Relativ schnell nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall erhalten Geschädigte ein Mietwagenangebot der gegnerischen Haftpflichtversicherung – entweder schriftlich oder telefonisch. Darin wird dem Geschädigten ein Mietwagen zu einem meist günstigeren Preis als bei einem Autohaus oder einer Autovermietung angeboten. Mietet der Geschädigte trotzdem bei „seinem“ Autohaus den Mietwagen an, wendet die gegnerische Versicherung einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ein und erstattet nur den Mietwagenpreis aus ihrem Angebot. Ist das rechtens?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte bereits mit Urteil vom 26.04.2016, Az. VI ZR 563/15, entschieden, dass der Geschädigte ein im telefonischen Erstgespräch abgegebenes Angebot des Versicherers, ihm einen günstigen Mietwagen zu vermitteln, nicht ignorieren darf. Nun hat der BGH erneut zu diesem Thema Stellung genommen und mit Urteil vom 12.02.2019, Az. VI ZR 141/18, seine Rechtsprechung präzisiert.
Weiterhin aufrecht hält der BGH seine Ansicht, dass sich ein ordentlicher und verständiger Mensch bei Vorliegen inhaltlich vergleichbarer Mietwagenangebote für das günstigere Angebot entscheiden würde, wenn keine Anhaltspunkte für die fehlende Seriosität des günstigeren Anbieters und seines Angebots ersichtlich seien. Dies gelte auch dann (und das ist neu!), wenn das Mietwagenangebot auf besonderen Preisvereinbarungen zwischen dem Versicherer und dem ihm geschäftlich verbundenen Autovermieter beruhe.
Anders als bei der Rechtsprechung des BGH zu den Stundenverrechnungssätzen bei der fiktiven Abrechnung von Reparaturkosten sind Versicherungssonderpreise damit nicht tabu. Der Grundsatz des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, dass der Geschädigte die Schadensbeseitigung in eigener Regie durchführen könne und nicht dem Schädiger anvertrauen müsse, werde nicht unzulässig unterlaufen. Denn die Ersetzungsbefugnis des Geschädigten, das verletzte Rechtsgut dem Schädiger gerade nicht zur Wiederherstellung anvertrauen und damit aus seinen Händen geben zu müssen, ist bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nicht betroffen. Die Anmietung sei nicht mit einer unmittelbaren Einwirkung auf das verletzte Rechtsgut – also das Eigentum am beschädigten Fahrzeug – verbunden.
Im zu entscheidenden Fall war der Mietwagen dem Geschädigten zudem in einer Form angeboten worden, dass er nur noch “ja” zu sagen brauchte. Daher war es ihm auch zuzumuten, solch ein Angebot anzunehmen.
In der Praxis wird das Urteil des BGH dazu führen, dass die Haftpflichtversicherungen noch mehr als bisher dem Geschädigten möglichst umgehend nach dem Unfall auf günstigere Anmietmöglichkeiten verweisen werden. Darüber, wie ein solches Mietwagenangebot inhaltlich auszusehen hat, gab es schon nach der ersten BGH-Entscheidung Uneinigkeit. Während beispielsweise dem Amtsgericht und Landgericht Coburg (zuständiges Gericht am Sitz einer Versicherung) bereits allgemeine Hinweise des Versicherers genügen, nimmt die überwiegende Rechtsprechung an, dass die Mietwagenangebote konkrete Angaben beinhalten müssen:
- Sie müssen sich auf Zeitpunkt und Ort der Anmietung beziehen.
- Es ist ein bestimmtes Fahrzeugmodell und nicht nur Beispiele für bestimmte Fahrzeugklassen anzugeben.
- Die Höhe des Grundtarifs, ggf. mit einem Aufschlag für einen Unfallersatztarif, muss ersichtlich sein.
- Die Kosten für die Zusatzleistungen (Zustellung und Abholung, Winterreifen, zweiter Fahrer) sind anzugeben.
- Hinsichtlich der Kaskoversicherung ist die Höhe der Selbstbeteiligung zu nennen.
- Es sind Angaben zur Vorfinanzierung zu machen.
- Die Leistungen müssen am Wohnort des Geschädigten im fraglichen Zeitraum tatsächlich verfügbar sein.
Für das Autohaus/Kfz-Werkstatt heißt das Folgendes:
Die Mietwagenpreise aus den Mietwagenangeboten, insbesondere wenn sie jetzt auch auf Sondervereinbarungen zwischen Versicherer und Autovermieter beruhen dürfen, sind niedriger als die üblicherweise vom Autohaus oder der Kfz-Werkstatt berechneten. Um den Mietwagenangeboten zu entgehen und Streit über deren Wirksamkeit gar nicht entstehen zu lassen, hilft es nur, schnell zu sein: Schließt der Geschädigte bereits vor Zugang des Mietwagenangebots den Mietvertrag ab und mietet einen Ersatzwagen an, geht die Verweisung des Versicherers auf sein Angebot ins Leere.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Geht dem Geschädigten ein Mietwagenangebot der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu, kann er gehalten sein, auf dieses einzugehen und sich den Mietwagen über dieses Angebot vermitteln zu lassen. Mietet er einen teureren Mietwagen an, wird ihm die gegnerische Versicherung eine Verletzung der Schadensminderungspflicht vorwerfen und nur den Mietwagenpreis aus dem Angebot erstatten. Will der Geschädigte überprüfen lassen, ob ein solches Mietwagenangebot wirksam ist, sollte er anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.