Nach einem unverschuldeten Autounfall darf sich der Geschädigte für die Dauer der Reparatur oder Wiederbeschaffung einen Mietwagen nehmen. Die erforderlichen Mietwagenkosten werden im Wege des Geldersatzes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB von der Versicherung des Schädigers erstattet. Nach der Rechtsprechung sind nur solche Kosten erforderlich, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2010, Az. VI ZR 6/09, und Urteil vom 12.04.2011, Az. VI ZR 300/09).
Die Frage, was die erforderlichen Mietwagenkosten sind, kann niemand exakt beantworten. Die Rechtsprechung hierzu ist wie folgt:
- In einer Not- und Eilsituation nach dem Unfall kann der Geschädigte sofort ein Fahrzeug anmieten; er hat keine Preisvergleichspflicht. Das betrifft vor allem Unfälle bei der Durchreise, wenn eine Weiterfahrt sofort notwendig ist, oder auf der Fahrt zur Arbeit (vgl. LG Leipzig, Urteil vom 23.01.2014, Az. 05 S 345/13).
- Liegt nur ein Tag zwischen Unfall und Anmietung, muss der Geschädigte vor der Anmietung die Preise vor Ort vergleichen und dann einen Tarif, der im Rahmen des Üblichen liegt, auswählen (vgl. BGH, Urteil vom 05.03.2013, Az. VI ZR 245/11).
- Tut er das – wie die Meisten – nicht, bekommt er nur den üblichen Betrag erstattet. Wie „das Übliche“ ermittelt wird, überlässt der BGH (Urteil vom 12.04.2011, Az. VI ZR 300/09) den jeweiligen Gerichten vor Ort, die den ersatzfähigen Normaltarif nach § 287 ZPO schätzen. Das führt zu der derzeit unübersichtlichen Rechtsprechung, denn fast jedes Gericht entscheidet anders: entweder die Fraunhofer-Tabelle (evtl. plus Zuschlag) oder die Schwacke-Tabelle oder der Mittelwert aus beidem (auch „Fracke“ genannt) – alles sind taugliche Schätzgrundlagen.
Die Bildung des Mittelwerts aus der Fraunhofer- und der Schwacke-Tabelle („Fracke“) kommt aber dann nicht in Betracht, wenn das verunfallte Fahrzeug und damit auch das Mietfahrzeug ein Fahrzeug der Gruppe 11 war, die in der Fraunhofer-Tabelle nicht vorkommt. Das hat das Amtsgericht (AG) Leverkusen mit Urteil vom 02.05.2019, Az. 27 C 122/18, entschieden. Es ging um einen Porsche Carrera Cabriolet aus der Mietwagengruppe 11; in der Fraunhofer-Tabelle werden aber keine Gruppe-11-Werte erhoben. Den Normaltarif hat das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ermittelt. Da der Porsche kein Standardfahrzeug ist, das in jeder Autovermietung ohne Weiteres verfügbar war, wurden die von der Autovermietung berechneten Kosten als erforderlich angesehen. Weil der Geschädigte klassengleich angemietet hat, hat das Gericht lediglich vier Prozent der geltend gemachten Mietwagenkosten als Eigenersparnis abgezogen.
Ähnlich das Amtsgericht Nürnberg mit Urteil vom 19.07.2018, Az. 36 C 114/18: Wenn im lokalen Umfeld überhaupt nur ein Vermieter solche Fahrzeuge anbietet, sind dessen Preise der Maßstab der schadenrechtlichen Kostenerstattung. Denn auch die Schwacke-Tabelle weise Daten für die Mietwagenklasse 11 nur für manche Regionen aus, was zeige, dass diese Fahrzeuge nicht überall angeboten werden.
Das bedeutet auch, dass ein Mietwagenangebot der gegnerischen Versicherung (vgl. hierzu unser Newsletter 09/2019), das nur auf Mietwagen der Gruppen 1 bis 10 hinweist, unbeachtlich ist. Ein Geschädigter, der mit einem Gruppe-11-Fahrzeug am Unfall beteiligt war und auch ein solches angemietet hat, muss dieses Schreiben im Hinblick auf die Schadenminderungspflicht bei der Anmietung nicht beachten (vgl. AG Leverkusen, Urteil vom 02.05.2019, Az. 27 C 122/18).
Für das Autohaus als Vermietunternehmen heißt das Folgendes:
Ist das Fahrzeug des Geschädigten ein Fahrzeug der Gruppe 11, das in der Fraunhofer-Tabelle nicht enthalten ist, sind grundsätzlich zur Berechnung der Mietwagenkosten die Werte der Schwacke-Tabelle maßgebend. Weist auch die Schwacke-Tabelle in der Region der Anmietung diese Gruppe nicht aus, sind die Preise des Vermieters maßgebend.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte kann, sofern er über ein Fahrzeug der Gruppe 11 verfügt, bei demjenigen Vermieter im lokalen Umfeld anmieten, der ein solches Mietfahrzeug anbietet. Ein Mietwagenangebot der gegnerischen Haftpflichtversicherung, das nur Mietfahrzeuge der Gruppe 1 bis 10 anbietet, muss der Geschädigte nicht annehmen.