Ein Geschädigter kauft nach einem unverschuldeten Unfall mit seinem alten Fahrzeug, da dieses einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat, ein Neufahrzeug. Hierfür werden ihm Überführungskosten berechnet. Überführungskosten entstehen beim Autokauf, wenn ein Neuwagen vom Werk zum Autohändler transportiert wird. Diese beinhalten u. a. auch eine entsprechende Transportversicherung und eine Innen- und Außenreinigung und Übergabeinspektion beim Händler.
Kann der Geschädigte diese Position als Schadensersatz von der gegnerischen Haftpflichtversicherung verlangen?
Ob neben dem Fahrzeugschaden auch Überführungskosten zu erstatten sind, ist strittig und wird von der überwiegenden Rechtsprechung abgelehnt.
Nach Ansicht in der Literatur und der Rechtsprechung (vgl. OLG München Urteil v. 9.9.2020, Az. 10 U 1690/20; LG Saarbrücken Urteil v. 15.5.2015, Az. 13 S 12/15; LG Duisburg Urteil v. 06.03.2015, Az. 2 O 205/12; LG Schweinfurt. Urteil v. 29.11.1985, Az. 1 S 45/85; AG St. Ingbert Urteil v. 08.12.2014, Az. 9 C 215/14) sind diese nur demjenigen Geschädigten zu erstatten, dem im Verhältnis zum Schädiger ein Anspruch auf ein fabrikneues Fahrzeug zusteht.
Der Geschädigte kann grundsätzlich nur solche Kosten erstattet verlangen, die ihm im Zusammenhang mit der Beschaffung eines Gebrauchtfahrzeuges entstanden wären. Ein Geschädigter hat Anspruch auf ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug, nicht einmal auf ein Fahrzeug gleichen Typs und Baujahres. Wird in dem vom Geschädigten eingeholten Sachverständigengutachten der Wiederbeschaffungswert auf dem lokalen Markt angegeben, dann sind etwaige höhere Kosten, die dadurch entstehen, dass der Geschädigte die Ersatzbeschaffung bei einem überregionalen Händler durchführt, nicht erforderlich. Die Zusatzkosten liegen dann außerhalb von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB und sind nicht erstattungsfähig
Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn im Rahmen der Anschaffung eines Neuwagens dargetan wird, dass ein Gebrauchtwagen des beschädigten Typs in der Standardausführung auf dem Gebrauchtwagenmarkt nicht zu bekommen war. Dies muss der Geschädigte aber substantiiert darlegen und notfalls beweisen.
Anderer Ansicht sind das OLG Naumburg (Urteil v. 10.06.2010, Az. 2 U 7/10) und das AG Stralsund (Urteil v. 05.10.2020, Az. 15 C 380/20).
Nach Ansicht des OLG Naumburg sind Überführungskosten auch dann erstattungsfähig, wenn sich der Geschädigte bei der Ersetzung nicht auf die Beschaffung eines nur gleichwertigen Gebrauchtfahrzeugs beschränkt, sondern stattdessen ein Neufahrzeug anschafft.
Das AG Stralsund begründet sine Auffassung damit, dass der Geschädigte in der Art und Weise der Ersatzbeschaffung grundsätzlich frei ist. Er darf im Rahmen der Naturalrestitution selbst entscheiden, ob er statt des beschädigten Fahrzeugs ein Neufahrzeug oder ein gebrauchtes Fahrzeug erwirbt und von wem. Er ist weder verpflichtet, seine Suche nach einem Ersatzfahrzeug zunächst auf den regionalen Markt zu beschränken, um die Kosten für den Schädiger gering zu halten, noch dürfen ihm die von dem Schädiger und dessen Versicherung gewünschten Beschaffungsmodalitäten aufgezwungen werden. Einzige Grenze ist eine Verletzung des Gebots zu wirtschaftlichem Handeln – es dürfen also keine unverhältnismäßigen Nebenkosten anfallen.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Das Autohaus sollte wissen, dass der Geschädigte in den meisten Fällen keinen Anspruch auf die Erstattung von Überführungskosten haben dürfte.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte hat nach überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur keinen Anspruch auf Erstattung der Überführungskosten gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung. Sollte der Geschädigte allerdings beweisen können, dass ein Gebrauchtwagen des beschädigten Typs in der Standardausführung auf dem Gebrauchtwagenmarkt nicht zu bekommen war, können Überführungskosten ausnahmsweise erstattungsfähig sein.