Nach Verkehrsunfällen mit Sachschaden stellt sich die Frage, ob auch die Umsatzsteuer (=Mehrwertsteuer) vom Schadensersatz erfasst ist.
Wissenswertes rund um die Erstattung der Umsatzsteuer erfahren Sie in diesem Beitrag. Weitere Antworten geben wir Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch. Vereinbaren Sie einfach einen Beratungstermin mit unserer Kanzlei.
Verkehrsunfall: Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer Teil des Schadens?
Seit der Schadensrechtsreform aus dem Jahr 2002 ist die Umsatzsteuer (=Mehrwertsteuer) für den Privatkunden bei der Regulierung von Haftpflichtschäden nach unverschuldetem Verkehrsunfall nur dann eine ersatzfähige Position, „wenn und soweit“ sie aufgewendet wurde. Für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer gilt dasselbe.
- 249 Absatz 2 Satz 2 BGB lautet: „Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.“
Bei der Frage nach der Erstattung der Umsatzsteuer spielen folgende Gegebenheiten eine Rolle:
Zum einen kann der Geschädigte zum Vorsteuerabzug berechtigt sein oder eben nicht. Nicht abzugsberechtigt sind Privatpersonen oder Unternehmer, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind (bspw. Ärzte, Versicherungsmakler).
Zum anderen ist je nach Art des Schadens zu unterscheiden:
Reparaturfälle:
Lässt der private Geschädigte in einem Reparaturfall den Schaden vollständig reparieren, muss die gegnerische Versicherung die im Rechnungsbetrag enthaltene Umsatzsteuer in vollem Umfang ersetzen. Bei Teilreparaturen bekommt er nur die Umsatzsteuer erstattet, die auf gegen Rechnung vorgenommene Arbeiten und per Rechnung nachgewiesene Ersatzteile angefallen ist. Der zum Vorsteuerabzug berechtigte Geschädigte erhält alle Schadenpositionen netto erstattet, also auch bei der Reparaturrechnung immer den Netto-Betrag. Denn der Schaden ist nur der Betrag, der den Geschädigten endgültig belastet. Die darauf entfallende Umsatzsteuer bekommt er bei der nächsten Umsatzsteuer-Voranmeldung durch Verrechnung mit seiner Umsatzsteuerschuld erstattet oder sogar ausgezahlt. Damit belastet ihn dieser Teil Ihrer Rechnung nicht dauerhaft, vielmehr ist er nur ein durchlaufender Posten.
Wertminderung:
Die Wertminderung ist „umsatzsteuerneutral“, hier gibt es kein Brutto oder Netto. Denn Umsatzsteuer fällt nur auf die Positionen an, denen ein Leistungsaustausch zu Grunde liegt („Reparatur gegen Geld“, „Wiederbeschaffung gegen Geld“, „Restwertverkauf gegen Geld“).
Totalschaden:
Im Falle eines Totalschadens erhält der Geschädigte von der gegnerischen Haftpflichtversicherung den im Gutachten festgestellten Wiederbeschaffungswert (WBW) abzüglich des Restwerts.
Ist der Geschädigte Privatmann oder Unternehmer, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, sieht es wie folgt aus: Zunächst reguliert die gegnerische Haftpflichtversicherung netto, d.h. aus dem Wiederbeschaffungswert wird die Umsatzsteuer heraus gerechnet. Wie viel Umsatzsteuer im Wiederbeschaffungswert enthalten ist, hängt davon ab, wie ein solches Fahrzeug typischerweise im gewerblichen Handel angeboten wird. Dazu macht der Sachverständige in seinem Gutachten Ausführungen.
Grundsätzlich gilt: Junge Fahrzeuge werden überwiegend regelbesteuert, also mit 19 % Umsatzsteuer angeboten. Zwei bis drei Jahre alte Fahrzeuge werden überwiegend differenzbesteuert angeboten (Differenzbesteuerung nach § 25a UStG). In solch einem Fall kann der Versicherer die im Kaufpreis enthaltene Mehrwertsteuer schätzen und abziehen. Dabei hat der BGH die Schätzung einer Handelsspanne von 15 % akzeptiert (BGH, Urteil v. 09.05.2006, Az. VI ZR 225/05). Die Umsatzsteuer darauf entspricht dann etwa 2,5 % vom Endpreis. Fahrzeuge ab einem Alter von etwa sechs bis acht Jahren findet man überwiegend am Privatmarkt, sodass hier keine Umsatzsteuer anfällt.
Weist der Geschädigte nach, dass er wieder ein Fahrzeug angeschafft hat, und ist der Preis dieses Fahrzeuges höher als der Brutto-WBW des beschädigten Fahrzeugs, gilt: Er bekommt den vollen Brutto-WBW erstattet und damit auch die zunächst abgezogene Umsatzsteuer. Denn durch die Vorlage der Rechnung über das Ersatzfahrzeug rechnet er konkret ab. Dadurch kommt § 249 Absatz 2 Satz 2 BGB zum Tragen. Mehr als den vom Wiederbeschaffungswert zunächst abgezogenen Betrag bekommt der Geschädigte aber nie, denn das ist die schadenersatzrechtliche Obergrenze.
