

Über das Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) haben wir bereits in unserem Newsletter 12/2019 berichtet. HIS steht für die Abkürzung „Hinweis- und Informationssystem“. Hierbei handelt es sich um ein System der deutschen Versicherungswirtschaft, das der Aufdeckung und Prävention von Versicherungsbetrug und -missbrauch dienen soll.
Das HIS speichert Daten im Zusammenhang mit Versicherungsfällen, welche unter konkreten Voraussetzungen bei Schadensfällen seitens der Versicherer an das HIS weitergegeben werden. Zweck des Informationsaustausches im HIS ist die Unterstützung der Risikobeurteilung bei Versicherungsanträgen, die Sachverhaltsaufklärung bei Versicherungsfällen unter Zugriff auf frühere Schadensfälle sowie die Bekämpfung von Versicherungsmissbrauch. Bei berechtigtem Interesse können die Versicherer die dort gespeicherten Daten zu einem konkreten Anlass beim Nachweis eines berechtigten Interesses abrufen. Zudem steht das HIS bei Nachweis eines berechtigten Interesses auch Privatpersonen offen. Diese können nach Erwerb eines Fahrzeuges direkt bei der Informa HIS GmbH prüfen lassen, ob das Fahrzeug vorher einen Totalschaden oder einen Unfall hatte, der fiktiv abgerechnet wurde, auch wenn detaillierte Informationen von Versicherungen nicht enthalten sind.
Meldung an das HIS zulässig
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass eine Meldung des Unfalls vom Versicherer im Stadium der fiktiven Abrechnung an das HIS zulässig ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Meldung im Rahmen einer datenschutzrechtlichen Güterabwägung nach Art. 6 Abs.1 f DS-GVO gerechtfertigt.
Bei der Güterabwägung ist das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Stellenwert, den die Offenlegung und Verwendung der Daten für ihn hat, gegen die Interessen der speichernden Stelle und der Dritten, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt, abzuwägen.
Seitens der Versicherungswirtschaft besteht ein Interesse daran, Versicherungsmissbrauch bei mehrfachen Abrechnungen im Falle fiktive Schadensberechnung zu verhindern. Durch die Speicherung der Daten kann missbräuchliches Verhalten durch die wiederholte Geltendmachung desselben Schadens an einem Fahrzeug aufgedeckt werden.
So soll dem Missbrauch, dass ein Fahrzeug, dessen Schaden fiktiv abgerechnet wurde, zum Schrottpreis von einem Dritten übernommen, von diesem in einem Unfall verwickelt und dann der Schaden erneut abgerechnet wird, vorgebeugt werden.
Darüber hinaus ist die Eintragung auch deshalb gerechtfertigt, um die Höhe eines bei einem weiteren Verkehrsunfall entstandenen Schadens zutreffend zu beurteilen und die Abrechnung eines zu hohen Schadensersatzanspruchs zu Lasten der Versichertengemeinschaft verhindern zu können. Dabei können auch andere Personen außerhalb der Versichertengemeinschaft von einer solchen Meldung profitieren, da sich ein Geschädigter als Eigentümer des Fahrzeugs über einen Vorschaden aus der Vorbesitzzeit informieren und gegebenenfalls Informationen zu dem Vorschaden erhalten kann.
Demgegenüber wird die Beeinträchtigung des Betroffenen durch Speicherung der Daten im Rahmen einer Gesamtgüterabwägung von der Rechtsprechung als gering eingestuft. Die Fahrzeugidentifikationsnummer kann zwar innerhalb der gemeldeten Information ein personenbezogenes Datum darstellen, da über sie über eine Anfrage beim Kraftfahrtbundesamt der Halter des Fahrzeuges ermittelt werden kann, jedoch stellt diese Information im Zusammenspiel mit dem Auftreten eines Schadens in der Vergangenheit einen nur geringen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar. Das überwiegende Aufklärungsinteresse der Versichertengemeinschaft überwiegt deutlich.
Anspruch auf Löschung?
