

Bei der fiktiven Abrechnung des Geschädigten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall verweist die gegnerische Haftpflichtversicherung den Geschädigten gerne auf eine Referenzwerkstatt. Sofern der Verweis wirksam ist, kann die Versicherung deren, meist günstigere Stundenverrechnungssätze der Abrechnung zu Grunde legen.
Grundsätzlich ist zwar für jedes im Haftpflichtfall unfallbeschädigte Fahrzeug der Stundenverrechnungssatz der Fahrzeugmarke am Wohnort des Geschädigten maßgebend. Für Fahrzeuge, die jedoch älter als drei Jahre sind, kann der Versicherer auf eine gleichwertige und mühelos erreichbare andere, auch freie Werkstatt verweisen, aber nur auf deren Aushangpreise.
Dies gilt dann nicht, wenn der Geschädigte nachweisen kann, dass sein Fahrzeug durchgängig bei einer markengebundenen Vertragswerkstatt scheckheftgepflegt ist. Dann ist der Verweis der Referenzwerkstatt unwirksam und es ist der Stundensatz der Fahrzeugmarke am Wohnort des Geschädigten anzusetzen.
Was aber bedeutet „scheckheftgepflegt“?
Die Bezeichnung „Scheckheft“ stammt aus früheren Zeiten, als es im Serviceheft noch Gutscheine („Schecks“) gab. Damit konnten eine oder mehrere Wartungen kostenlos gemacht werden. Die Autowerkstätten lösten den Scheck dann beim Hersteller ein.
Ein Fahrzeug ist scheckheftgepflegt, wenn der Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Vertragswerkstatt hat warten und reparieren lassen. Zudem müssen die Kfz-Services in denen vom Hersteller vorgegebenen Intervallen und nach Herstellervorgaben durchgeführt worden sein. Wann die Intervalle sind, ist vom Hersteller, vom Modell und der Nutzung abhängig. Den Nachweis kann der Geschädigte erbringen, indem er das Scheckheft oder Rechnungen über die Durchführung von Reparatur- und/oder Wartungsarbeiten vorlegt. Viele Hersteller haben mittlerweile ein digitales Servicebuch. Das heißt: Jede Handlung der Werkstatt wird auf einem zentralen Rechner des Herstellers gespeichert. Alle berechtigten Werkstätten können auf die Daten zugreifen. Bei manchen Herstellern wird das digitale Servicebuch auch im Speicher des Fahrzeugs hinterlegt.
Als markengebundene Vertragswerkstatt werden die Werkstätten bezeichnet, die vom jeweiligen Fahrzeughersteller zur Reparatur autorisiert sind. Sie stehen mit dem Hersteller oder dessen Partnern in einer vertraglichen Geschäftsbeziehung und sind an bestimmte Autohersteller gebunden, das heißt, sie sind auf bestimmte Automarken spezialisiert. Der Gegenbegriff zur Vertragswerkstatt ist die „freie Werkstatt“.
Hintergrund für diese Rechtsprechung ist folgendes:
- Der Geschädigte, der bei den selbst bezahlten Services und Wartungen bereit ist, die teureren Stundensätze einer Markenwerkstatt zu bezahlen, darf diese der Abrechnung gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung zugrunde legen. Im Gegenzug kann derjenige Geschädigte, der selbst nur die günstigeren Stundensätze einer freien Werkstatt bezahlt hat, im Haftpflichtfall nicht auf die teureren Stundensätze einer Markenwerkstatt zurückgreifen.
- Ein großer Teil des Publikums ist zudem der Auffassung, dass bei einer regelmäßigen Wartung und Reparatur eines Kraftfahrzeugs in einer markengebundenen Vertragswerkstatt eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist.
Wenn ein Geschädigter zwar alle vom Hersteller empfohlenen Inspektionen und Wartungsarbeiten hat durchführen lassen, die Arbeiten allerdings in einer freien oder in einer anderen, also fachfremden Werkstatt hat durchführen lassen, ist das Fahrzeug nicht scheckheftgepflegt im Sinne der o.g. Rechtsprechung.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Für das Autohaus treten bei der fiktiven Abrechnung keine Besonderheiten auf. Allerdings kann der Geschädigte, sofern das Fahrzeug nicht scheckheftgepflegt ist und der Verweis auf günstigere Stundensätze wirksam ist, noch auf eine konkrete Abrechnung umstellen. Dann gelten für den Geschädigten andere, günstigere Regeln, denn: Beauftragt der Geschädigte eine Markenwerkstatt mit der Reparatur, wird durch Vorlage der Rechnung das besondere Interesse an der Reparatur in einer solchen Werkstatt nachhaltig belegt und der Abrechnung können die Stundensätze der Markenwerkstatt zu Grunde gelegt werden.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Wenn von vornherein klar ist, dass der Geschädigte fiktiv abrechnen möchte, sollte der Sachverständige den Geschädigten fragen, ob sein Fahrzeug durchgängig in einer markengebundenen Vertragswerkstatt scheckheftgepflegt ist. Falls dies der Fall ist, sollte der Sachverständige Fotos vom Scheckheft, sofern dieses noch in Papierform geführt wird, gleich mit in das Gutachten aufnehmen.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte hat im Falle der fiktiven Abrechnung auch bei einem Fahrzeug, das älter als drei Jahre ist und durchgängig in einer markengebundenen Vertragswerkstatt scheckheftgepflegt ist, Anspruch auf die Stundensätze der Markenwerkstatt. Ein Fahrzeug ist scheckheftgepflegt, wenn der Geschädigte sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Vertragswerkstatt innerhalb der vom Hersteller vorgegebenen Intervallen hat warten und reparieren lassen.