Ist der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt und war das verunfallte Fahrzeug regelbesteuert, erhält er den Netto-Wiederbeschaffungswert abzüglich des Netto-Restwerts. Denn wenn sich der Geschädigte so ein Fahrzeug wiederbeschafft, bekommt er die in der Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer vom Fiskus erstattet. War das beim Unfall beschädigte Fahrzeug des Unternehmers als steuerneutral einzustufen oder als typischerweise differenzbesteuert, gilt: Der WBW muss auch dann als steuerneutral behandelt werden, wenn der Geschädigte ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ist, vgl. LG Ulm, Urteil v. 19.06.2013, Az. 1 S 28/13 und LG Kaiserslautern, Urteil v. 14.06.2013, Az. 3 O 837/12.
Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer bei Leasingfahrzeugen?
Ist das verunfallte Fahrzeug ein Leasingfahrzeug, gibt es einige Besonderheiten:
Der Leasinggeber ist wohl immer zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Ist der Leasingnehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt, werden alle Schadenpositionen netto abgerechnet.
Ist der Leasingnehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, ist im Leasingvertrag nachzulesen:
Wenn sich der Geschädigte um Reparaturschäden selbst kümmern muss (so die weit verbreitete Standardklausel), ist die gegnerische Versicherung verpflichtet, den Schaden brutto zu erstatten, wenn tatsächlich repariert wird und somit Umsatzsteuer aufgewendet worden ist.
Wenn bei einem Totalschaden der Leasinggeber selbst die Regulierung in die Hand nimmt (auch das ist eine Standardklausel), ist auf den vorsteuerabzugsberechtigten Leasinggeber abzustellen. Die gegnerische Versicherung muss nur den Netto-Wiederbeschaffungswert abzgl. Netto-Restwert zahlen.
Demnach ist immer auf die umsatzsteuerlichen Verhältnisse desjenigen abzustellen, der nach dem Leasingvertrag berechtigt bzw. verpflichtet ist, Ansprüche geltend zu machen, vgl. BGH, Urteil v. 14.07.1993, Az. IV ZR 181/92.
Differenzbesteuerung bei Unfallregulierung
Differenzbesteuerung bedeutet, dass ein Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen beim Wiederverkauf von gebrauchten Gegenständen weniger Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) abführen muss als die sonst üblichen 19 %.
Folgende Voraussetzungen müssen nach § 25a Abs. 1 UStG vorliegen:
- Der Unternehmer muss ein gewerbsmäßiger Wiederverkäufer sein, bspw. ein Gebraucht- oder Neuwagenhändler.
- Dieser Unternehmer muss einen beweglichen Gegenstand (z.B. Kraftfahrzeug) für sein Unternehmen kaufen.
- Von diesem wiederum darf er keine Vorsteuer geltend machen können, z.B. weil der Verkäufer eine Privatperson oder ein Kleinunternehmer ist.
Wird dieser bewegliche Gegenstand vom Unternehmer weiterverkauft, muss der Unternehmer nicht den kompletten Verkaufspreis der Umsatzsteuer unterwerfen, sondern nur die Differenz zwischen Wiederverkaufspreis und Ankaufspreis. Daher kommt auch die Bezeichnung Differenzbesteuerung. Mit der Differenzbesteuerung soll vermieden werden, dass ein gebrauchter Gegenstand nochmals komplett umsatzversteuert wird und der Händler gegenüber einem privaten Verkäufer schlechter gestellt ist.
In der Unfallregulierung spielt die Differenzbesteuerung beim Wiederbeschaffungswert eines unfallbeschädigten Fahrzeugs eine wichtige Rolle. Der Wiederbeschaffungswert ist der Betrag, den man bezahlen müsste, um auf dem allgemeinen oder regionalen Markt ein gleichartiges Fahrzeug in einem etwa gleichen Zustand und gleichen Ausstattungsmerkmale zu kaufen. Dieser Wert wird vom Sachverständigen ermittelt.
Im Wiederbeschaffungswert ist auch ein prozentualer Ansatz an Umsatzsteuer enthalten. Wieviel Umsatzsteuer in diesem Wert enthalten ist, hängt davon ab, wie das Fahrzeug typischerweise im gewerblichen Handel angeboten wird.
- Junge Fahrzeuge werden überwiegend regelbesteuert, also mit 19 % Umsatzsteuer angeboten.
- Zwei bis drei Jahre alte Fahrzeuge werden überwiegend differenzbesteuert angeboten. In solch einem Fall kann der Versicherer die im Kaufpreis enthaltene Mehrwertsteuer schätzen und abziehen. Dabei hat der BGH die Schätzung einer Handelsspanne von 15 % akzeptiert (BGH, Urteil v. 09.05.2006, Az. VI ZR 225/05). Die Umsatzsteuer darauf entspricht dann etwa 2,5 % vom Endpreis.
- Fahrzeuge ab einem Alter von etwa sechs bis acht Jahren findet man überwiegend am Privatmarkt, sodass hier keine Umsatzsteuer anfällt.
UNFALL-RE
STEFANIE MOSER
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Verkehrsrecht
Fidel-Kreuzer-Str. 4
86825 Bad Wörishofen
Telefon: +49 8247 332333
E-Mail: moser@unfall-re.de
Mitgliedschaften:
Deutscher Anwaltverein, Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV (Deutscher Anwalt Verein), Rechtsanwaltskammer München,
Anwaltverein Memmingen, Liste „Auf Unfallschadenregulierung spezialisierte Rechtsanwälte“ der Zeitschrift IWW Unfallregulierung effektiv
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