In Mietverträgen mit Autovermietern wird üblicherweise die Haftung des Mieters im Kaskofall auf eine Selbstbeteiligung reduziert. Manchmal wird die Haftung aber auch komplett ausgeschlossen. Muss derjenige, der mit einem Mietwagen einen Unfall hat, weil er bei Tempo 200 das Infotainmentsystem bedient, dank dieses Ausschlusses gar nichts bezahlen? Oder muss er den Schaden gar komplett bezahlen, weil er grob fahrlässig gehandelt hat?
Über solch einen Fall hatte kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg zu entscheiden.
Geklagt hatte eine Autovermieterin gegen den Fahrer eines vermieteten Pkw, Typ Mercedes Benz CLS 63 AMG. Die Autovermieterin forderte vom Fahrer, dass er 50 Prozent der durch den Unfall entstandenen Kosten übernehme. Der Fahrer war auf der Autobahn mit Tempo 200 verunfallt. Während er auf der linken Spur fuhr, bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs, um dort Informationen abzurufen. Zum „Infotainment“ gehören Anwendungen wie Navigationssystem, Radio oder auch die Freisprechanlage. Der Fahrer kam nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke.
Im Mietvertrag für das Fahrzeug war eine Haftungsbeschränkung ohne Selbstbeteiligung vereinbart. Grundlage des Mietvertrages waren die Allgemeinen Vermietbedingungen (AVB) der Vermieterin. Dort war in I.2 Satz 4 AVB geregelt, dass die Vermieterin berechtigt ist, ihre Leistungspflicht zur Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wenn der Schaden am Mietfahrzeug grob fahrlässig herbeigeführt wird.Nach Ansicht des OLG Nürnberg (Urteil vom 02.05.2019, Az. 13 U 1296/17) handelte der Fahrer grob fahrlässig. Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit liegenden Tempo fährt – hier 200 km/h –, muss in besonderem Maße seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des sog. Infotainmentsystems kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen.
Nach der Vereinbarung im Mietvertrag kann dann die Haftungsfreistellung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt werden. Aufgrund der groben Fahrlässigkeit könne die Autovermieterin daher die Hälfte des Schadens – das waren 11.947,69 Euro – beim Fahrer geltend machen.
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Fahrer die verkehrserforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt habe. Eine Geschwindigkeit von 200 km/h berge ein sehr hohes Gefahrenpotential. Der Anhalteweg und die kinetische Energie bei einer Kollision betragen gegenüber einer Geschwindigkeit von 130 km/h mehr als das 2,3-fache. Schon minimale Fahrfehler können nicht mehr korrigiert werden und zu schweren Unfällen führen. Auch wenn in Deutschland derartige Geschwindigkeiten auf öffentlichen Straßen nicht verboten seien, gelte die „Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung“. Darin werde die Empfehlung ausgesprochen, mit Personenkraftwagen sowie anderen Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis zu 3,5 t auch bei günstigen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h zu fahren (vgl. § 1 Nr. 1 Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung).
Dies bedeute, dass ein Fahrzeugführer, der entgegen dieser gesetzgeberische Empfehlung und ungeachtet der damit verbundenen Erhöhung des Risikos für sich und andere Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug mit höheren Geschwindigkeiten als 130 km/h führt, in besonderer Weise seine volle Konzentration auf das Führen des Fahrzeugs aufwenden muss.
Für das Gericht war es dabei unerheblich, dass der Pkw einen sog. Spurhalteassistenten hatte. Zumindest bei derart hohen Geschwindigkeiten reduziere dieser den Schuldvorwurf nicht.
Für das Autohaus/Kfz-Werkstatt als Autovermietung heißt das Folgendes:
In den Allgemeinen Vermietbedingungen ist trotz Haftungsbeschränkung eine Regelung möglich, nach der der Vermieter berechtigt ist, seine Leistungspflicht zur Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wenn der Schaden am Mietfahrzeug grob fahrlässig herbeigeführt wird. Eine solche Regelung hält der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB stand und ist wirksam. Tritt das Autohaus daher auch als Autovermietung auf, sollte es daher überprüfen, ob in den verwendeten Mietverträgen eine solche Klausel enthalten ist.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Mieter heißt das Folgendes:
Trotz Haftungsbeschränkung ist der Mieter, der grob fahrlässig handelt, nicht geschützt und kann auf teilweisen Ersatz des Schadens am Mietfahrzeug von der Autovermietung in Anspruch genommen werden. Liegt auf Seiten des Mieters gar Vorsatz vor, müsste er den vollen Schaden erstatten.