Wenn ein Geschädigter nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung seiner Schadenersatzansprüche beauftragt, sind die Rechtsanwaltskosten vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB zu erstatten.
Das Amtsgericht Aachen hat nun entschieden, dass auch dann, wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung dem Geschädigten bereits telefonisch die Deckung und Haftung für den Unfall bestätigt hat, dieser einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung seiner Interessen beauftragen darf – ja sogar sollte (vgl. AG Aachen, Urteil vom 20.07.2018, Az. 113 C 31/18).
Ein Richter am Amtsgericht in Dortmund hat mit Urteil vom 26.09.2009, Az. 431 C 2044/09, sehr bildhaft beschrieben, dass ein Unfallgeschädigter generell gut daran tut, einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung seiner Schadensersatzansprüche zu beauftragen:
„Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nach Auffassung des seit fast 30 Jahren mit Verkehrsunfallhaftpflichtfragen befassten Richters jeder Verkehrsunfallgeschädigte gut beraten, die Regulierung selbst kleiner Schäden wie der vorliegend angemeldeten und dann auch regulierten 645,13 Euro Sachschadenersatz von Anfang an in die Hand eines erfahrenen Rechtsanwalts zu geben. (…) Da die Haftpflichtversicherer bei der Schadenregulierung inzwischen geradezu systematisch fast jede übliche Schadensposition in zahlreichen Zivilprozessen zum Gegenstand umfangreicher Auseinandersetzungen machen, muss auch der geschäftserfahrene Geschädigte stets auf der Hut sein und befürchten, dass eine Schadensposition, die noch gestern anerkannt worden wäre, von der gegnerischen Versicherung jetzt nicht mehr akzeptiert wird. (….)“.
Das Amtsgericht Aachen bestätigt die Auffassung des Amtsgerichts Dortmund und geht sogar noch einen Schritt weiter. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts sei selbst dann erforderlich, wenn schon eine Haftungszusage der gegnerischen Haftpflichtversicherung vorliege.
Denn: „Bei der Schädigung durch einen Verkehrsunfall liegt grundsätzlich kein einfach gelagerter Schadenfall vor. Angesichts der immer komplexer werdenden Rechtsprechung zu verschiedensten Schadenpositionen (z.B. nur: Mietwagenkosten, Sachverständigenkosten, Stundenverrechnungssätze von Werkstätten) ist die Abwicklung eines Verkehrsunfallschadens für jeden, der nicht gerade über ausgeprägte Spezialkenntnisse auf dem Gebiet des Verkehrsunfallrechts verfügt, ein schwierig gelagerter Schadenfall. (…) Dass die Beklagte dem Kläger unstreitig telefonisch Deckung und Haftung für den Unfall bestätigt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Beklagte hatte hiermit dem Kläger nur ihre Haftung dem Grunde nach bestätigt. Es war damit nicht geklärt, in welcher Höhe der Kläger die Beklagte berechtigt würde in Anspruch nehmen können. Um dies zu klären, war es aufgrund der vorbeschriebenen Komplexität aus Sicht eines vernünftigen Unfallgeschädigten dringend geboten, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.“
Ganz ähnlich ist die Situation wenn, die gegnerische Haftpflichtversicherung zwar eine Reparaturkosten-Übernahmeerklärung (RKÜ) übersendet, diese aber die Einschränkung enthält, dass Verbringungskosten bis maximal 80 Euro netto erstattet werden. Dann kann sie sich nicht auf den Standpunkt stellen, wegen der RKÜ habe der Geschädigte keinen Rechtsanwalt einschalten dürfen. Denn in so einem Fall ist der Streit ja angekündigt (vgl. AG Husum, Urteil vom 03.04.2018, Az. 28 C 136/17).
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Kürzungen der Haftpflichtversicherung bei der Reparaturrechnung sind – solange der Geschädigte die Reparatur gemäß Gutachten des Sachverständigen beauftragt hat und die Reparatur demgemäß durchgeführt worden ist – meist unberechtigt. Um diesen Kürzungen entgegentreten zu können, benötigt der Geschädigte professionelle Hilfe. Davon profitiert letztendlich auch das Autohaus: denn das Autohaus bekommt den vollen Rechnungsbetrag erstattet und muss sich nicht wegen des fehlenden Rests an den eigenen Kunden wenden.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Auch die Honorarrechnung des Sachverständigen wird von der Haftpflichtversicherung gerne gekürzt. Hierzu verweisen wir auf oben.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Selbst wenn die Haftung bereits bestätigt ist, ist die gegnerische Haftpflichtversicherung nicht der „Freund“ des Unfallgeschädigten. Vielmehr versucht die Versicherung auch bei eindeutiger Haftungslage den Schadenersatzanspruch des Geschädigten in der Höhe zu kürzen. Deshalb sollte der Geschädigte von Anfang an die Hilfe eines auf das Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch nehmen.