

Immer wieder kommt es vor allem in Großstädten zu Unfällen mit Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr, der Polizei oder mit Notarzt-/Krankenwagen, die mit optischem („Blaulicht“) und akustischem (Einsatzhorn /„Martinshorn“) Signal unterwegs sind. Die landläufige Meinung „Wer einen Unfall mit einem Rettungswagen hat, ist immer schuld“, ist jedoch falsch.
Richtig ist, dass Sonderrechtsfahrzeuge von der Straßenverkehrsordnung privilegiert werden. Hier sind zunächst zwei Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) zu beachten:
1) Sonderrechte
Gem. § 35 Abs. 1 StVO sind Fahrzeugführer, die berechtigt Sonderrechte in Anspruch nehmen, von den Pflichten der Straßenverkehrsordnung befreit. Hierunter fallen Bundeswehr, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst, soweit sie hoheitliche Aufgaben erfüllen. Man spricht hier von Sonderrechtsfahrzeugen.
Allerdings hat ein Fahrer von diesem Sonderrecht nach § 35 Abs. 8 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Gebrauch zu machen. Das bedeutet, dass er sich nicht blind darauf verlassen darf, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer rechtzeitig reagieren. Insbesondere bei Kreuzungen und Ampelanlagen muss auch der Fahrer eines Sonderrechtsfahrzeugs höchste Vorsicht walten lassen und bei unklarer Verkehrslage anhalten oder im Schritttempo über die Kreuzung bzw. Ampel fahren. Tut er das nicht, ist dies im Rahmen des Mitverschuldens zu beachten.
Eine spezielle Vorschrift gibt es für Fahrzeuge des Rettungsdienstes: Fahrzeuge des Rettungsdienstes sind nach § 35 Abs. 5a StVO von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Der Rettungswagen ist also auch ohne eingeschaltetes Blaulicht und Martinshorn als Sonderrechtsfahrzeug unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 5a StVO und § 35 Abs. 8 StVO privilegiert.
2) Blaues Blinklicht und Einsatzhorn
38 StVO richtet sich an die anderen Verkehrsteilnehmer und verpflichtet diese, sofort die Bahn frei zu machen, wenn sie Blaulicht sehen und das Einsatzhorn („Martinshorn“) hören. Ein Fahrzeug, das mit eingeschaltetem Martinshorn und Blaulicht unterwegs ist, nennt man Wegerechtsfahrzeug. Ist am Einsatzfahrzeug nur das Blaulicht eingeschaltet, begründet das kein besonderes Wegerecht. Es bleibt bei der ursprünglichen Regelung. Der Einsatzwagenfahrer haftet dann beispielsweise für die Verletzung des Vorfahrtrechts voll (vgl. Kammergericht Berlin, Urteil vom 18.07.2005, Az. 12 U 50/04).
3) Einzelfälle
Ob es bei einem Unfall mit einem Sonder- oder Wegerechtsfahrzeug zu einer Haftungsquote kommt und gegebenenfalls zu welcher, ist immer eine Frage des Einzelfalles.
a) Rote Ampel – Vorfahrt bleibt Vorfahrt
Auch wenn das Einsatzfahrzeug mit beiden Sondersignalen unterwegs ist, bleibt das Vorfahrtsrecht der anderen Verkehrsteilnehmer im Grundsatz unangetastet. Die Vorfahrtsberechtigten sind lediglich verpflichtet, dem Sondersignalfahrzeug das Wegerecht zu gewähren. Trotzdem ist der Fahrer des Einsatzfahrzeugs verpflichtet, sich in Kreuzungen mit äußerster Vorsicht hinein zu tasten und die Fahrlinien der anderen erst zu kreuzen, wenn er sich vergewissert hat, dass sein Fahrzeug wahrgenommen wurde (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.09.2009, Az. 26 U 8/09).
Auch ein Polizeifahrzeug muss vorsichtig in die Kreuzung einfahren, wenn die Ampel für ihn „Rot“ zeigt (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 15.10.2007, Az. 1 W 37/07, Kammergericht Berlin, Urteil vom 31.05.2007, Az. 12 U 129/06).
Kommt es zur Kollision, liegt regelmäßig die höhere Haftungsquote auf der Seite des Einsatzfahrzeugs.
b) Polizeifahrzeug überholt Linksabbieger
Das OLG Celle hat mit Urteil vom 15.02.2018, Az. 5 U 121/17, entschieden, dass ein Polizeifahrzeug und ein linksabbiegender Pkw bei einer Kollision zu gleichen Teilen haften. Der Pkw-Fahrer hatte sich zum Einbiegen auf einen Parkplatz nach links eingeordnet und den Blinker gesetzt. Das Polizeifahrzeug hatte den Pkw links überholt und kollidierte mit diesem.
Begründet wurde die Haftungsteilung wie folgt: Der Fahrer des nach § 38 StVO bevorrechtigten Polizeifahrzeugs hätte sich davon überzeugen müssen, dass ihn der Pkw-Fahrer wahrgenommen und sich auf seine Absicht eingestellt habe. Er hätte damit rechnen müssen, dass der nach links Abbiegende die von ihm angesteuerte Fahrlinie kreuzen würde. Den Pkw-Fahrer treffe eine Mithaftung, weil der Polizeiwagen mit Martinshorn und Blaulicht fuhr. Für den Pkw-Fahrer habe mithin die Verpflichtung gem. § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO bestanden, den Polizeiwagen passieren zu lassen und selbst stehen zu bleiben.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Nachdem bei Unfällen mit Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr, der Polizei oder mit Notarztwagen die Haftung oft nach Quote verteilt wird, sollte das Autohaus dem Geschädigten empfehlen, rechtzeitig die Hilfe eines auf das Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Ist ein Feuerwehr-, Polizei- oder ein Notarztfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn unterwegs, sollte der Geschädigte – sofern er das Fahrzeug wahrnimmt – sofort die Bahn frei machen. Denn aus dem Einsatz der optischen und akustischen Warneinrichtungen folgt für ihn die Pflicht zu besonderer Sorgfalt. Andererseits sind auch die Verkehrsregeln für den Sonderrechtsfahrer nicht außer Kraft gesetzt, auch er muss die gebotene Sorgfalt an den Tag legen. Ein Mitverschulden ist daher immer zu prüfen.