

Ganz aktuell wurde uns ein sehr detaillierter Fragebogen einer großen Haftpflichtversicherung aus Coburg zugesandt, in dem Fragen zu Vor- und Altschäden an den Geschädigten gestellt wurden. Gefragt wurde unter anderem auch, welche Angaben der Geschädigte gegenüber dem Sachverständigen diesbezüglich gemacht hat. Muss der Geschädigte diese Fragen beantworten?
Im Detail wurden folgende Fragen gestellt:
- Welche Informationen zu Unfallhergang, Gesamtlaufleistung und Historie des Fahrzeuges wurden dem Kfz-Sachverständigen zur Erstellung des Gutachtens gegeben?
- Welche Dokumente wurden dem Sachverständigen bei der Besichtigung vorgelegt (z. B. keine, Zulassungsbescheinigung Teil I oder II, Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE), Kaufvertrag etc.)?
- Welche reparierten Vorschäden sind an Ihrem Fahrzeug vorhanden? Wer hat die diese Schäden repariert? Legen Sie ggf. hierüber Materialkostenbelege vor.
- Welche nicht reparierten Vorschäden sind an dem Fahrzeug vorhanden?
- Gab es am Fahrzeug weitere Beschädigungen zwischen Schadentag und der Begutachtung durch den Sachverständigen?
- Wurden bei anderen Versicherungsunternehmen (Vor-)Schäden an diesem Fahrzeug angemeldet bzw. von diesen reguliert? Wenn ja, nennen Sie uns bitte Name/Anschrift der Versicherer und die Schadennummern.
- Sind alle im Gutachten des Sachverständigen … vom … kalkulierten Schäden auf das hier in Rede stehende Ereignis zurückzuführen?
Solche Fragebögen werden von der Haftpflichtversicherung nicht ohne Grund verschickt. Meist hat die Versicherung zuvor einen Hinweis auf einen früheren Unfallschaden aus dem Hinweis- und Informationssystem (HIS), vgl. unser Newsletter 12/2019, erhalten. Versicherer lehnen gerne mit Verweis auf einen Vorschaden die Regulierung ab und erheben den sogenannten Vorschadenseinwand.
Dies kann für den Geschädigten weitreichende Folgen haben und sogar bis zu einer kompletten Regulierungsablehnung der Versicherung trotz klarer Haftung dem Grunde nach führen. Denn der Geschädigte trägt die Beweislast dafür, dass an seinem Fahrzeug durch den von ihm behaupteten jetzigen Verkehrsunfall als Schadensereignis ein (weiterer) Schaden verursacht worden ist. Er ist verpflichtet, darzulegen und zu beweisen, dass der geltend gemachte Schaden nach Art und Umfang insgesamt auf das behauptete Unfallereignis zurückzuführen ist (vgl. unser Newsletter 23/2020). Ein Vorschaden kann auch Einfluss auf die Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts haben.
Der Geschädigte muss daher einen Vorschaden – sei er repariert worden oder nicht – dem Sachverständigen gegenüber angeben. Dieser muss ihn bei der Ermittlung der Reparaturkosten oder des Wiederbeschaffungswerts berücksichtigen. Verschweigt der Geschädigte einen Vorschaden, ist das Gutachten falsch und der Geschädigte hat unter Umständen gar keinen Anspruch auf Schadensersatz – weder auf Reparaturkosten noch Sachverständigenhonorar noch auf weitere Schadensersatzpositionen.
Der Geschädigte muss auch, wenn der aktuelle Unfall dieselbe Schadenzone wie der Vorschaden betrifft, nachweisen, dass der alte Schaden vollständig beseitigt war.
Die Fragen der Haftpflichtversicherung sind daher berechtigt, auch wenn sie natürlich darauf zielen, mögliche Grundlagen für die Versicherung zu schaffen, um den Schadenersatzanspruch abzulehnen. Den Fragebogen der Versicherung sollte der Geschädigte daher beantworten.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Wird ein Haftpflichtschaden repariert, da die Haftung dem Grunde feststeht, und stellt sich dann heraus, dass an derselben Stelle bereits ein Vorschaden bestanden hat, kann die gegnerische Versicherung eine Regulierung ablehnen, wenn konkreter Vortrag zur Reparatur des Schadens nicht möglich ist. In solch einem Fall muss sich das Autohaus dann an den Geschädigten als Auftraggeber wenden – und trägt damit das Ausfallrisiko.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige sollte den Geschädigten immer nach Vorschäden fragen und diese in sein Gutachten aufnehmen. Dann jedenfalls ist die Schadensermittlung unter der Berücksichtigung der Vorschäden erfolgt und das Gutachten korrekt. Die gegnerische Versicherung muss dann das Honorar erstatten.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte sollte den Fragebogen der Versicherung bzgl. der Vorschäden beantworten. Er ist beweisbelastet dafür, dass an seinem Fahrzeug durch den von ihm behaupteten jetzigen Verkehrsunfall als Schadensereignis ein (weiterer) Schaden verursacht worden ist.