In unserem letzten Newsletter 20/2020 haben wir uns bereits mit einigen Besonderheiten bei der Unfallregulierung eines Oldtimers befasst. In diesem Newsletter werden wir uns die Schadensersatzpositionen Wertminderung, Sachverständigengutachten und Nutzungsausfall näher anschauen.
3. Wertminderung
Die Wertminderung – oder auch der merkantile Minderwert – ist die Beeinträchtigung des Fahrzeugwerts, also der Wertverlust, der beim Fahrzeug durch einen Unfallschaden eintritt. Er liegt in der Minderung des Verkaufswertes einer Sache. Ein durch einen Unfall erheblich beschädigter Kraftwagen wird trotz Behebung der technischen Schäden im Verkehr geringer bewertet als ein unfallfrei gefahrener Wagen. Bei einem großen Teil des Publikums besteht wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden eine Abneigung gegen den Erwerb, die den Preis beeinflusst.
Eine Wertminderung ist nur bei einem Reparaturschaden gegeben. Bei einem eindeutigen Totalschaden fällt keine Wertminderung an. Die Wertminderung ist eine Schadensersatzposition, die die gegnerische Versicherung erstatten muss. Sie wird vom Sachverständigen ermittelt.
Bei Oldtimern kann nach den o.g. Grundsätzen eine Wertminderung gegeben sein, insbesondere dann, wenn der Oldtimer vor dem Unfall originallackiert war und bislang keinen Unfallschaden hatte. Zusätzlich kann bei der Beschädigung oder Zerstörung der historischen Substanz ein Verlust an Originalität eintreten, der zu berücksichtigen ist.
Nachstehend einige Beispiele aus der Rechtsprechung:
- Das OLG Frankfurt a. M. (Urteil vom 28.10.2005, Az. 24 U 111/05) hat bei einem Reparaturkostenaufwand von 5.607,39 Euro eine Wertminderung eines beschädigten und fachgerecht in Stand gesetzten Pkw verneint, da der Schaden kein eigentlicher Unfallschaden war (hier Unfall in der Waschstraße) und das betroffene Fahrzeugmodell sehr gesucht und wertstabil war.
- Das LG Erfurt (Urteil vom 06.02.2003, Az. 8 O 835/01) hatte sich mit einem Ferrari F 50 zu befassen, der einen Sachschaden mit einem Reparaturaufwand von über 200.000 Euro bei einem Unfall erlitten hatte. Das Gericht stellte in seiner Entscheidung darauf ab, dass es für dieses Fahrzeug mehr Kaufinteressenten gebe als Fahrzeuge, und dass es für die Marktteilnehmer nicht entscheidend sei, ob das Fahrzeug einen (fachgerecht) reparierten Unfall gehabt habe. Eine Wertminderung wurde daher verneint.
- Nach dem OLG Düsseldorf (Urteil vom 30. 11. 2010, Az.1 U 107/08) kann der merkantile Minderwert eines unfallbeschädigten wertvollen Oldtimers (hier: Mercedes 300 SL Coupé, Baujahr 1956 im Wert von mindestens 300.000 Euro) trotz aufwändiger und fachgerechter Reparatur darin bestehen, dass sein Verkaufswert wegen Verlusts der Originalität gesunken ist. Es kommt darauf an, ob die Marktteilnehmer den aufwändig und fachgerecht reparierten Heckschaden bei einem gedachten Verkauf des Mercedes berücksichtigen und ob die Bewertung des Verkaufspreises des Fahrzeugs nach dem Unfall trotz ordnungsgemäß behobenen Heckschadens gesunken ist. Ist dies der Fall, ist eine Wertminderung eingetreten.
4. Sachverständigengutachten
Bei historischen Fahrzeugen mit einem Unfallschaden kann ein Sachverständiger nicht bei allen Fahrzeugwerten auf die üblichen Berechnungssysteme, wie beispielsweise Audatex, zurückgreifen. Oftmals müssen Ersatzteilpreise angepasst und nochmals kontrolliert werden. Deswegen sollte ein unabhängiger und qualifizierter Sachverständiger, der sich mit der Thematik rund um Oldtimer auskennt und über langjährige Erfahrung mit Oldtimergutachten verfügt, mit der Erstellung eines Haftpflichtgutachtens beauftragt werden.
5. Nutzungsausfall
Steht der verunfallte Oldtimer seinem Eigentümer aufgrund Reparaturarbeiten oder aufgrund eines Totalschadens nicht mehr zur Verfügung, stellt sich die Frage, ob der Geschädigte Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung hat. Auch bei einem Oldtimer ist eine solche Entschädigung grundsätzlich anerkannt. Allerdings kommt diese nur dann in Betracht, wenn die Verfügbarkeit des Fahrzeugs eine Bedeutung für die eigenwirtschaftliche Lebensführung des Eigentümers hat.
Auch hier einige Beispiele aus der Rechtsprechung:
- Nach dem OLG Karlsruhe (Urteil vom 27.10.2011, Az. 9 U 29/11) ist eine Nutzung des Oldtimers im Alltag als normales Verkehrs- und Beförderungsmittel erforderlich; ein reines Liebhaberinteresse an der Nutzung, wie beispielsweise die Nutzung des Oldtimers für Ausflugsfahrten in der Oldtimersaison, ist nicht ausreichend.
- Nach dem OLG Düsseldorf (Urteil vom 30.11.2010, Az. I-1 U 107/08) kann die entgangene Nutzung eines Oldtimers nur entschädigt werden, wenn der Oldtimer als normales Verkehrs- und Beförderungsmittel genutzt wird und dem Geschädigten kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung steht. Bloße Liebhaberei verdient schadensrechtlich keine Anerkennung.
- Das OLG Celle (Urteil vom 03.05.2016, Az. 5 U 60/15) hat entschieden: Fällt ein Oldtimer unfallbedingt aus und steht ein Ersatzfahrzeug nicht bzw. im nur sehr eingeschränkten Maß – wie das Fahrzeug der Ehefrau – zur Verfügung, und ist der Geschädigte aufgrund der ländlichen abgelegenen Wohnlage auf die ständige Nutzung eines Fahrzeug angewiesen, besteht ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung.
Nichtsdestotrotz dürfte ein Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung die Ausnahme bleiben, da die meisten Oldtimer vermutlich nicht als normales und einziges Verkehrsmittel genutzt werden, sondern meist ein „normaler“ Pkw als Fortbewegungsmittel zur Verfügung stehen dürfte.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Für das Autohaus treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige sollte zur Feststellung der Wertminderung den Markt kennen. Gib es für einen verunfallten Oldtimern mehr Kaufinteressenten als Fahrzeuge? Ist es für die Marktteilnehmer entscheidend, ob das Fahrzeug einen (fachgerecht) reparierten Unfall gehabt hat oder nicht? Die Beantwortung dieser Fragen gibt unter anderem Aufschluss darüber, ob eine Wertminderung gegeben ist oder nicht.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Nutzungsausfall bei einem Oldtimer kann der Geschädigte nur geltend machen, wenn er den Oldtimer als normales Verkehrs- und Beförderungsmittel zu Alltagszwecken nutzt und ihm kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung steht.