

Nicht selten wird ein Fahrzeug mehrfach in einen unverschuldeten Verkehrsunfall verwickelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) darf der Geschädigte seinen Schaden gegenüber dem Schädiger und der Versicherung sowohl konkret auf Grundlage einer Reparaturrechnung als auch fiktiv auf Grundlage eines Gutachtens abrechnen. Gerade bei älteren Fahrzeugen mit geringeren Lackschäden oder Schäden an den Stoßfängern kommt es häufig vor, dass ein Schaden nicht repariert wird, sondern fiktiv abgerechnet wird. Problematisch kann das insbesondere im Fall eines erneuten Schadens werden, wenn es darum geht, die Schäden voneinander abzugrenzen.
Versicherer lehnen gerne mit Verweis auf einen Vorschaden die Regulierung ab und erheben den sogenannten Vorschadenseinwand. Dies kann für den Geschädigten weitreichende Folgen haben und sogar bis zu einer kompletten Regulierungsablehnung des Versicherers trotz klarer Haftung dem Grunde nach führen. Die Problematik des Vorschadens kommt in verschiedenen Konstellationen in Betracht.
- Reparierter Vorschaden
- Unreparierter Vorschaden
- Deckungsgleicher Schaden (neuer Schaden in einem bereits vorgeschädigten Bereich)
- Nicht deckungsgleicher Schaden
Nachfolgend betrachten wir die Konstellation des angeblich reparierten, deckungsgleichen Schadens. Der Schaden wurde zwar repariert, aber gegenüber der gegnerischen Versicherung fiktiv abgerechnet.
Nach den zivilprozessualen Grundsätzen trägt der Geschädigte die Beweislast dafür, dass an seinem Fahrzeug durch den von ihm behaupteten jetzigen Verkehrsunfall als Schadensereignis ein (weiterer) Schaden verursacht worden ist. Der Nachweis dieses sogenannten Primärschadens richtet sich nach dem strengen Maßstab des § 286 ZPO. Danach ist der Geschädigte verpflichtet, darzulegen und zu beweisen, dass der geltend gemachte Schaden nach Art und Umfang insgesamt auf das behauptete Unfallereignis zurückzuführen ist – dabei dürfen keine berechtigten Zweifel an dieser Annahme verbleiben. Nur wenn dieser Primärschaden feststeht, kommt dem Geschädigten bei der Höhe des Schadens die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute und der Richter kann die Schadenshöhe schätzen.
Macht der Geschädigte Schadensersatz in einem Fahrzeugbereich geltend, bei dem bereits zuvor ein Schaden vorhanden gewesen ist, hat der Geschädigte Anspruch darauf, dass der Zustand wiederhergestellt wird, der vor dem neuen weiteren Unfallereignis bestanden hat. War der Vorschaden nur teilweise oder unter Beibehaltung von Altteilen ausgebessert worden, wird der Geschädigte i. d. R. besser gestellt, wenn er nunmehr Reparaturkosten ersetzt erhält, welche beispielsweise den Einbau von Neuteilen vorsehen.
Daher muss der Geschädigte zur Begründung seines Anspruchs
- den Umfang der Vorschäden im Einzelnen darlegen
- spezifiziert vortragen, welche einzelnen Reparaturmaßnahmen einschließlich der verwendeten Ersatzteile zur vollständigen und ordnungsgemäßen Beseitigung des Vorschadens durchgeführt wurden
- mitteilen, ob eine bloße Instandsetzung oder ein Austausch der Fahrzeugteile unter Einbau von gebrauchten Alt- oder Neuteilen erfolgt ist
- angeben, ob eventuelle Reparaturmaßnahmen jeweils in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Instandsetzungsvorgaben standen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 04.06.2018, Az. 15 U 7/18, OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2017, Az. 1 U 31/16).
Nur bei konkretem Vortrag kann das Gericht feststellen, ob ein im Bereich der jetzigen Schadensstelle vorhandener Schaden auf das frühere oder auf das neue Schadensereignis zurückzuführen ist (vgl. LG Köln, Urteil v. 05.09.2014, Az. 7 O 311/12) und ob der Schaden insgesamt oder nur ein abgrenzbarer Teil auf das neue Schadensereignis zurückzuführen ist.
Weder die Vorlage von Lichtbildern, noch die Vorlage eines Sachverständigengutachtens, in welchem sich unter der Position „Reparierte Vorschäden“ die Angabe „keine bekannt laut Fahrzeughalter“ befindet, genügen. Auch eine bloße Reparaturbestätigung durch einen Sachverständigen genügt dann nicht, wenn eine sach- und fachgerechte Reparatur bestritten wird, da eine solche keine Prüfung von Art, Umfang und Qualität der Reparatur dokumentiert.
Ebenso sind pauschale Angaben eines Zeugen zu einer angeblich durchgeführten Reparatur ohne Ausführungen zu den einzelnen Reparaturschritten und ohne Belege nicht ausreichend (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28.03.2018, Az. 9 U 180/17 und Urteil vom 10.04.2018, Az. 9 U 199/17).
Ist eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens aufgrund Darlegungsmängel nicht möglich, wird die Klage auf Fahrzeugschadenersatz ohne Beweisaufnahme vollständig abgewiesen.
Der Geschädigte, der wusste, dass sein Fahrzeug einen Vorschaden hatte, ist zudem verpflichtet, gegenüber dem Sachverständigen wahrheitsgemäße Angaben zu Vorschäden, deren Umfang und deren Beseitigung zu machen. Nur dann kann der Sachverständige eine konkrete Schadensermittlung auf zutreffender Tatsachengrundlage vornehmen kann. Verschweigt der Geschädigte Vorschäden, muss der Versicherer die Kosten für das Sachverständigengutachten nicht erstatten.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Wird ein Haftpflichtschaden repariert, da die Haftung dem Grunde feststeht, und stellt sich dann heraus, dass an derselben Stelle bereits ein Vorschaden bestanden hat, kann die gegnerische Versicherung eine Regulierung ablehnen, wenn konkreter Vortrag zur Reparatur des Schadens nicht möglich ist. In solch einem Fall muss sich das Autohaus dann an den Geschädigten als Auftraggeber wenden – und trägt damit das Ausfallrisiko.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige sollte den Geschädigten immer nach Vorschäden fragen und diese in sein Gutachten aufnehmen. Dann jedenfalls ist die Schadensermittlung unter der Berücksichtigung der Vorschäden erfolgt und das Gutachten korrekt. Die gegnerische Versicherung muss dann das Honorar erstatten.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
So interessant eine fiktive Abrechnung für den Geschädigten gerade bei älteren Fahrzeugen und kleineren Schäden sein kann, da der Geschädigte diese in Eigenregie oder von einem Bekannten reparieren lässt, so riskant ist sie dann, wenn ein weiterer Unfallschaden an derselben Stelle auftritt. Wie oben beschrieben muss der Geschädigte dann nachweisen, welche Schäden im Einzelnen durch die vorherigen Unfallereignisse entstanden sind und wie im Einzelnen diese behoben wurden. Tut er dies nicht und ist der neue Schaden nicht abgrenzbar, können Schadensersatzansprüche ganz ausscheiden.