In unserem jüngsten Newsletter hatten wir davon berichtet, wann ein Motorradfahrer bei einem Verkehrsunfall haftet. Ist der Motorradfahrer unverschuldet oder hat nur eine Mitschuld am Unfall und möchte Schadensersatz bei der gegnerischen Versicherung geltend machen, sind folgende Besonderheiten bei den Schadensersatzpositionen zu beachten.
1) Sachschaden
Im Rahmen der Abrechnung des Sachschadens (Reparaturschaden, Totalschaden) gilt bei Motorrädern nichts anders als bei Autos. So ist auch bei Motorrädern die 130-Prozent-Grenze anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2011, Az. VI ZR 79/10).
2) Wertminderung
Die Rechtsprechung spricht einen merkantilen Minderwert bei Motorrädern zu. So besteht auch für Krafträder ein Gebrauchtfahrzeugmarkt, auf dem ein großer Teil der Käufer nicht bereit sein wird, für wiederinstandgesetzte Motorräder denselben Preis zu bezahlen wie für entsprechende unbeschädigte (vgl. LG Aschaffenburg, Urteil vom 08.03.1990, Az. S 268/89; LG Ulm, Urteil vom 11.04.1984; Az. 1 S 27/84; AG Frankfurt, Urteil vom 13.05.1980, Az. 31 C 14160/80; AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 23.02.1982, Az. 1 C 2492/81).
3) Nutzungsausfall (vgl. hierzu auch unser Newsletter 17/2018)
Nur unter bestimmten Voraussetzungen kann der Eigentümer eines Motorrads für den unfallbedingten Ausfall seiner Maschine nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall Nutzungsausfall verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2018, Az. VI ZR 57/17):
- Dem Geschädigten darf außer seinem beim Unfall beschädigten Motorrad kein anderes Kfz zur Verfügung stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 13.12.2011, Az. VI ZA 40/11; BGH, Beschluss vom 11.09.2012, Az. VI ZR 92/12).
- Das Motorrad muss für Fahrten zur Arbeit, zum Einkaufen und sonstigen alltäglichen Verrichtungen benutzt werden. Wird das Motorrad nur für reine Hobbyfahrten genutzt, wird ein Anspruch auf Nutzungsausfall verneint.
- Der Geschädigte muss unter Verweis auf Wetterberichte und -statistiken darlegen, dass er sein Motorrad in dem streitgegenständlichen Zeitraum hätte nutzen können und wollen.
4) Schutzkleidung
Der Abzug „Neu für Alt“ soll den Vorteil ausgleichen, der dem Geschädigten daraus erwächst, dass er im Zuge der Naturalrestitution für eine schadhafte alte Sache eine neue erhält. Bei Motorradschutzkleidung kann ein Abzug „Neu für Alt“ mit dem Argument, es stehe nicht der Trageaspekt, sondern das Schutzkriterium der Kleidung im Vordergrund, verneint werden. So sehen das auch einige Gerichte:
Motorradhelm und Motorradschutzbekleidung (Handschuhe, Stiefel, Rückenprotektor) sind reine Sicherheitsgegenstände, so dass der Schädiger dem Geschädigten nicht lediglich den Zeitwert solcher Sicherheitsgegenstände, sondern die Kosten für die Anschaffung (= Neuwert) derselben ohne einen Abzug „Neu für Alt“ zu ersetzen hat (vgl. LG Darmstadt, Urteil vom 28.08.2007, Az. 13 O 602/05; AG Aachen, Urteil vom 25.11.2004, Az. 8 C 471/04). Motorradschutzbekleidung unterliegt zudem keinem Verschleiß, dient keinen Schönheitszwecken und wird nicht in regelmäßigen Zeitabständen ausgetauscht (vgl. LG Oldenburg, Urteil vom 23.03.2001, Az. 2 O 514/00; AG Essen, Urteil vom 23.08.2005, Az. 24 C 436/04).
Die andere Ansicht wird aber auch vertreten, und zwar von: OLG München, Urteil vom 07.05.2012, Az. 10 U 4489/11; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.09.2009, Az. 15 U 71/08; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 08.02.2011, Az. 22 U 162/08.
5) Personenschaden
Da der Motorradfahrer bei einem Unfall nicht geschützt ist, kommt es oft zu teilweise schweren Verletzungen. Für die beim Unfall erlittenen Verletzungen kann der Geschädigte nach § 253 Abs. 2 BGB Schmerzensgeld verlangen. Daneben kann der Geschädigte u.a. Ersatz verlangen für
- Heilbehandlungskosten (Zuzahlungen zu Medikamenten, Arztbehandlungen)
- vermehrte Bedürfnisse (laufende Mehraufwendungen, wie Ausgaben für eine bessere Verpflegung, Aufwand für Pflegepersonal, Mehraufwendungen für eine Wohnung in einem anderen Ort, Umrüstung eines Pkw)
- Kosten der Angehörigen für Krankenbesuche
- den Erwerbsschaden (bei einem angestellten Lohnempfänger ist das der Schäden, der ihm dadurch entsteht, dass er nach der Entgeltfortzahlung in den ersten sechs Wochen nur noch Krankengeld von seinem Krankenversicherer erhält. Dieses beträgt in der Regel 70 % des letzten Bruttoeinkommens. Die Differenz zwischen Lohn und geringerem Krankengeld muss der Schädiger erstatten).
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Für das Autohaus treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Motorradfahrer, der in einen Unfall verwickelt ist, sollte aufgrund der Komplexität der Unfallregulierung und der Tatsache, dass meist ein Personenschaden vorliegt, fachkundige Hilfe in Anspruch nehmen.