

Die Höhe der Wertminderung (auch als merkantiler Minderwert bezeichnet) ist immer wieder Streitpunkt in der Unfallregulierung. Oft kürzt die gegnerische Haftpflichtversicherung die geltend gemachte Wertminderung, manchmal ist auch der Geschädigte selbst mit der Höhe unzufrieden und möchte eine höhere Wertminderung im Gutachten festgestellt haben.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH erleidet ein Kraftfahrzeug dann eine Wertminderung, wenn es durch einen Unfall beschädigt wurde und trotz technisch einwandfreier Instandsetzung der Markt das instandgesetzte Fahrzeug geringer bewertet als vergleichbare unfallfreie Fahrzeuge. Bei einem großen Teil der potenziellen Käuferschicht besteht – vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden – eine, den Kaufpreis negativ beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge.
Beispielhaft können wir das an folgendem (theoretischen) Fall festmachen:
Bei einem Fahrzeughändler stehen mehrere völlig identische Fahrzeuge entsprechend des Typs, des Zustandes, der Ausstattungsdetails, des Fahrzeugalters und der Laufleistung zum Verkauf. Eines dieser Fahrzeuge hat nachweislich einen Unfallschaden, der nach Schadeneintritt fach- und sachgerecht laut Vorgaben eines Gutachtens in einer markengebundenen Fachwerkstätte instandgesetzt wurde, während die anderen Fahrzeuge frei von Unfallschäden sind.
Die Kaufentscheidung eines potenziellen Interessenten wird nun dadurch beeinflusst, ob ein Fahrzeug unfallfrei oder mit einem fach- und sachgerecht instandgesetzten Vorschaden „behaftet” ist. Der potenzielle Käufer wird grundsätzlich auf das Fahrzeug zugreifen, das sich noch in einem unfallfreien Zustand bei sonst gleichen Ausgangsparametern hinsichtlich der Fahrzeugdaten befindet.
Um das, mit einem fach- und sachgerecht instandgesetzten Unfallschaden behaftete Fahrzeug „an den Mann zu bringen”, muss der Händler eine gewisse Reduzierung des vergleichbaren Veräußerungswertes eines unfallfreien Fahrzeuges in Kauf nehmen, was den eigentlichen Zweck der Wertminderung darstellt.
Zur rechnerischen Eingrenzung der Wertminderung existieren in der Praxis der Schadenbegutachtung eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden. Nach einer Ansicht in der Rechtsprechung lässt sich die Wertminderung anhand mathematischer Formeln und Berechnungsmodellen wie beispielsweise Ruhkopf/Sahm, Halbgewachs, Richtlinien des BVSK (Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen) oder MFM (Marktrelevanz- und Faktorenmethode) bestimmen.
Nach anderer Ansicht ist nicht nur eine Betrachtung anhand starrer Grenzwerte und Formeln entscheidend, sondern eine Bewertung der Gesamtumstände durch den Gutachter. Dabei sind insbesondere Alter, Fahrleistung, Erhaltungszustand, Marktsituation und Marktgängigkeit des Fahrzeugs, Art und Ausmaß des Schadens und der zu erwartende Minderwert beim Verkauf des Unfallfahrzeugs zu berücksichtigen.
Für einen Mandanten haben wir ganz aktuell ein Verfahren vor dem Landgericht Deggendorf (Az. 31 O 707/20) durchgeführt, in dem die Höhe der Wertminderung im Streit stand. Der vom Unfallgeschädigten beauftragte Gutachter hatte bei dem Fahrzeug, das zum Unfallzeitpunkt erst eine Laufleistung von 970 km hatte und 18 Tage vor dem Unfall erstmals zugelassen worden war, eine Wertminderung von 8.000,00 Euro festgehalten. Der Preis des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Erwerbs lag bei ca. 85.000 Euro.
Die gegnerische Haftpflichtversicherung hatte außergerichtlich nur einen Betrag von 1.300,00 Euro reguliert.
Im Gerichtsverfahren holte das Gericht das Gutachten eines gerichtlich beauftragten Gutachters ein. Dieser hatte anhand der o.g. Rechenmethoden zunächst einen merkantilen Minderwert von 1.014 bis 3.710 Euro, also durchschnittlich 2.195 Euro, errechnet. Da die üblichen Berechnungsmethoden aber auf Schadensfälle abgestellt sind, bei denen das Fahrzeug nicht wie vorliegend nahezu neuwertig war, war dieser Wert zu „bereinigen“. Gerade bei solch hochwertigen und fast neuen Fahrzeugen tendiere die Entscheidung eines potentiellen Käufers meist zu einem vergleichbaren unfallfreien Fahrzeug. Daher hatte der Gutachter Marktanalysen bei Fachhändlern durchgeführt. Sämtliche Automobilverkäufer nannten ihm weitaus höhere Beträge, die bei einem Verkauf des unfallbeschädigten Fahrzeugs zu berücksichtigen seien und kamen so zu einer Wertminderung zwischen 5.000 bis 7.675,00 Euro, also durchschnittlich 6.338,00 Euro. Diese Beträge entsprächen der realistischen Preisreduzierung des Verkaufspreises des Fahrzeugs mit Unfallschaden.
Im Ergebnis waren daher die in der Praxis verwendeten Berechnungsmethoden zur Ermittlung der Wertminderung aus sachverständiger Sicht nicht geeignet, um eine adäquate Wertebandbreite für die Differenz des Fahrzeugwerts des unfallgeschädigten Pkw im Verhältnis zu einem gleichwertigen unbeschädigten Fahrzeug darzustellen. Es war vielmehr konkret auf den Schadenfall bezogen, also unter Berücksichtigung des geringen Fahrzeugalters und der geringen Laufleistung, ein anderer Ansatz zu wählen.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Für das Autohaus treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige sollte bei der Beurteilung der Höhe der Wertminderung alle Kriterien (wie Alter, Fahrleistung, Erhaltungszustand, die Marktsituation und Marktgängigkeit des Fahrzeugs, Art und Ausmaß des Schadens und der zu erwartende Minderwert beim Verkauf des Unfallfahrzeugs) mit einbeziehen und in jedem Einzelfall konkret berücksichtigen.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte sollte sich darüber im Klaren sein, dass eine Klage wegen einer von der Versicherung gekürzten Wertminderung immer ein gewisses Risiko mit sich bringt, da die Feststellung des Sachverständigen im Gutachten keineswegs „in Stein gemeißelt“ sind. Vielmehr kann der Richter die Höhe der Wertminderung selber beurteilen, benötigt hierzu aber meist einen weiteren (kostenpflichtigen) Sachverständigen, der ihm die Tatsachen darlegt, die zur Beurteilung der Höhe der Wertminderung ausschlaggebend sind. Eine Klage ist daher aufgrund der relativ hohen Kosten eines gerichtlichen Gutachtens (ca. 2.000 bis 3.000 Euro) nur mit Rechtsschutzversicherung zu empfehlen.