützung benötigen – sprechen Sie uns gerne an!
Abschleppkosten
Sind die Abschleppkosten unfallbedingt erforderlich, stellen sie eine Schadensposition dar, die der Unfallverursacher ersetzen muss. Meist kümmert sich ein Unternehmen um das Abschleppen des Unfallwagens. Der Unfallgeschädigte hat dann in der Regel Anspruch auf die Abschleppkosten in voller Rechnungshöhe.
Schleppen Bekannte, Freunde oder Familienangehörige mit ihrem privaten Fahrzeug den Unfallwagen ab, entsteht selbst dann ein Erstattungsanspruch, wenn der Geschädigte für den Freundschaftsdienst nicht zahlt. In der Regel wird die Hälfte dessen, was ein Unternehmen durchschnittlich kosten würde, erstattet.
Das sollte eigentlich eindeutig genug sein. Dennoch werden auch hier immer wieder Kürzungen von den Versicherungen vorgenommen, und zwar bei folgenden Konstellationen:
- Abschleppen zur weiter entfernten Heimatwerkstatt
- Kürzung auf Durchschnittspreise
- Abschleppen auch bei Totalschaden
Abschleppen auch bei Totalschaden?
Wie sieht es aber aus, wenn das verunfallte Fahrzeug vermutlich nicht mehr repariert werden kann, sondern vielmehr ein Totalschaden vorliegt? Hier kommt es darauf an, wie sich das Schadenbild für den Geschädigten am Unfallort darstellt.
Stellt sich das Schadenbild für den Geschädigten zunächst nicht als totalschadenverdächtig dar, darf der Geschädigte sein unfallbeschädigtes Fahrzeug beim Haftpflichtschaden zur Heimatwerkstatt abschleppen lassen, um es dort zur Reparatur zu geben. Entpuppt sich dann in der Werkstatt der Schaden doch als Totalschaden, ändert das nichts (AG Waiblingen, Urteil v. 09.08.2017, Az. 13 C 890/17).
Genauso hat es das AG Ingolstadt in einem Fall, in dem es um eine Strecke von etwa 100 km und Abschleppkosten in Höhe von 549,78 Euro ging, gesehen: Sofern der Geschädigte vorher nicht erkennen konnte, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt, kann er das Fahrzeug zur Heimatwerkstatt abschleppen lassen (AG Ingolstadt, Urteil v. 18.02.2016, Az. 10 C 2291/15).
Die Abwicklung der Reparatur und eventueller späterer Nachbesserungsarbeiten ist dadurch für den Geschädigten einfacher. Zudem entstehen weder Kosten für einen Mietwagen noch Fahrtkosten, wenn der Geschädigte – wie im Urteilsfall – im Abschleppwagen mitfährt.
Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass ein offensichtlicher Totalschaden nur bis zu einem sicheren Abstellplatz in Unfallnähe abgeschleppt werden darf. Von dort kann er dann verwertet werden.
Abschleppen zur weiter entfernten Heimatwerkstatt?
Sobald ein Geschädigter sein defektes Auto über eine längere Distanz zu seiner Heimatwerkstatt abschleppen lässt, wittern die Haftpflichtversicherer Kürzungspotential. Der Geschädigte habe seine Schadensminderungspflicht verletzt und unnötig hohe Kosten produziert, so das Argument.
Dagegen lässt sich anbringen (vgl. z. B. AG München, Urteil v. 06.10.2014, Az. 322 C 27990/13):
- Die Abwicklung der Reparatur und eventueller Nachbesserungsarbeiten ist für den Geschädigten in der Heimatwerkstatt einfacher. Nach einer Reparatur kommt es gelegentlich zu Beanstandungen im Rahmen der Gewährleistung. Bei einer Reparatur „auswärts“ wäre der Geschädigte dann gezwungen, für eventuell erforderliche Nachbesserungsarbeiten wieder an den Unfallort zurückzufahren (BGH, Urteil v. 28.04.2015, Az. VI ZR 267/149).
