Erleidet das Auto des Geschädigten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall einen wirtschaftlichen Totalschaden, wird sich der Geschädigte nach einem neuen Fahrzeug umschauen. Hierfür entsteht ihm oft ein nicht unerheblicher Aufwand. Ist dieser Aufwand erstattungsfähig?
Das Amtsgericht (AG) Suhl hat mit Urteil vom 09.01.2019, Az. 1 C 194/18, entschieden, dass die Fahrtkosten zur Wiederbeschaffung vom Schädiger zu übernehmen sind. Der Geschädigte hatte die Fahrtkosten pauschal mit 0,30 EUR pro km berechnet. Die einzelnen Fahrten waren zur Besichtigung der dem Geschädigten angebotenen neuen Fahrzeuge angefallen und kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen. Das Risiko, dass ein Fahrzeug nicht den Anforderungen und dem Geschmack des Geschädigten entspreche, trage der Schädiger, so das AG Suhl. Dafür, dass der Geschädigte unangemessen hohe Fahrtkosten produziert habe und damit gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen habe, sei der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig.
Begleit- und Nebenkosten, die bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich angefallen sind, sind grundsätzlich erstattungsfähig. Dazu zählen folgende Positionen:
- die konkret angefallenen Kosten für die Abmeldung des beschädigten Fahrzeugs und die Anmeldung des Ersatzfahrzeugs
- die Kosten eines Zulassungsdienstes oder des Autohauses
- neue Sicherheitsartikel wie Verbandskasten, Warndreieck und Warnweste
- die Kosten für eine Überführung des Ersatzfahrzeugs (mit einer Einschränkung: Geht der Sachverständige von der Möglichkeit einer Ersatzbeschaffung auf dem lokalen Markt aus, sind im Falle eines überregionalen Kaufs Fahrt- und Überführungskosten nicht ohne Weiteres ersatzfähig)
- die Kosten für Fahrten zum Zwecke der Besichtigung angebotener Fahrzeuge
Der Zeitaufwand des Geschädigten bei der außergerichtlichen Abwicklung von Schadensersatzansprüchen ist dagegen keine Schadensersatzposition (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.1976, Az. VI ZR 98/75). Übliche persönliche Bemühungen um die Erlangung des geschuldeten Ersatzes müssen ohne besondere Entschädigung erbracht werden.
Zu beachten ist aber, dass diese Nebenkosten nur bei einer konkreten Abrechnung geltend gemacht werden können. Wählt der Geschädigte die für ihn günstigere Möglichkeit einer fiktiven Totalschadensabrechnung auf Gutachtenbasis, z.B. bei einem Kaufpreis des neuen Fahrzeugs unter Einbeziehung der Nebenkosten unterhalb des Wiederbeschaffungswerts aus dem Gutachten, kann er die tatsächlich angefallenen Nebenkosten nicht zusätzlich verlangen. Es handelt sich dabei nämlich um eine unzulässige Kombination aus fiktiver und konkreter Abrechnung (vgl. BGH, Urteil vom 30.05.2006, Az. VI ZR 174/05).
Für das Autohaus/ Kfz-Werkstatt heißt das Folgendes:
Bei den Nebenkosten, die dem Geschädigten bei der Ersatzbeschaffung entstehen können, sind für das Autohaus insbesondere die Positionen „Überführungskosten“ und „Kosten für die Zulassung“ interessant. Diese Kosten werden üblicherweise dem Geschädigten vom Autohaus in Rechnung gestellt; der Geschädigte wiederum kann diese als Schadenersatz bei der gegnerischen Versicherung geltend machen. Darauf sollte das Autohaus den Geschädigten hinweisen.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigtekann Fahrtkosten, die ihm zur Wiederbeschaffung eines neuen Fahrzeugs anfallen, mit 0,30 EUR pro km berechnen. Alternativ kann er natürlich auch die Kosten für eine Bahnfahrkarte geltend machen. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht kann ihm nur dann vorgeworfen werden, wenn die Fahrtkosten unangemessen hoch sind; dafür ist aber der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig.