

Es kann durchaus vorkommen, dass ein Fahrzeug bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall beschädigt wird, das schon einen Vorschaden hatte. Ist dies der Fall, muss der Geschädigte den Vorschaden – sei er repariert worden oder nicht – dem Sachverständigen gegenüber angeben, damit der Vorschaden bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts (WBW) berücksichtigen werden kann. Denn ein Vorschaden hat Einfluss auf die Ermittlung des WBW. Der Geschädigte muss nämlich seinen Schaden dem Grunde wie der Höhe nach darlegen.
Gerade in letzter Zeit häufen sich die Fälle, in denen die gegnerische Haftpflichtversicherung bei einem Totalschaden Einwendungen gegen den vom Gutachter festgestellten WBW vorbringt. Begründet wird dies damit, dass ein Vorschaden vorläge, der Geschädigte die Beweislast dafür trage, dass durch den Unfall ein Schaden eingetreten sei und das Sachverständigengutachten diesen Anforderungen nicht genüge. Denn für jeden Vorschaden müssten die Reparaturkosten ermittelt werden und es müsse festgehalten werden, ob und in welchen Umfang repariert worden sei. Ohne diese Informationen sei eine Überprüfung des WBW nicht möglich.
Als Folge wird der Sachverständige gebeten, nachzutragen, wie hoch der WBW ohne die Vorschäden wäre und welchen Abschlag der Sachverständige vorgenommen hat. Oder aber es wird die Regulierung des kompletten Schadens inkl. weiterer Folgekosten (Gutachterkosten etc.) abgelehnt.
Ist dies rechtens?
Welche Anforderungen an ein Sachverständigengutachten zu stellen sind, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 13.10.2009, AZ. VI ZR 318/08, festgehalten. „Im Veräußerungsfall (…) muss er (Anm: der Geschädigte) vor dem Verkauf des beschädigten Fahrzeugs ein eigenes Gutachten mit einer korrekten Wertermittlung einholen, auf dessen Grundlage er die Schadensberechnung vornehmen kann.“ In diesem Urteil ging es konkret um die vom Sachverständigen festgestellten Restwerte. Der BGH weiter: „Der vom Geschädigten mit der Schadensschätzung zum Zwecke der Schadensregulierung beauftragte Sachverständige hat als geeignete Schätzgrundlage für den Restwert im Regelfall drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt zu ermitteln und diese in seinem Gutachten konkret zu benennen.“ Erst dann lässt das Sachverständigengutachten eine korrekte Wertermittlung erkennen.
Ob das nun auch für die Ermittlung des WBW gilt – darüber hatte der BGH bisher nicht zu entscheiden. Es spricht aber vieles dafür, dass eine korrekte Wertermittlung nur dann vorliegt, wenn auch die Ermittlung des WBW ausreichend transparent ist. Denn der BGH spricht von korrekter Wertermittlung, nicht von korrekter Restwertermittlung.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Für das Autohaus treten keine Besonderheiten auf.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
- Sachverständige sollten, wenn die Haftpflichtversicherungen weiterhin die Nachvollziehbarkeit des WBW anzweifeln, zukünftig für den ermittelten WBW drei Belege in das Gutachten mit aufnehmen und einen Wert-Korridor benennen.
- Vorschäden muss der Sachverständige in seinem Gutachten aufführen. Dabei sollte der Gutachter alle Recherechemöglichkeiten für Vorschäden nutzen (Kunden fragen, Abfrage bei Herstellerdatenbank).
- Abzüge für Vorschäden sollte der Sachverständige bewerten und darstellen, welchen Einfluss der Vorschaden auf die Ermittlung des WBW gehabt hat. Dabei kann er mittels Anhangs darlegen, welchen WBW ein Vergleichsfahrzeug ohne Vorschaden haben würde.
- In bereits laufenden Fällen sollte der Sachverständige eine nachträgliche Stellungnahme zur Ermittlung des WBW und der Berücksichtigung der Vorschäden nachreichen.
- Eine Berechnung der Reparaturkosten des Vorschadens, wie von manchen Haftpflichtversicherungen gefordert, dürfte nicht erforderlich sein. Denn bei der Bewertung des WBW kommt es darauf an, wie der Markt den Vorschaden bewertet und nicht wie hoch die Reparaturkosten sind.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Vorschäden muss der Geschädigte auf jeden Fall dem Sachverständigen mitteilen, damit der Sachverständige diese in seinem Gutachten mit aufnehmen und bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes berücksichtigen kann. Gibt der Geschädigte Vorschäden nicht an, läuft er Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung (zunächst) die Regulierung des Schadens ablehnt.