Wenn die Meldung in das HIS rechtmäßig erfolgt ist, stellt sich die Frage, wann ein Unfallgeschädigter einen Anspruch auf Löschung der Daten hat. Daten sind nach dem o.g. Art 17 Abs. 1a DSGVO zu löschen, sobald diese nicht mehr für die Zwecke notwendig sind, für die sie erhoben worden sind.
Gem. Art. 17 DSGVO gilt:
„Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:
Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig.
………..
Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet.“
Viele Geschädigte sind der Auffassung, dass ein Löschungsanspruch schon dann bestehe, wenn sie eine Eigenreparatur vorgenommen haben und eine Reparaturbestätigung eines Sachverständigen vorlegen. So haben die Gerichte auch früher entschieden, z.B. das Landgericht Schweinfurt mit Urteil vom 12.4.2021, Az. 23 O 899/20. Dieses hatte dem Geschädigten einen Löschungsanspruch im Hinblick auf im HIS eingetragene Daten zugesprochen. Im vom Gericht zu entscheidenden Fall hatte der Geschädigte den Unfallschaden zwar fiktiv abgerechnet, danach aber eine Reparaturbestätigung durch einen Sachverständigen vorgelegt (vgl. auch unser Newsletter 21/2021).
Diese Auffassung wird von den Gerichten mittlerweile so nicht mehr geteilt. Es gelten strengere Voraussetzungen für einen Löschungsanspruch, wie aktuell das Amtsgericht München mit Urteil vom 10.01.2025, Az. 345 C 21951/24 (2) entschieden hat.
Der Unfallgeschädigte (hier der Versicherungsnehmer in der Vollkaskoversicherung) hatte in diesem Fall sein Fahrzeug selbst repariert – auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen – und eine Bestätigung eines Sachverständigen über die Reparatur vorgelegt. Aus der Reparaturbestätigung selbst ergab sich jedoch keine für die Versicherung prüfbare sach- und fachgerechte Reparatur. Die Aufwendungen der Reparatur lagen unterhalb des Betrages, der im Gutachten als erforderlich für die Schadensbeseitigung angesehen wurde. Daher hat das AG München einen Anspruch auf Löschung verneint.
Auch andere Gerichte sehen bei einer fiktiven Abrechnung einen berechtigten Anlass, die Meldung unabhängig von einer Reparaturbestätigung fortdauern zu lassen, da bei einer fiktiven Abrechnung besondere Gefahrenmoment bestehen. So besteht die Möglichkeit, dass die Reparatur durch Bekannte (ggf. auch für Schwarzarbeit) für deutlich weniger Geld, aber sicher nicht in der Qualität einer Fachwerkstatt durchgeführt wird, es fehlt fachliches Wissen, fehlende Spezialschulungen der Hersteller, Messgeräte, Werkzeuge, Gerätschaften, Reparaturumgebung für Lackierarbeiten. Oder es erfolgt eine Verwendung von Gebrauchtteilen und/oder es wird ein anderer Reparateur gewählt, der nach dem Motto „richten statt ersetzen“ handelt. Dabei kommt es zur Verwendung von Ersatzteilen aus dem Internet, die den Erfordernissen der im Gutachten berechneten Originalteile weder monetär noch qualitativ entsprechen. Es gibt daher viele Fälle, bei denen die Arbeiten nicht vollständig oder fachgerecht ausgeführt werden, wobei dies optisch zunächst nicht erkennbar ist.
Dagegen wird bei Vorlage einer spezifizierten Rechnung einer Werkstatt deren Kompetenz zur sach- und fachgerechten Reparatur grundsätzlich bejaht werden. Art und Umfang der durchgeführten Reparatur sowie Originalersatzteile sind der spezifizierten Rechnung zu entnehmen. Damit wird eine Transparenz für alle Beteiligten zu Art und Umfang der Reparatur geschaffen.
Dies ist der entscheidende Grund, warum bei einer konkreten Abrechnung der Meldegrund entweder von Anfang an gar nicht besteht oder später bei einer Umstellung der Abrechnungsart wegfällt, während bei einer fiktiven Abrechnung weiterhin ungeklärte Umstände und Gefahren bestehen.
