Neben dem reinen Fahrzeugschaden gibt es bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall eine weitere Schadensposition: die Beeinträchtigung des Fahrzeugwerts. Diese wird als Wertminderung oder auch als merkantiler Minderwert bezeichnet.
Die Höhe der Wertminderung ist immer wieder Streitpunkt in der Unfallregulierung. Oft kürzt die gegnerische Haftpflichtversicherung die geltend gemachte Wertminderung, manchmal ist auch der Geschädigte selbst mit der Höhe unzufrieden und möchte eine höhere Wertminderung im Gutachten stehen haben. So erging es auch einem Eigentümer eines Ferraris. Durch einen Unfall mit einem Motorrad kam es zu einer Anschrammung am Gehäuse des rechten Außenspiegels und die rechte Seitentür wurde verformt.
Der Sachverständige ermittelte eine Wertminderung von 15.000 Euro, den die Haftpflichtversicherung des Schädigers auch zahlte. Der Geschädigte war damit aber nicht einverstanden und wollte eine Wertminderung von 40.000 Euro erzielen. Er war der Ansicht, dass mögliche Käufer mehr auf die Unfallfreiheit des Fahrzeugs achten, da es sich bei dem beschädigten Ferrari um ein Premiumfahrzeug eines Luxusherstellers handele. Die Käufer seien nicht bereit, in der Preiskategorie (Kaufpreis um 400.000 Euro) ein Liebhaberfahrzeug mit einem Unfallschaden zu erwerben.
Der Streit landete vor dem Landgericht Mainz, welches letztendlich mit Urteil vom 28.10.2022, Az. 2 O 200/21, eine Wertminderung von 24.000 Euro festgelegt hat.
Unter merkantiler Wertminderung wird der Wertverlust verstanden, der dadurch entsteht, dass das verunfallte Fahrzeug trotz fachgerechter und technisch einwandfrei durchgeführter Reparatur im Falle eines Verkaufs einen geringeren Erlös erzielt als ein vergleichbares Fahrzeug ohne Unfallschaden. Dies kommt daher, da ein großer Teil des Publikums eine Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge hat.
Bei der Bestimmung der Höhe der Wertminderung ist immer vom konkreten Einzelfall auszugehen. Die Höhe unterliegt zudem der freien Überzeugung des Richters und kann von diesem nach § 287 ZPO geschätzt werden. Vorliegend hatte das Landgericht, wie in solchen Fällen üblich, einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zur Höhe der Wertminderung beauftragt.
Im Ergebnis waren aufgrund der äußerst geringen Stückzahl des Modells die sonst üblichen und klassischen Wertminderung-Ermittlungsformeln (Berechnungsmodelle wie beispielsweise Ruhkopf/Sahm, Halbgewachs, Richtlinien des BVSK – Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen – oder MFM – Marktrelevanz- und Faktorenmethode) nicht anwendbar.
Der Sachverständige hat zur Erstellung seines Gutachtens zunächst alle Ferrari-Vertragshändler in Deutschland mittels eines standardisierten Fragebogens befragt. In Ergänzung dazu hat er eine eigenständige Schätzung durchgeführt und kam so letztendlich zu einer Wertminderung von 24.000 Euro.
Das Gericht folgte den Ausführungen des Sachverständigen. Es argumentierte überdies, dass die Sonderkonstellation eines Liebhaberfahrzeugs berücksichtigt werden müsse. Die Höhe der Reparaturkosten könne nicht als taugliches Kriterium herangezogen werden, vielmehr komme es auf die Marktsituation an. Damit das Fahrzeug trotz Unfallschaden noch verkäuflich sei, müsse man mit einem hohen Preisnachlass rechnen. Dieser überschreite dann regelmäßig die unfallbedingten Reparaturkostenkosten um ein Vielfaches.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Für das Autohaus treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige sollte bei der Beurteilung der Höhe der Wertminderung grundsätzlich alle Kriterien (wie Alter, Fahrleistung, Erhaltungszustand, die Marktsituation und Marktgängigkeit des Fahrzeugs, Art und Ausmaß des Schadens und der zu erwartende Minderwert beim Verkauf des Unfallfahrzeugs) mit einbeziehen und in jedem Einzelfall konkret berücksichtigen.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Ist der Geschädigte über die im Sachverständigengutachten festgehaltene Höhe der Wertminderung zunächst enttäuscht, sollte er sich an den Sachverständigen wenden und dort nachfragen, wie dieser zu seiner Feststellung gekommen ist. Der Geschädigte sollte sich auch darüber im Klaren sein, dass eine Klage wegen einer von der Versicherung gekürzten Wertminderung immer ein gewisses Risiko mit sich bringt, da die Feststellung des Sachverständigen im Gutachten keineswegs „in Stein gemeißelt“ ist. Vielmehr kann der Richter die Höhe der Wertminderung selber beurteilen, benötigt hierzu aber meist einen weiteren (kostenpflichtigen) Sachverständigen, der ihm die Tatsachen darlegt, die zur Beurteilung der Höhe der Wertminderung ausschlaggebend sind.