Kann der Geschädigte nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall sein Kraftfahrzeug nicht mehr nutzen, hat er Anspruch darauf, wieder mobil zu sein. Er kann entweder ein Fahrzeug anmieten oder, wenn er darauf verzichtet, Nutzungsausfall geltend machen und die Kosten für den Mietwagen bzw. den Ausfall als Schadensersatz von der gegnerischen Versicherung erstattet verlangen. Was aber ist, wenn der Geschädigte einen Mietwagen anmietet und nicht die Mietwagenrechnung als Schadensersatz bei der gegnerischen Versicherung geltend macht, sondern anstelle dessen Nutzungsausfall. Ist das möglich?
Über solch einen Sachverhalt hat das Amtsgericht (AG) Rastatt mit Urteil vom 27.07.2021, Az. 1 C 102/21, entschieden.
Sachverhalt:
Der Kläger erlitt unverschuldet einen Verkehrsunfall. Deswegen fiel sein verunfalltes Fahrzeug für den Zeitraum von fünf Kalendertagen aus. Der Kläger mietete einen Ersatzwagen an, machte allerdings Nutzungsausfall geltend und forderte für fünf Tage insgesamt 325,00 Euro. Die beklagte Haftpflichtversicherung lehnte den Anspruch unter Verweis auf die konkrete Anmietung ab. Es sei daher kein Nutzungsausfall zu ersetzen.
Entscheidung:
Die Klage war vollumfänglich erfolgreich. Obwohl der Kläger einen Ersatzwagen angemietet hatte, sah das AG Rastatt es als berechtigt an, Nutzungsausfall zu fordern.
„Diesem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger für die Dauer der Reparatur, für die er sein Fahrzeug nicht nutzen konnte, einen Mietwagen angemietet hatte. Der Geschädigte hat die Wahl, ob er einen konkreten Nutzungsausfallschaden, hier die Mietwagenkosten, geltend macht oder ob er eine pauschalierte Entschädigung für den allgemeinen Verlust seiner Nutzungsmöglichkeit verlangt. Hier hat sich der Kläger für die pauschalierte Entschädigung, demnach für den Nutzungsausfall entschieden.“
Das AG Rastatt nimmt dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) Bezug. Der BGH hatte mit Urteil vom 05.02.2013, Az. VI ZR 290/11, entschieden, dass der Geschädigte wählen könne, ob er Mietwagenkosten oder pauschalierte Nutzungsausfallentschädigung einfordere. Der Nutzungsausfall scheitert im Übrigen auch nicht daran, dass der Geschädigte bereits Geld für einen Mietwagen ausgegeben hat (vgl. AG Ettlingen, Urteil vom 16.10.2018, Az. 6 C 63/17).
Da auch die Versicherungen bei der Position der Mietwagenkosten meist kürzen, kann es durchaus vorkommen, dass der Nutzungsausfall höher ist als die (gekürzten) Mietwagenkosten. Je nach Rechtsprechung der regionalen Gerichte zum Mietwagentarif sind die Erfolgsaussichten bei der Durchsetzung ausstehender Mietwagenkosten unterschiedlich. Auch wenn die Versicherung nur einen Werkstattersatztarif erstattet – weil das vermietete Fahrzeug beispielsweise nicht als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassen ist –, kann der Geschädigte den höheren Nutzungsausfall abzüglich des bereits bezahlten Werkstattersatztarifs geltend machen (vgl. Newsletter 02/2019). Der Geschädigte kann jeweils die für ihn günstigere Möglichkeit wählen.
Für das Autohaus/ Kfz-Werkstatt heißt das Folgendes:
Das Autohaus sollte wissen, dass der Geschädigte anstelle der konkreten Mietwagenkosten auch Nutzungsausfall geltend machen kann. Dies bietet sich dann an, wenn die Gerichte entweder nur einen sehr niedrigen Mietwagentarif zusprechen oder aber die zu vermietenden Autos nicht als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassen sind. In letzterem Fall besteht das Risiko, dass die Haftpflichtversicherung dem Geschädigten nur den Tarif für einen Werkstattersatzwagen erstattet, der meist deutlich niedriger als der Nutzungsausfall ist.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Sollte die Versicherung – aus welchem Grund auch immer – die konkreten Mietwagenkosten massiv kürzen, kann anstelle der Mietwagenkosten auch Nutzungsausfall geltend gemacht und vor Gericht eingeklagt werden.