

Was war passiert? Ein Autofahrer hatte sein Fahrzeug innerorts neben einem Bordstein geparkt, der an einen Kindergarten angrenzte. Der Kindergarten war an dieser Stelle durch einen etwa zwei Meter hohen Maschendrahtzaun abgegrenzt. Drei Kindergartenkinder im Alter von drei bis sechs Jahren haben sich von ihrer Gruppe entfernt und verschiedene Gegenstände wie Steine, feuchtes Erdreich, Holz und Spielzeuge auf das Auto geworfen.
Zwei der Kinder haben im Anschluss in Anwesenheit der Eltern, des Kindergartenleiters und des Geschädigten zugegeben, mutwillig das Fahrzeug beschädigt zu haben.
Am Auto des Geschädigten entstand ein Sachschaden von rund 6.000 Euro, die Gutachterkosten beliefen sich auf 950 Euro. Diesen Schaden wollte der Geschädigte von der Stadt als Trägerin des Kindergartens zurück. Die Haftpflichtversicherung der Stadt verweigerte dies und lehnte eine Haftung ab.
Wer haftet dem Geschädigten für seinen Schaden?
- Kinder unter sieben Jahren können grundsätzlich nicht für Schäden haftbar gemacht werden, § 828 Abs. 1 BGB.
- Eltern haften nur für den Schaden, den ihre Kinder verursacht haben, falls sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben (§ 832 BGB). Sind die Kinder im Kindergarten, haben die Eltern keine Aufsichtspflicht mehr. Diese endet, sobald das Kind im Kindergarten dem Erzieher übergeben wird.
- Es bleibt damit vorliegend nur eine evtl. Aufsichtspflichtverletzung des Kindergartenpersonals, für die der Träger eines städtischen Kindergartens nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG haftet.
Dem Geschädigten kommt dabei die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 BGB zu Gute. Das Gesetz stellt die Vermutung auf, dass der Aufsichtspflicht zunächst nicht genügt ist (sog. Haftung für vermutetes Verschulden) und dass der Mangel der Aufsicht die Ursache des Schadens ist.
Der Aufsichtspflichtige kann sich aber entlasten – und zwar durch den Nachweis, dass er seiner Aufsichtspflicht genügt hat oder dass der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung eingetreten wäre. Der Aufsichtspflichtige muss also darlegen, welche Maßnahmen er im konkreten Fall zur Erfüllung der Aufsichtspflicht getroffen hat.
Grundsätzlich obliegt es den Bediensteten eines Kindergartens als deren Amtspflicht, die ihnen anvertrauten Kinder so zu beaufsichtigen, dass Schäden möglichst verhütet werden. Umfang und Inhalt der Aufsichtspflicht richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgebend sind Alter, Eigenart und Charakter der Kinder, die Besonderheiten des örtlichen Umfeldes, das Ausmaß der drohenden Gefahren, die Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens und die Zumutbarkeit für den Aufsichtspflichtigen. Abzustellen ist darauf, was ein verständiger Aufsichtspflichtiger nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen muss, um Schädigungen Dritter zu verhindern.
Mithin kommt es in jedem Einzelfall auf die konkreten Umstände an. Das sehen auch die Gerichte so, wie die beiden folgenden Urteile zeigen:
- AG München, Urteil vom 02.07.2016, Az. 133 C 20101/15:
Das Gericht ist zur Überzeugung gekommen, dass die Erzieher ihrer Aufsichtspflicht genügt haben. Wenn Kindergartenkinder altersgerecht entwickelt seien, dürfe ein gewisses Maß an rationaler Verhaltenssteuerung erwartet werden. Die Erzieherinnen hätten zudem einen pädagogischen Ermessensspielraum. Eine permanente Überwachung sei unter diesen Umständen grundsätzlich nicht mehr geboten. Die Rechtsprechung erachtet üblicherweise einen Kontrollabstand von 15 bis 30 Minuten als ausreichend, um beispielsweise das Spiel von bisher unauffälligen fünfjährigen Kindern außerhalb der Wohnung zu überwachen. Es habe auch keine besondere Veranlassung bestanden, dass die Aufsichtspflichtigen damit hätten rechnen müssen, dass einer der beiden Jungen Steine über den Zaun auf davor parkende Autos werfen würde, so das Gericht.
- OLG Koblenz, Urteil vom 21.06.2012, Az. 1 U 1086/11:
Wenn sich drei spielende Kinder aus ihrer Gruppe eigenmächtig ca. 20 bis 25 Meter in Richtung Zaun entfernten, dürfen diese nicht länger andauernd unbeobachtet bleiben. Ein Zeuge hatte ausgesagt, die Steine seien «wie bei einem Maschinengewehr» auf das Auto geprallt. Zudem ließ die Beschaffenheit des Freigeländes – lockere große Kieselsteine, durchlässiger Zaun zur unmittelbar angrenzenden Parkfläche – ein konkretes Gefahrenpotential für fremde Sachgüter greifbar werden. Das Spielverhalten der Kleinkinder hätte daher in regelmäßigen Abständen von wenigen Minuten kontrolliert und ggf. korrigiert werden müssen. Eine Aufsichtspflichtverletzung lag damit aus Sicht des Gerichts vor.
Für das Autohaus/die Kfz-Werkstatt heißt das Folgendes:
Haftet kein Dritter für einen Schaden, muss sich das Autohaus an seinen Kunden als Auftraggeber wenden. Dieser muss dann die Reparaturrechnung begleichen. In Fällen der Aufsichtspflichtverletzung, in denen die Haftung oftmals unklar ist, empfiehlt sich daher, vor Reparaturbeginn die Haftungsfrage zu klären und dies mit dem Kunden zu besprechen.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen gilt in Bezug auf sein Honorar das Gleiche wie für das Autohaus.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Haftungsfragen im Rahmen der Aufsichtspflichtverletzung sind umstritten. Zwar wird zunächst das Verschulden der Aufsichtspflichtigen vermutet, allerdings kann sich der Träger des Kindergartens durch entsprechende Aussagen der Erzieherinnen entlasten. Da solche Zeugenaussagen im Vorfeld schwer einzuschätzen sind, empfiehlt sich ein Gerichtsverfahren hier nur mit Rechtschutzversicherung.