Bei einem unverschuldeten Unfall darf der Geschädigte auf der Grundlage des im Sachverständigengutachten festgestellten Restwerts ohne Rücksprache mit dem Versicherer sein verunfalltes Auto verkaufen, so der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 27.09.2016, Az. VI ZR 673/15.
Der Geschädigte darf sich aber nur auf ein Gutachten verlassen, das eine korrekte Restwertermittlung erkennen lässt. Diese Anforderung hat der BGH mit Urteil vom 13.10.2009, Az. VI ZR 318/08, dahingehend konkretisiert, dass der Sachverständige „als geeignete Schätzgrundlage für den Restwert im Regelfall drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt zu ermitteln und diese in seinem Gutachten konkret zu benennen“ hat.
Aber auf welchen regionalen Markt kommt es bei der Restwertbestimmung an?
Der BGH hatte dies nicht näher definiert. Besichtigt der Sachverständige – wie meistens – das verunfallte Auto am Wohnort des Geschädigten, ist der regionale Markt am Wohnort des Geschädigten maßgebend. Es kommt aber auch vor, dass Unfälle, insbesondere bei Geschäfts-, Urlaubsreisen etc., weiter weg vom Wohnort stattfinden und dass der Sachverständige das verunfallte Fahrzeug am Unfallort besichtigt.
Das kann sogar unter Umständen geboten sein: Liegt ein offensichtlicher Totalschaden vor, darf der Geschädigte das nicht mehr fahrfähige Fahrzeug nur bis zu einem sicheren Abstellplatz in Unfallnähe abschleppen lassen. Abschleppkosten bis zu seinem Wohnort würden aufgrund der Verletzung gegen die Schadensminderungspflicht nicht erstattet werden. Denn bei einem offensichtlichen Totalschaden kann das Auto am Unfallort begutachtet und von dort verwertet werden.
In einem vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil vom 11.02.2020, 11 U 5/20) zu entscheidendem Fall lag der Wohnort des Unfallgeschädigten mehr als 150 km vom Unfallort entfernt.
Das klägerische Fahrzeug erlitt einen Totalschaden und verblieb am Unfallort, wo es zu einem Restwert von Euro 3.500 veräußert wurde. Diesen Restwert hatte der eingeschaltete Sachverständige in der Region des Unfallorts anhand regionaler Angebote ermittelt. Die beklagte Haftpflichtversicherung bot die Vermittlung eines höheren Restwertes – allerdings nach dem Restwertverkauf – in Höhe von Euro 5.150 an.
Das OLG Hamm kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger sich wirtschaftlich vernünftig verhielt, als er zum gutachterlich ermittelten Restwert von Euro 3.500 veräußerte. Er musste sich vom Wiederbeschaffungswert lediglich den Restwert in Höhe von Euro 3.500 abziehen lassen und nicht den höheren Restwert von Euro 5.150.
Der Sachverständige ermittelte den regionalen Restwert ausgehend vom Standort des Fahrzeugs. Damit war es wirtschaftlich vernünftig, die Abwicklung des Schadensfalls am Unfallort vorzunehmen.
Das OLG Hamm begründete dies damit, dass andernfalls das Fahrzeug an den Wohnort des Klägers hätte verbracht werden müssen. Damit wären weitere Kosten entstanden, welche vom Schädiger zu erstatten gewesen wären. Zudem sei der Käufer wohl nicht bereit, dass Unfallfahrzeug kostenlos vom Unfallort abzuholen, ohne Abzüge vom Ankaufspreis zu machen. Dies liege bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise vielmehr fern.
Die Restwertermittlung des Sachverständigen, welcher drei Angebote im Umkreis von 20 km bezogen auf den Unfallort eingeholt hatte, war daher ausreichend.
Für das Autohaus heißt das Folgende:
Für das Autohaus treten keine Besonderheiten auf.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige muss grundsätzlich drei Restwertangebote aus dem regionalen Markt in sein Gutachten aufnehmen. Sollte der Unfallort weiter vom Wohnort entfernt sein, wäre es wirtschaftlich unvernünftig, auf die Region des Wohnorts des Klägers abzustellen. Denn es ist lebensfern, dass Aufkäufer kostenlos Fahrzeuge vom Unfallort in die Region des Wohnorts des Geschädigten verbringen. Die Restwertermittlung hat dann in der Region des Unfallortes zu erfolgen.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte darf sich auf das Gutachten verlassen und das Fahrzeug zu dem Restwert, den der Sachverständige festgestellt hat, an den Aufkäufer verkaufen. Ein von der gegnerischen Versicherung an den Geschädigten versandtes Restwertangebot ist unbeachtlich, sofern der Geschädigte das Fahrzeug bereits vor Zugehen dieses Angebots zu dem im Gutachten festgehaltenen Restwert an den Restwertaufkäufer verkauft hat.