

Lässt der Geschädigte nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall sein Fahrzeug reparieren und macht die Reparaturrechnung gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend, kann es vorkommen, dass diese einen Abzug von den Reparaturkosten vornimmt. Begründet wird dies wie folgt: „Sie müssen sich durch den Einbau neuer Ersatzteile einen Abzug „neu für alt“ anrechnen lassen.“ Oder: „Durch die unfallbedingte Reparatur ist bei Ihrem Fahrzeug eine Wertverbesserung eingetreten.“ Was hat es damit auf sich? Und ist ein solcher Abzug gerechtfertigt?
Die beiden Begriffe Abzug „neu für alt“ und Wertverbesserung lassen sich unter dem Oberbegriff Vorteilsausgleich eingruppieren.
Beim Abzug „neu für alt“ geht es um einen Vorteil, der dadurch entsteht, dass sich der Geschädigte durch die Unfallschadenreparatur eine baldige und ihm eigene Kosten verursachende Maßnahme erspart. Ein solcher Abzug kommt für zu erneuernde Verschleißteile, die im Laufe eines „Autolebens“ häufiger gewechselt werden müssen (wie Motor, Getriebe, Bremsscheiben und Reifen), in Betracht.
Er ist dann gerechtfertigt, wenn bei der Reparatur neue Teile eingebaut werden und der Geschädigte sich dadurch eine eigene Investition in das Fahrzeug erspart. Es genügt nicht nur eine theoretische Besserstellung, es muss sich ein spürbarer und zeitnaher wirtschaftlicher Vorteil einstellen, der für den Geschädigten individuell nützlich ist. Wenn neuwertige Verschleißteile betroffen sind oder Teile, die ohne den Unfall bei normalem Verlauf der Dinge ebenso lange gehalten hätten wie das Fahrzeug selbst, kommt ein Abzug nicht in Betracht.
Beispiele:
- Die Reifen der Vorderachse hatten nur noch 1,7 mm Profil und wurden beim Unfall aufgeschlitzt. Im Zuge der Reparatur werden neue Reifen montiert. Da der Geschädigte ohnehin neue Reifen hätte kaufen müssen, erspart er sich dies nun, so dass ein Abzug gerechtfertigt ist.
- Für erst ca. 2.700 km gefahrene Reifen bekommt der Geschädigte vollen Schadenersatz, weil eine Erneuerung erst in ferner Zukunft angestanden hätte (vgl. AG Köthen, Urteil vom 11.07.2005, Az. 8 C 252/05).
- Werden Teile der Inneneinrichtung, außen liegende Schutzleisten oder eine Felge ausgetauscht, verlängert sich die Lebensdauer des Fahrzeugs nicht – ein Abzug ist nicht möglich.
- Ein Abzug für einen erst kurz vor dem Unfall erneuerten Endschalldämpfer ist nicht vorzunehmen (vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 18.07.2007, Az. 5 O 23/07).
Eine Wertverbesserung setzt voraus, dass das Fahrzeug nach der Reparatur zu einem höheren Preis zu verkaufen wäre als vor dem Unfall. Sie ist nicht gegeben, wenn sich der Wert des Fahrzeugs als Gesamtes sich nicht erhöht. Regelmäßig wird es umgekehrt sein – durch den Unfallschaden erfährt das Fahrzeug eine Wertminderung. Auch wenn Vorschäden bei einer Unfallschadenreparatur mit repariert werden, ist eine Wertsteigerung denkbar.
Beispiele:
- Eine neue Stoßstange an sich hat keine höhere Lebensdauer als die vorhandene Stoßstange, sie erhöht weder die Lebensdauer des Fahrzeugs insgesamt noch erspart sich der Geschädigte Aufwendungen, die zur Instandhaltung notwendig sind. Eine Stoßstange ist auch kein Verschleißteil, das sich bei jeder Fahrt abnutzt. Eine Wertverbesserung schlägt sich daher nicht im Vermögen des Geschädigten nieder und das Fahrzeug steigt durch die neue Stoßstange nicht im Wert (vgl. AG Darmstadt, Urteil vom 10.06.2015, Az. 308 C 52/14).
- Wird durch den Austausch der Stoßstange ein bereits vor dem Unfall beschädigten Fahrzeugteils mitbeseitigt, kann eine Wertsteigerung eintreten.
Die Höhe des Abzugsist nach § 287 der Zivilprozessordnung (ZPO) durch das angerufene Gericht zu schätzen. Beim Austausch von Verschleißteilen eines Fahrzeugs ist der Gebrauchswert der neuen Ersatzteile isoliert zu betrachten, wenn ihre voraussichtliche Lebensdauer die voraussichtliche Lebensdauer des Fahrzeugs nicht übersteigt. Wird das Fahrzeug bald verkauft, sind die Verkehrswerte zu vergleichen: Vom Neuwert ist der Wert des gebrauchten Fahrzeugs vor dem Schadensereignis abzuziehen.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Der Geschädigte bekommt durch einen gerechtfertigt vorgenommenen Vorteilsausgleich nicht die vollen Reparaturkosten von der gegnerischen Versicherung erstattet. Die Differenz muss er daher dem Autohaus aus eigener Tasche bezahlen.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Ein Abzug „neu für alt“ ist vom Sachverständigen im Gutachten festzuhalten, wenn sich der Geschädigte durch die Unfallschadenreparatur eine baldige, kostenverursachende Maßnahme erspart. Eine Wertverbesserung ist nur in engem Maße denkbar: Diese muss sich entweder im Vermögen des Geschädigten niederschlagen und das Fahrzeug insgesamt im Wert steigern, oder aber durch die Reparatur wird ein Vorschaden mitbeseitigt.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Nicht jeder Abzug im Rahmen des Vorteilsausgleichs durch die Versicherung ist vom Geschädigten hinzunehmen. Abzustellen ist bei Verschleißteilen auf das Alter des Ersatzteils und ob eine Auswechslung von Geschädigten ohnehin bald hätte vorgenommen werden müssen. Nur wenn sich durch die Reparatur ein spürbarer und zeitnaher wirtschaftlicher Vorteil einstellen, kann ein Abzug von den Reparaturkosten gerechtfertigt sein.