

Außergewöhnliche Zeiten sind das derzeit – und auch in der Unfallregulierung treten einige spezielle Fragen in der Praxis auf. Denn wenn es auch in der nächsten Zeit weniger Unfälle geben wird, weil weniger gefahren wird, so laufen die Unfälle aus der unmittelbaren Zeit davor und die aktuell doch noch stattfindenden Unfälle in Probleme hinein. Einige greifen wir untenstehend heraus:
1) längere Ersatzteillieferzeiten – Ausfall durch Mitarbeiter im Autohaus
Die Kfz-Werkstätten haben mittlerweile längere Reparaturzeiten, da sich die Lieferzeiten von Ersatzteilen verlängern. Aus einer konkreten Anfrage wissen wir, dass beispielsweise die Lieferzeit eines Kabelsatzes derzeit ca. 6 Wochen beträgt. Verzögerungen können sich auch dadurch ergeben, dass Mitarbeiter in Quarantäne sind oder wegen Kurzarbeit weniger Mitarbeiter im Betrieb sind.
Wie wirkt sich das auf die Dauer des Nutzungsausfalls bzw. der Inanspruchnahme eines Mietwagens aus?
Hier ist zu unterscheiden, ob das verunfallte Fahrzeug noch verkehrssicher ist oder nicht.
- Ist das verunfallte Fahrzeug nicht verkehrssicher, hat der Geschädigte ab Unfalldatum Anspruch auf einen Mietwagen/Nutzungsausfall. Das Risiko der längeren Reparaturdauer und damit auch der längeren Ausfalldauer trägt der Schädiger. Nichtsdestotrotz sollte die Werkstatt die Möglichkeit einer Notreparatur prüfen, denn deren Wirtschaftlichkeit kann sich in solchen Zeiten anders darstellen, wenn dadurch allzu lange Ausfallzeiten vermieden werden.
- Ist das verunfallte Fahrzeug verkehrssicher, darf der Geschädigte zur Vermeidung von unnötigen Ausfallkosten dieses erst in die Werkstatt geben, wenn die Ersatzteile dort eingetroffen sind (vgl. AG Paderborn, Urteil vom 14.11.2014, Az. 50 C 169/14, AG Bautzen, Urteil vom 14.1.2015, Az. 20 C 347/14, AG Köln, Urteil vom 29.06.2016, Az. 276 C 39/16). Treten nach bereits erfolgtem Reparaturbeginn zunächst unbekannte Lieferschwierigkeiten erst dann auf, ist das wiederum ein vom Schädiger zu tragendes Risiko.
2) Autovermietung – welcher Preis?
Die Vermietung von Autos ist nach der in Bayern derzeit geltenden Ausgangsbeschränkung vom 20.03.2020 ausdrücklich erlaubt. Es wird sich aber die Frage nach den schadensrechtlich durchsetzbaren Mietkosten stellen. Dienstreisen und Tourismus finden derzeit nicht statt, die Mietwagen bei den „normalen“ Autovermietern stehen herum. Nicht nur, dass keine Mieteinnahmen erzielt werden, es entstehen zusätzliche Kosten. Die Mietpreise werden daher massiv sinken, und es gibt mehr als genug verfügbare Fahrzeuge. Es ist auch naheliegend, dass Versicherer den Geschädigten nach der Anmietung „vorwerfen“, ihre Schadensminderungspflicht verletzt zu haben, indem sie ihnen Angebote von günstigeren Mietwagenpreisen vorhalten.
Ob die sinkenden Mietwagenpreise während dieser außergewöhnlichen Zeit auch Auswirkungen auf die in Normalzeiten erhobenen Daten des Schwacke-Mietwagenspiegels haben, kann derzeit nicht vorhergesagt werden.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Kfz-Reparaturen sind ausdrücklich erlaubt; kommt es hierbei zu einer längeren Reparaturdauer, kann der Geschädigte, dessen Fahrzeug nicht mehr verkehrssicher ist, für diese Dauer auch einen Mietwagen in Anspruch zu nehmen. An mögliche Notreparaturen ist aber zu denken; dadurch kann ein Fahrzeug in einen verkehrssicheren Zustand versetzt und eine allzu lange Ausfalldauer vermieden werden.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige sollte längere Reparaturbei seiner Prognose für die Wiederbeschaffungsdauer bedenken. Bei vorhersehbaren längeren Reparaturzeiträumen kann der Sachverständige hinsichtlich der Reparaturdauer „x Tage zzgl. eventueller coronabedingter Verzögerungen“ festhalten.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte darf trotz der in Bayern verhängten Ausgangsbeschränkungen die Kfz-Werkstatt aufsuchen, um ein unfallbedingt beschädigtes Fahrzeug reparieren zu lassen. Versorgungsgänge für die Gegenstände des täglichen Bedarfs (z. B. Kfz-Werkstätten) sind ausdrücklich erlaubt. Sind Ersatzteile nicht lieferbar und ist dies bekannt, darf der Reparaturauftrag erst erteilt werden, wenn die Ersatzteile im Reparaturbetrieb eingetroffen sind.