

Bei einem unverschuldeten Unfall darf der Geschädigte auf der Grundlage des im Schadengutachten festgestellten Restwerts ohne Rücksprache mit dem Versicherer sein verunfalltes Auto verkaufen, so die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), zuletzt mit Urteil vom 27.09.2016, VI ZR 673/15. Dies bestätigt der BGH jetzt mit seinem neuen Urteil vom 25.06.2019, Az. VI ZR 358/18, im Wesentlichen. Allerdings gibt es eine Präzisierung dahingehend, dass bei der Restwertermittlung bzw. bei der Restwertanrechnung die Erkenntnismöglichkeiten des Eigentümers zu berücksichtigen sind.
Der Sachverhalt:
Im vorliegenden Fall wurde ein Pkw eines Autohauses bei einem Verkehrsunfall erheblich beschädigt. Das Autohaus beauftragte einen Kfz-Sachverständigen, der für das Fahrzeug auf dem regionalen allgemeinen Markt einen Restwert in Höhe von 9.500 Euro ermittelte. Die regulierungspflichtige Versicherung ermittelte einen Restwert über eine Restwertbörse in Höhe von 17.030 Euro. Dieses Angebot lehnte das Autohaus ab, da es bereits vor Zugang des Restwertangebots den verunfallten Pkw für 9.500 Euro an den Restwertaufkäufer verkauft hatte.
Das Urteil:
Das Autohaus klagte auf Zahlung der Differenz in Höhe von 7.530 Euro. Der BGH wies die Klage ab, da es sich bei dem Autohaus um ein Unternehmen handelt, das sich auch mit dem An- und Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen befasst und Angebote aus dem Restwertmarkt hätte berücksichtigen müssen.
Grundsätzlich hat der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den wirtschaftlichsten Weg zu wählen. Dieses Wirtschaftlichkeitsgebot gilt aber nicht absolut, sondern nur im Rahmen des dem Geschädigten Zumutbaren. Zudem ist Rücksicht auf die individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten zu nehmen (sog. subjektive Schadensbetrachtung).
Nach diesen Grundsätzen ist der Klägerin, die ein Autohaus betreibt und sich jedenfalls auch mit dem An- und Verkauf von Gebrauchtwagen befasst, die Inanspruchnahme des Restwertmarktes im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote ohne weiteres zuzumuten. Es stellt für das Autohaus keine unzumutbare Mühe dar, die zugehörigen Internetseiten aufzurufen und ihr Angebot einzustellen.
Vor diesem Hintergrund stellte das eingeholte Gutachten, das ausschließlich die Restwertangebote regionaler Anbieter des allgemeinen Marktes berücksichtigt, keine geeignete Grundlage für die konkrete Klageforderung dar. Dem Geschädigten war bei subjektbezogener Schadensbetrachtung die Inanspruchnahme des Restwertmarktes im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote zuzumuten.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
In vielen Fällen veräußert das Autohaus die von Privatkunden angekauften Unfallfahrzeuge am sogenannten Sondermarkt weiter. Deswegen hat der BGH das Autohaus in dem Fall, in dem das Autohaus selbst Geschädigter ist, anders als unbeholfene private Geschädigte behandelt.
Das Autohaus wird daher zukünftig bei seinen eigenen verunfallten Fahrzeugen den Restwert auch unter Berücksichtigung des Sondermarktes im Internet ermitteln lassen müssen. Andernfalls besteht das Risiko, dass der höhere von der Versicherung genannte Restwert aus der Restwertbörse zählt und sich der vom Autohaus erzielte Erlös als zu niedrig erweist. Das Autohaus erhält dann in der Summe nicht den vollen Schadensersatz.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen ändert sich im Wesentlichen nichts. Er ist weiterhin verpflichtet, den Restwert auf dem allgemeinen regionalen Markt – also dem Markt der örtlich ansässigen Vertrags- und seriösen Gebrauchtwagenhändler – zu ermitteln und grundsätzlich drei Restwertangebote aus dem regionalen Markt in sein Gutachten aufzunehmen.
In den Fällen allerdings, in denen der Geschädigte ein Autohaus ist oder zumindest ein Unternehmen, das mit dem Handel von Gebrauchtfahrzeugen befasst ist, hat er den Restwert auch unter Berücksichtigung des Sondermarktes zu ermitteln. Er ist aber auch hier gehalten, die Plausibilität der Angebote des Sondermarktes zu überprüfen.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Für den Geschädigten ändert sich nichts. Der BGH führt explizit aus, dass an der bisherigen Restwertrechtsprechung festgehalten wird, soweit es um Geschädigte geht, die nicht über diese Sonderkenntnisse verfügen. Da der „Normalverbraucher“ nicht über Kenntnisse des Sondermarktes verfügt und sich an seinen vertrauten Vertragshändler wenden darf, ist bei der Restwertermittlung ausschließlich der allgemeine regionale Markt zu berücksichtigen.