- Zusätzliche Kosten würden für die Taxi-, Bus- oder Bahnfahrt zur Abholung des Fahrzeugs in der weit entfernten Werkstatt entstehen.
- Das verunfallte Fahrzeug wurde immer in derselben Werkstatt repariert und gewartet.
- Die Reparaturkosten der Heimatwerkstatt sind im Stundenverrechnungssatz niedriger als in der Unfallortwerkstatt, sodass allein dadurch die Abschleppkosten ganz oder teilweise kompensiert werden, z. B. aus der Großstadt aufs Land. Die Mietwagenkosten wurden gespart, weil der Abschlepper den Geschädigten gleich mit nach Hause genommen hat.
Abschleppen: Kürzung auf Durchschnittspreise möglich?
Oft werden die Abschleppkosten auf angebliche Durchschnittswerte gekürzt. Das ist aber rechtswidrig. Zunächst einmal ist es oberstes Gebot, nach einem Unfall die Unfallstelle schnell zu räumen, um Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer auszuräumen. Zumeist wird der Abschleppunternehmer auch von der Polizei gerufen. Preisvergleiche über Abschleppkosten sind daher für den Geschädigten in der konkreten Situation nicht möglich. Der Schädiger schuldet in der konkreten Not- und Eilsituation die tatsächlich entstandenen Kosten, auf die Üblichkeit und Durchschnittlichkeit der Kosten kommt es nicht an.
So sehen das auch die Gerichte: Den Geschädigten trifft keine vorherige Preisvergleichspflicht (vgl. OLG Celle, Urteil v. 09.10.2013, Az. 14 U 55/13; LG Hof, Urteil v. 09.02.2016, Az. 22 O 81/15; AG Neu-Ulm, Urteil v. 12.08.2014, Az. 7 C 676/14; AG Stade, Urteil v. 10.10.2012, Az. 61 C 946/11).
Sind Ölbeseitigungskosten erstattungsfähig?
Zu den erstattungsfähigen Kosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall zählen auch die Kosten für die Beseitigung von Ölspuren oder anderen Verschmutzungen auf der Fahrbahn (sog. Ölbeseitigungskosten).
Geschädigter in diesem Fall ist der Träger der Straßenbaulast. Ihm gegenüber muss die Firma, die die Straße reinigt – oft machen das die Abschleppunternehmen mit – abrechnen. Der Träger der Straßenbaulast kann dann den Rechnungsbetrag bei der gegnerischen Versicherung geltend machen.
Der BGH hat zu den erforderlichen Kosten der Beseitigung einer Ölspur wie folgt Stellung genommen (BGH, Urteil v. 15.09.2015, Az. VI ZR 475/14):
Weil durch Ölspuren die Verkehrssicherheit beeinträchtigt und daher Eile geboten ist, darf die zuständige Straßenmeisterei ohne weitere Prüfung den örtlichen Unternehmer, der diese Leistung anbietet, beauftragen. Dass keine große Konkurrenz am Ort besteht, weil die Maschinen teuer sind und die Straßenmeistereien eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit verlangen, ist hinzunehmen. Die Vorlage der jeweiligen (bezahlten) Rechnung durch die Behörde lässt ohne Weiteres auf die schadenrechtliche Erforderlichkeit der damit berechneten Kosten schließen. Die Gerichte müssen im Streitfall daher keine Gutachten einholen, ob die Kosten angemessen sind oder ob es irgendwie auch günstiger gegangen wäre.
UNFALL-RE
STEFANIE MOSER
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Verkehrsrecht
Fidel-Kreuzer-Str. 4
86825 Bad Wörishofen
Telefon: +49 8247 332333
E-Mail: moser@unfall-re.de
Mitgliedschaften:
Deutscher Anwaltverein, Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV (Deutscher Anwalt Verein), Rechtsanwaltskammer München,
Anwaltverein Memmingen, Liste „Auf Unfallschadenregulierung spezialisierte Rechtsanwälte“ der Zeitschrift IWW Unfallregulierung effektiv
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