Das AG München geht aber noch weiter:
Nach Ansicht des Gerichts kann selbst im Falle einer sach- und fachgerechten Reparatur ein fortbestehendes Interesse der Versicherung an der Meldung bzw. an den entsprechenden Daten bestehen. Denn so das Gericht:
„Auch bei einer fachgerechten und umfassenden Reparatur bleibt der Umstand erhalten, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit einen nicht unerheblichen Schaden erlitten hatte, was im Verkaufsfall eine aufklärungspflichtige Information darstellt und in der Regel zu einem dauerhaft verbleibenden Minderwert des Fahrzeugs führt, insbesondere wenn keine konkreten Nachweise über eine Reparatur vorliegen, vgl. auch das Urteil des Landgerichts München I vom 27.09.2024, Az. 17 S 6937/24.“
Um eine solche Bewertung vornehmen zu können, bleibt ein Interesse an der Speicherung der Daten in HIS vorhanden, unabhängig von der Qualität der durchgeführten Reparatur.
Auch die Höhe eines Wiederbeschaffungswertes wird dadurch beeinflusst.
Zudem ist für die Erstattung eines merkantilen Minderwertes in der Zukunft die Schadensfreiheit des Fahrzeugs relevant. Bei einem unfallbeschädigten Fahrzeug kann trotz einer vollständigen, fachgerechten Reparatur ein merkantiler Minderwert verbleiben oder es handelt sich um einen erheblichen Vorschaden, der beispielsweise bei einem Verkauf des Fahrzeuges offenbart werden müsste (vgl. AG Düsseldorf, Urt. v. 23.02.2023, Az. 40 C 226/22). Hier bedarf es einer Prüfung im Einzelfall, bei der zu berücksichtigen ist, dass ein berechtigtes Interesse für eine Auskunft aus dem HIS-System auch bei anderen Personen bestehen kann – beispielsweise der Erwerber eines Fahrzeuges, der nach dem Kauf erfahren musste, dass ihm ein erheblicher Vorschaden verschwiegen worden ist und eine Aufklärung bei der Geltendmachung eigener zivilrechtlicher Ansprüche benötigt.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Das Autohaus sollte wissen, was es mit dem Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) auf sich hat, um entsprechende Kundenanfragen beantworten zu können.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige kann dem fiktiv abrechnenden Geschädigten nach vollständig fachgerechter Reparatur eine Reparaturbestätigung ausstellen. Es muss sich aber dann um eine prüffähige Reparaturbestätigung handeln, in der die bei der Reparatur verwendeten Ersatzteile und die durchgeführten Arbeitsschritte und der konkrete Reparaturweg festgehalten sind. Ob dies einer sach- und fachgerechten Reparatur in einer Werkstatt samt Reparaturrechnung gleichsteht und für eine Löschung der Daten aus dem HIS ausreicht, mag nach der aktuellen Rechtsprechung zweifelhaft sein und wird im Einzelfall zu prüfen sein.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Erfolgt nach einem Verkehrsunfall und der Schadensmeldung bei der Haftpflichtversicherung ein Eintrag im HIS, muss der Betroffene darüber informiert werden. Dann ist die Datenspeicherung zunächst zulässig. Rechnet der Geschädigte fiktiv ab und weist durch eine nicht prüffähige Reparaturbestätigung nur eine Teilreparatur des Schadens nach, hat er keinen Anspruch auf Löschung der von der Versicherung an das HISgemeldeten Daten. Nur im Fall der fach- und sachgerechten Reparatur samt Reparaturrechnung könnte sich ein Löschungsanspruch ergeben. Das AG München verneint selbst diesen indirekt in seinem Urteil, weil auch bei einer fachgerechten und umfassenden Reparatur grundsätzlich der Umstand erhalten, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit einen nicht unerheblichen Schaden erlitten hat, was im Verkaufsfall eine aufklärungspflichtige Information darstellt und in der Regel zu einem dauerhaften verbleibenden Minderwert des Fahrzeugs führt.