Nach einem unverschuldeten Autounfall darf sich der Geschädigte für die Dauer der Reparatur oder Wiederbeschaffung einen Mietwagen nehmen; die Kosten muss die gegnerische Haftpflichtversicherung tragen. Dabei kürzen die Versicherungen gerne den Schadensersatzanspruch und nehmen insbesondere den Tarif, die Mietwagendauer und die Nebenkosten genauer unter die Lupe. Wie Mietwagenkosten richtig berechnet werden, erläutern wir nachstehend beispielhaft anhand des Urteils des OLG Schleswig vom 28.11.2019, Az. 7 U 39/19. Ergänzend verweisen wir zur Dauer der Mietwagennutzung auf unseren Newsletter 06/2018.
Dem vom OLG Schleswig entschiedenen Fall lagen folgende Daten zugrunde:
Unfalltag: 09.09.2017
Reparaturauftrag und Anmietung Ersatzwagen: 11.09.2017
Reparaturende und Rückgabe Ersatzwagen: 14.11.2017
Für die Dauer von 65 Tagen stellte die Autovermietung dem Kläger die Mietwagenkosten in Rechnung. Die ursprünglich im Gutachten auf sechs bis sieben Arbeitstage geschätzte Reparaturdauer verzögerte sich wegen einer langwierigen Ersatzteillieferung.
a) Fahrzeugklasse
Zur Einordnung der Fahrzeugklasse hat das OLG Schleswig auf den angemieteten Ersatzwagen und nicht auf den beschädigten Unfallwagen abgestellt. Wird ein klassentieferes Fahrzeug angemietet, führt dies in der Regel dazu, dass ein Abzug der Eigenersparnis (regelmäßig zwischen 5 und 10 %) unterbleibt. Grundsätzlich ist der Geschädigte berechtigt, einen gleichwertigen Ersatzwagen anzumieten. Mietet er ein einfacheres Fahrzeug an, entfällt der Ersparnisabzug, weil der Schädiger sonst in doppelter Weise entlastet würde.
b) Dauer
Die Dauer der Mietwagennutzung von 65 Tagen wurde dem Kläger zugebilligt. Ist bei einem Reparaturschaden das verunfallte Fahrzeug verkehrssicher, entspricht die Dauer der Anmietungszeit der Reparaturdauer. Auch wenn der Gutachter ursprünglich sechs bis sieben Arbeitstage prognostiziert hatte, liegen Verlängerungen der Reparaturdauer außerhalb des Einflussbereichs des Geschädigten. Braucht die Werkstatt bei der Reparatur länger, kann dies dem Geschädigten grundsätzlich nicht zugerechnet werden.
c) Tarif
Den Mietwagentarif hat das OLG Schleswig nach der „Fracke-Methode“ berechnet. Nach dem Urteil des BGH vom 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, sind sowohl die Schwacke-Liste als auch der Fraunhofer-Mietpreisspiegel oder eine Kombination aus beidem (arithmetisches Mittel) zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet.
Für die Berechnung des Tarifs hat das OLG Schleswig den größten, für die Anmietung erforderlichen Zeitabschnitt entsprechend den Tabellenwerken verwendet und daraus einen entsprechenden Tageswert errechnet; dieser wurde sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Gesamtmiettage multipliziert (hier: Wochenpauschale : 7 Tage x 65 Tage). Diese Berechnungsmethode sei deshalb sachgerecht, weil bei nachträglicher Verlängerung der Mietzeit keine Mehrkosten entstehen. Die andere, in der Rechtsprechung auch vertretene Methode teilt in die Zeitabschnitte der Tabelle auf (z.B. 11 Tage sind: 1 Woche + 3 Tage + 1 Tag).
d) Pauschaler unfallbedingter Aufschlag von 20 %
Ein pauschaler Aufschlag auf den oben ermittelten „Normaltarif“ ist dann gerechtfertigt, wenn unfallbedingte Besonderheiten bei der Anmietung vorliegen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Geschädigte aufgrund einer Not- und Eilsituation sofort ein Ersatzfahrzeug benötigt, eine Anmietung außerhalb üblicher Geschäftszeiten erfolgt oder der Vermieter durch Verzicht auf eine Vorfinanzierung mittels Kreditkarte ein höheres Forderungsausfallrisiko hat. Vorliegend war eine besondere Not- und Eilsituation nicht gegeben. Das Ersatzfahrzeug diente überwiegend für Familienfahrten und wurde nicht täglich gebraucht.
Das OLG Schleswig hat in seinem Urteil zusätzlich zu den in der Mietwagenrechnung enthaltenen Nebenkosten Stellung genommen. Dies behandeln wir in unserem nächsten Newsletter.
Für das Autohaus/Autovermietung heißt das Folgendes:
Das Autohaus/die Autovermietung sollte wissen, wie der Tarif für einen Mietwagen zu berechnen ist. Eine beispielhafte Anleitung bietet das oben besprochene Urteil des OLG Schleswig.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige sollte wie üblich im Hinblick auf die Dauer der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs die Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungsdauer in seinem Gutachten festlegen.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Treten bei der Reparatur Verzögerungen auf und braucht die Werkstatt länger, kann dies dem Geschädigten grundsätzlich nicht zugerechnet werden. Er kann die Kosten für die verlängerte Anmietung von der gegnerischen Haftpflichtversicherung erstattet verlangen. Dies gilt dann nicht mehr, wenn dem Geschädigten ein Auswahl- und Überwachungsverschulden zur Last fällt. Sofern er allerdings eine Fachwerkstatt mit der Durchführung der Reparatur beauftragt, kann ihm auch kein Auswahlverschulden vorgeworfen werden.