Mit Urteil vom 28.10.2019, Az. VI ZR 45/19, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein Geschädigter, der Großkundenrabatte erhält, sich diesen Rabatt bei der Schadensgeltendmachung gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung anrechnen lassen muss (vgl. unser Newsletter 01/2020). Bereits seit dem Jahr 2011 steht fest (BGH, Urteil vom 18.10.2011, Az. VI ZR 17/11), dass ein Werksangehörigenrabatt, den der Geschädigte aufgrund einer Betriebsvereinbarung auf die Werkstattrechnung erhält, zu berücksichtigen ist.
Nun hat der BGH in seinem Urteil vom 14.7.2020, Az. VI ZR 268/19, diese Rechtsprechung konsequent weitergeführt:
„Der Geschädigte, der im Wege der konkreten Schadensabrechnung Ersatz der Kosten für ein fabrikneues Ersatzfahrzeug begehrt, muss sich einen Nachlass für Menschen mit Behinderung anrechnen lassen, den er vom Hersteller aufgrund von diesem generell und nicht nur im Hinblick auf ein Schadensereignis gewährter Nachlässe erhält.“
Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, für den die Beklagten einstandspflichtig sind. Das bei dem Unfall erheblich beschädigte Fahrzeug der Klägerin hatte zum Zeitpunkt des Unfalls erst eine Laufleistung von 356 km. Beim Erwerb dieses Fahrzeugs hatte die Klägerin einen vom Fahrzeughersteller generell gewährten Gesamtnachlass für Menschen mit Behinderung von 15 % erhalten. Nach dem Unfall veräußerte die Klägerin das beschädigte Fahrzeug und schaffte ein fabrikneues Ersatzfahrzeug an. Sie erhielt auch hier wieder einen Nachlass von 15 %.
Die Klägerin forderte von der Beklagtenseite jedoch Ersatz des Listenpreises (ohne Nachlass) abzüglich des Restwerts. Diesen Nachlass hat die beklagte Versicherung nicht ersetzt und sich darauf berufen, dass sich die Klägerin diesen anrechnen lassen muss. Mit der Klage macht die Klägerin den Nachlass in Höhe von 4.779,75 Euro geltend.
Entscheidung:
Der BGH hat entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf den geltend gemachten Nachlass hat. Begründet hat dies der BGH wie folgt:
Der Klägerin ist nach der sogenannten Differenzhypothese kein Schaden entstanden. Ob ein zu erstattender Vermögensschaden vorliegt, ist durch einen Vergleich der infolge des Unfallereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin bei dem ursprünglich getätigten Kauf einen Rabatt erhalten hat. Zu betrachten ist beim Vergleich der beiden Vermögenslagen nur, dass sich im Vermögen der Klägerin sowohl vor als auch nach dem Unfall ein Neufahrzeug befand. Da die Klägerin an dem Schadensfall nicht verdienen soll, kann sie Ersatz der Anschaffungskosten für das Neufahrzeug nur in Höhe der ihr tatsächlich entstandenen Kosten beanspruchen. Anderenfalls wäre sie durch den Schadensersatz bereichert. In ihrem Vermögen befände sich nicht nur – wie vor dem Unfall – ein Neufahrzeug, sondern zusätzlich ein Geldbetrag in Höhe des bei der Ersatzbeschaffung gewährten Rabatts.
Dies ist konsequent. Im Schadensersatzrecht gilt bei der Bestimmung des erforderlichen Herstellungsaufwandes nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die „subjektbezogene Schadensbetrachtung”. Dies bedeutet, dass bei der Schadensbehebung auch auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten abzustellen ist. Dabei ist nicht nur Rücksicht auf die beim Geschädigten bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen, sondern auch auf die ihm zumutbaren Möglichkeiten. Und da der Nachlass für Menschen mit Behinderung generell und unabhängig von einem Schadensereignis und ohne weiterer überobligatorische Anstrengung gewährt wird, ist er anzurechnen.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Das Autohaus hat die Rechnung über den Kauf eines Neufahrzeugs gegenüber einem Geschädigten, der einen Nachlass aufgrund einer Behinderung erhält, unter Abzug dieses Nachlasses auszustellen. Diesen Rechnungsbetrag macht der Geschädigte dann gegenüber der gegnerischen Versicherung geltend.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Geschädigte, welche unabhängig vom konkreten Unfall aufgrund einer Behinderung einen Nachlass erhalten, müssen sich diesen Nachlass auch bei der Schadengeltendmachung gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung anrechnen lassen.