Im Newsletter 07/2024 hatten wir uns bereits einige Besonderheiten bei der Unfallabwicklung mit einem finanzierten Fahrzeug angeschaut. Hier geht es nun weiter:
Restwertbestimmung
Nach dem Urteil des BGH vom 25.06.2019, Az. VI ZR 358/18, sind bei der Bestimmung des Restwerts auch die Erkenntnismöglichkeiten des Eigentümers zu berücksichtigen. Demnach ist denjenigen Unternehmen, die sich selbst (auch) gewerblich mit dem An- und Verkauf von Gebrauchtwagen befassen, die Inanspruchnahme des Restwertmarktes im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote ohne weiteres zuzumuten. So müssen Autohäuser, Autovermieter, Carsharing-Unternehmen, Unternehmen mit Fahrzeugflotten, Restwerthändler und auch Leasinggesellschaften bei eigenen verunfallten Fahrzeugen den Restwert auch unter Berücksichtigung des Sondermarktes im Internet ermitteln lassen.
Diese Rechtsprechung lässt sich aber nicht auf finanzierte Fahrzeuge übertragen, vgl. AG Bad Hersfeld, Urteil vom 14.09.2022, Az. 10 C 190/22. Zwar gehört das finanzierte Fahrzeug aufgrund des ihr regelmäßig im Finanzierungsvertrags eingeräumten Sicherungseigentums der Bank. Das ändert aber nichts daran, dass für die Restwertermittlung auf den örtlichen allgemeinen Markt abzustellen ist. Zwischen den Rechtsstellungen im Rahmen eines Leasingvertrages und einer Finanzierung per Darlehen ist nämlich zu unterscheiden. Der Leasinggeber bleibt auch am Ende des Leasingvertrags der Eigentümer, er vermarktet das Fahrzeug. Einige Leasinggesellschaften betreiben dafür einen eigenen Fahrzeughandel und verkaufen Tag für Tag Gebrauchtwagen. Das Interesse des Leasinggebers gilt dem Erhalt des Fahrzeugs zur Anschlussverwertung. Der Leasingnehmer hat nur die Stellung eines Mieters.
Bei einer Finanzierung mittels Darlehen und Sicherungsübereignung geht nach der Zahlung der letzten Rate das Eigentum auf den Darlehensnehmer über. Die finanzierende Bank verliert ihr Sicherungseigentum. Das Interesse des Darlehensnehmers ist auf die Zahlung der Darlehensraten gerichtet.
Ebenso haben das AG Münster mit Urteil vom 19.06.2020, Az. 61 C 225/19, und das AG Bad Neustadt mit Urteil vom 14.03.2023, Az. 1 C 162/22, entschieden. Die finanzierende Bank vermarktet anders als eine Leasinggesellschaft die Fahrzeuge am Ende der Finanzierung nicht. Die Bank verfügt nicht über die Fähigkeiten des Fahrzeughandels und es gehört nicht zu ihrem Aufgabengebiet, Fahrzeuge an- und zu verkaufen. Deswegen muss der Restwert nicht unter Berücksichtigung des Sondermarktes im Internet ermitteln werden.
Auf wen ist bzgl. Vorsteuerabzugsberechtigung abzustellen und was bedeutet das für die Erstattung der Umsatzsteuer?
Im Reparaturfall wird der Sicherungsgeber regelmäßig dazu ermächtigt, den Fahrzeugschaden im Reparaturfall geltend zu machen. Führt der nicht vorsteuerabzugsberechtigte Sicherungsgeber also die Reparatur durch und wendet hierfür Umsatzsteuer auf, ist diese als Schaden vom Schädiger zu erstatten. Führt der vorsteuerabzugsberechtigte Sicherungsgeber die Reparatur durch, erhält er die Reparaturkosten nur netto erstattet.
Erleidet das finanzierte Fahrzeug einen Totalschaden und schafft der Sicherungsgeber die notwendige Ersatzbeschaffung selber durch, umfasst der bei ihm eingetretene ersatzfähige Schaden der Höhe nach auch den Umsatzsteueranteil. Ist der Sicherungsgeber vorsteuerabzugsberechtigt, werden der Wiederbeschaffungswert und der Restwert netto abgerechnet. Auf die Vorsteuerabzugsberechtigung der finanzierenden Bank als Sicherungsnehmer kommt es nicht an, wenn die Bank den Ersatzbeschaffungsvorgang weder veranlasst noch durchgeführt hat.
Für das Autohaus/die Kfz-Werkstatt heißt das Folgendes:
Bei einem Unfall mit einem finanzierten Fahrzeug ist zu beachten, dass die Eigentumsansprüche bzgl. des Fahrzeugschadens originär der Bank als Sicherungseigentümerin zustehen. Zur Geltendmachung dieser Ansprüche benötigt der Unfallgeschädigte daher die Ermächtigung der Bank. Diese findet sich häufig in den Finanzierungsbedingungen, sollte aber in jedem Einzelfall eingeholt werden. Ob eine fiktive Abrechnung möglich ist, muss durch Anfrage bei der Bank geklärt werden.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige muss bei der Restwertermittlung bei einem finanzierten Fahrzeug den Restwert nicht unter Berücksichtigung des Sondermarktes ermitteln. Vielmehr muss er den Restwert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermitteln und grundsätzlich drei lokale Restwertangebote in sein Gutachten aufnehmen.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte, dessen Auto finanziert ist, sollte für die Unfallregulierung professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und einen Fachanwalt für Verkehrsrecht beauftragen.