

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall gibt der Geschädigte in aller Regel ein Sachverständigengutachten in Auftrag. In diesem nimmt der Sachverständige die Stundenverrechnungssätze der Kfz-Werkstatt auf. Nun kann es aber vorkommen, dass die Kfz-Werkstatt, nachdem das Gutachten vorliegt, ihre Preise erhöht. Welche Stundenverrechnungssätze kann dann der Geschädigte seiner Abrechnung gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung zugrunde legen?
Zunächst muss zwischen der fiktiven und der konkreten Abrechnung unterschieden werden.
1. Fiktive Abrechnung
Bei der fiktiven Abrechnung kann es vorkommen, dass die Preise der von der Versicherung genannten Referenzwerkstatt nach dem ausgesprochenen Verweis erhöht werden.
Zu diesem Thema hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 18.02.2020, Az. VI ZR 115/19, wie folgt entschieden:
Die Preiserhöhung ist in die Schadensbemessung einzubeziehen. Für die fiktive Abrechnung gelten die Preise, die die in Bezug genommene Werkstatt zum Zeitpunkt der vollständigen Schadenersatzleistung oder am Ende der mündlichen Verhandlung des Rechtstreits verlangt. Auf die Preise zum Unfallzeitpunkt kommt es nicht an. Preiserhöhungen während der Regulierung und vor vollständiger Erfüllung gehen also zulasten des Schädigers bzw. dessen Haftpflichtversicherung.
2. Konkrete Abrechnung
Im Fall der konkreten Schadensabrechnung ist auf die Umstände des Zeitpunkts abzustellen, in dem der Zustand i. S. v. § 249 Abs. 1 BGB hergestellt worden ist. Es ist zu unterscheiden.
- Ist die Reparatur noch nicht erfolgt, ist es Sache des Schädigers, die Folgen einer zwischenzeitlichen Preiserhöhung zu tragen, z. Bsp.:
a) Das Gutachten wird kurz vor Jahresende erstellt und am Jahresanfang erhöht die Kfz-Werkstatt ihre Preise. Dann wird Reparaturauftrag erteilt; es gelten die neuen Stundenverrechnungssätze.
b) Der Geschädigte kann die Schadenbeseitigung aus eigenen Mitteln nicht vorfinanzieren, warnt die gegnerische Haftpflichtversicherung dementsprechend und wartet mit der Reparatur, bis der Versicherer ihm eine Haftungszusage erteilt. Danach gibt er die Reparatur in Auftrag. Die Folgen der zwischenzeitlichen Preiserhöhung trägt der Schädiger.
- Ist die Reparatur bereits erfolgt ist, spielen Preiserhöhungen bis zur endgültigen Regulierung durch die gegnerische Haftpflichtversicherung keine Rolle. Die Reparatur basiert auf dem Reparaturvertrag und diesem werden die Stundenverrechnungssätze zugrunde gelegt, die zum Abschluss des Auftrags gültig waren.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Im Fall einer Reparatur kann das Autohaus die zum Zeitpunkt der Erteilung des Reparaturauftrags geltenden Stundenverrechnungssätze zu Grunde legen. Die gutachterliche Prognose bindet das Autohaus nicht.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Sofern die gegnerische Haftpflichtversicherung Beträge aus den fiktiven Reparaturkosten nicht bezahlt und damit den Anspruch des Geschädigten nicht erfüllt hat, wirken sich Preissteigerungen, die nach dem Verweis auf die Referenzwerkstatt erfolgt sind, zu Gunsten des Geschädigten aus.
Bei der konkreten Abrechnung kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Erteilung des Reparaturauftrags an, sofern dem Geschädigten keine Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden kann.