

In unserem Newsletter 14/2018 hatten wir darüber berichtet, dass eine gegnerische Haftpflichtversicherung nach Regulierung der Schadensersatzansprüche an den Geschädigten das Autohaus/die Kfz-Werkstatt in Regress genommen hat. Dieser Regress ist gescheitert, da dem Autohauses aus dem Werkvertrag mit dem Kunden keine Pflichtverletzung – bestimmte Arbeiten seien bei der Reparatur überflüssig gewesen – vorgeworfen werden konnte.
Damit die gegnerische Versicherung überhaupt gegen das Autohaus vorgehen kann, muss diese aber erst einmal einen eigenen Anspruch gegen das Autohaus haben. Eine direkte Beziehung zwischen Versicherung und Autohaus gibt es nicht.
Deshalb verlangen die gegnerischen Versicherer neuerdings immer öfter vom Geschädigten, dass dieser ihnen mögliche Schadensersatz- oder Rückforderungsansprüche gegen das Autohaus abtritt. Als Rechtsgrundlage kommen hier die Grundsätze des Vorteilsausgleichs sowie eine Abtretungspflicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 255 BGB in Betracht.
Abgetreten wird entweder ein möglicher Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen das Autohaus wegen unwirtschaftlicher oder überflüssiger Werkstattarbeiten oder ein Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Geschädigte die Werkstattrechnung bereits vollständig bezahlt hat.
Wie reagiert der Geschädigte, wenn die gegnerische Versicherung von ihm die Abtretung möglicher Ansprüche gegen das Autohaus verlangt?
Sobald die gegnerische Versicherung den Fahrzeugschaden nur teilweise reguliert und die weitere Zahlung davon abhängig macht, dass eine Abtretungserklärung vom Geschädigten unterzeichnet wird, hat die Versicherung ein Druckmittel gegen den Geschädigten in der Hand. Die Versicherung will nur Zug um Zug leisten, d.h. sie möchte die Kürzungen nur bezahlen, wenn sie im Gegenzug die Abtretungserklärung des Geschädigten übermittelt bekommt.
Der Geschädigte kann grundsätzlich die Abgabe der Abtretungserklärung verweigern, wenn die Reparaturbedingungen des Autohauses, wie üblicherweise, ein Abtretungsverbot enthalten. Die Verweigerung ist dann legitim, blockiert aber zulasten des Geschädigten eine zügige Regulierung.
Auch hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 16.09.2008, Az. VI ZR 226/07, entschieden, dass sich die Haftpflichtversicherung im Hinblick auf möglicherweise bestehende vertragliche Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen darf, da streng zwischen dem Außenverhältnis Geschädigter und Schädiger und dem Innenverhältnis Geschädigter und Autohaus zu trennen sei. Allerdings sieht die Praxis derzeit anders aus. Die meisten Richter der unteren Gerichtsinstanzen kennen diese Rechtsprechung nicht oder folgen ihr nicht, so dass es empfehlenswert ist, die Abtretungserklärung abzugeben, um die weitere Regulierung zu ermöglichen.
Die Abtretungserklärung kann entweder außergerichtlich oder erst im gerichtlichen Verfahren abgegeben werden.
Gibt der Geschädigte gar keine Abtretungserklärung ab und klagt einen unbedingten Zahlungsanspruch gegen die Haftpflichtversicherung ein, geht er das Risiko ein, dass das Gericht die Versicherung nur zur Zahlung Zug-um-Zug gegen Abtretung möglicher Ansprüche aus dem der Reparaturrechnung zugrundeliegenden Werkvertrag verurteilt. Dem Geschädigten kann dann ein Teil der Verfahrenskosten – typischerweise 1/5 – auferlegt werden (vgl. AG Bochum, Urteil vom 19.04.2018, Az. 42 C 263/17).
Wenn der Geschädigte die Abtretung möglicher Ersatzansprüche mit der Klageschrift anbietet, kann zwar eine Zug-um-Zug Verurteilung erfolgen, allerdings trägt dann die Versicherung sämtliche Kosten (vgl. AG München, Urteil vom 16.04. 2018, Az. 332 C 4359/18). Nach dem AG Minden (Urteil vom 16.02.2018, Az. 28 C 220/17) kann der Geschädigte die Zug-um-Zug Verurteilung sogar vermeiden, wenn er seine Abtretungspflicht spätestens im Schlusstermin erfüllt.
Für das Autohaus/die Kfz-Werkstatt heißt das Folgendes:
Der Kunde muss unter Umständen, um eine Regulierung seiner Schadensersatzansprüche zu erreichen, mögliche Schadensersatzansprüche aus dem Werkvertrag mit dem Autohaus an die gegnerische Versicherung abtreten. Abzuwarten bleibt dann, ob die Haftpflichtversicherung aus dieser Abtretung Ansprüche gegen das Autohaus auch tatsächlich durchzusetzen versucht. Für diesen Fall gibt es zahlreiche Verteidigungsmöglichkeiten des Autohauses; hierum sollte sich aber ein auf das Verkehrsrecht spezialisierter Rechtsanwalt kümmern.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständige treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte sollte auf Verlangen der gegnerischen Versicherung eine Abtretungserklärung abgeben. Tut er dies nicht, läuft er Gefahr, dass die Versicherung den offenen Restbetrag zurückhält und sich im Zahlungsprozess mit dem schadensrechtlichen Vorteilsausgleich verteidigt. Zudem riskiert der Geschädigte, auf einem Teil der Prozesskosten sitzen zu bleiben.