

Ein Neufahrzeug verliert bereits an Wert, sobald es die Produktionshalle beziehungsweise das Autohaus verlassen hat und in die Hände des Käufers gelangt ist. Der Fahrzeugwert mindert sich durch die Benutzung im Verhältnis zum ursprünglichen Neupreis schon nach kurzer Zeit erheblich. Was passiert, wenn ein Geschädigter mit solch einem nahezu neuwertigen Kraftfahrzeug einen unverschuldeten Verkehrsunfall hatte?
Darüber hatte erst kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 29.09.2020, Az. VI ZR 271/19, entschieden.
Sachverhalt:
Der Kläger hatte einen Neuwagen zu einem Kaufpreis in Höhe von 37.181 Euro erworben. Mit diesem hatte er einen unverschuldeten Verkehrsunfall, für den die Beklagten unstreitig einstandspflichtig waren. Der Kilometerstand betrug am Unfalltag 571 km. Der Kläger holte ein Gutachten ein, das Reparaturkosten von 5.287,43 Euro brutto und eine Wertminderung von 1.000 Euro ausgewiesen hat. Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten letztendlich noch 31.787,78 Euro und macht damit einen Anspruch auf Neuwagenentschädigung geltend. Das Oberlandesgericht hatte die Beklagten „nur“ dazu verurteilt, an den Kläger die Reparaturkosten netto, zuzüglich Gutachterkosten, Wertminderung und Kostenpauschale zu bezahlen.
Entscheidung:
Der BGH hat Urteil des Oberlandesgerichts „gehalten“ – eine Abrechnung auf Neuwagenbasis ist im vorliegenden Falle nicht zulässig.
Der Eigentümer eines fabrikneuen Fahrzeugs mit einer Laufleistung von nicht mehr als 1.000 km kann im Falle dessen erheblicher Beschädigung berechtigt sein, Ersatz der Kosten für die Beschaffung eines Neufahrzeugs zu verlangen, wenn er ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erworben hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 09.06.2009, Az. VI ZR 110/08).
Der Grund dafür ist folgender: Die Zuerkennung der an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung, die den Reparaturaufwand (Reparaturkosten und Wertminderung) übersteigt, dient dem Schutz und dem besonderen Interesse des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines Neufahrzeugs.
Das ist aber nur dann mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren, wenn der Geschädigte im konkreten Einzelfall tatsächlich ein solches Interesse hat und dieses durch den Kauf eines Neufahrzeugs auch nachweist.
Der Kläger hat vorliegend jedoch kein Neufahrzeug erworben und damit auch keinen Anspruch auf Neupreisentschädigung.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Das Autohaus sollte wissen, unter welchen Voraussetzungen der Geschädigte Anspruch auf eine Neupreisentschädigung hat. Nur dann hat der Geschädigte Anspruch auf vollen Ersatz derjenigen Kosten, die er für die Anschaffung eines typengleichen Neufahrzeugs aufwenden muss. Nachdem bei hochpreisigen Neufahrzeugen längere Lieferzeiten an der Tagesordnung sind, dauert die Wiederbeschaffung entsprechend länger. Demgemäß hat der Geschädigte auch Anspruch auf eine längere Mietwagendauer.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen gilt dasselbe wir für das Autohaus.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes
Unter drei Voraussetzungen kann der Geschädigte den Fahrzeugschaden auf sogenannter Neuwagenbasis abrechnen.
- Das Fahrzeug muss neuwertig Neuwertig ist das Fahrzeug dann, wenn der Tag der Erstzulassung im Unfallzeitpunkt nicht länger als einen Monat zurückliegt und das Fahrzeug nicht mehr als 1.000 km zurückgelegt hat.
- Das Fahrzeug muss erheblich beschädigt Eine solche liegt vor, wenn tragende oder sicherheitsrelevante Teile, insbesondere das Fahrzeugchassis betroffen sind, es sei denn es handelt sich lediglich um unerhebliche Richt- oder Schweißarbeiten.
- Der Geschädigte muss ein Neufahrzeug erwerben. Eine fiktive Abrechnung auf Neuwagenbasis gibt es nicht.