Nicht immer bleibt es bei einem Verkehrsunfall beim Blechschaden, in manchen Fällen wird der Fahrer oder der Beifahrer des Unfallwagens auch verletzt. Dabei kann es vorkommen, dass der Eigentümer des verunfallten Fahrzeugs und die verletzte Person nicht identisch sind. Reguliert ein Rechtsanwalt einen solchen Unfall, vertritt er zwei Geschädigte, die aus demselben Verkehrsunfall bei Verschulden des Unfallgegners Ansprüche gegen dessen Haftpflichtversicherer geltend machen. Zum einen vertritt der Anwalt den Eigentümer des Fahrzeugs, für den er dessen Sachschaden einfordert. Zum anderen vertritt er den Fahrer, für den er Schmerzensgeld und Behandlungskosten geltend macht.
Nach Abschluss der Regulierungen stellt sich für den Rechtsanwalt die Frage, wie abzurechnen ist: Kann der Rechtsanwalt, der beide Personen vertritt, auch „zweimal“ abrechnen? Falls ja, stellt sich die weitere Frage, ob die gegnerische Versicherung diese doppelte Vergütung dann auch zu erstatten hat.
Zu diesem Thema hatten wir jüngst ein Urteil vor dem Amtsgericht Hannover (Urteil vom 15.09.2020, Az. 525 C 2992/20) erstritten.
1. Richtige Abrechnung
Für die richtige Abrechnung ist ausschlaggebend, ob eine Angelegenheit oder mehrere Angelegenheiten vorliegen. Das hängt ausschließlich von den dem Rechtsanwalt erteilten Aufträgen ab. Maßgebend sind nach § 15 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) folgende Kriterien:
Eine Angelegenheit liegt nur dann vor, wenn der Tätigkeit des Anwalts,
- ein einheitlicher Auftrag zu Grunde liegt,
- sich die Tätigkeit im gleichen Rahmen hält und
- zwischen den einzelnen Handlungen und/oder Gegenständen der anwaltlichen Tätigkeiten ein innerer Zusammenhang besteht.
Damit liegen, übertragen auf den Beispielsfall, hier zwei Angelegenheiten vor, wenn
- der Rechtsanwalt von beiden Mandanten getrennt beauftragt wird und getrennte Vollmachten vorliegen,
- der Rechtsanwalt verschiedene Aktenzeichen anlegt,
- die Korrespondenz in jeder Akte mit jedem Beteiligten gesondert erfolgt,
- wenn inhaltlich für den einen Geschädigten der Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit auf der Verfolgung des Schmerzensgeldes, für den anderen auf der Verfolgung der materiellen Schäden liegt.
2. Erstattungsfähigkeit
Geht man nach den o.g. Kriterien davon aus, dass die Geschädigten gesonderte Aufträge erteilt haben, also eine entsprechend doppelte Vergütung angefallen ist, stellt sich die Frage, ob diese doppelte Vergütung auch erstattungsfähig ist. Grundsätzlich sind die Rechtsanwaltskosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu erstatten.
Bei mehreren Geschädigten argumentieren die Versicherer häufig mit einem Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht – mehrere Geschädigte müssten den Anwalt gemeinsam beauftragen. Eine solche Schadensminderungspflicht besteht aber nach der Rechtsprechung nicht. Mehrere Geschädigte sind gerade nicht verpflichtet, denselben Anwalt gemeinsam zu beauftragen. Das gilt selbst dann, wenn es sich bei den Geschädigten um Eheleute oder Lebenspartner handelt oder um ein Elternteil und ihr Kind handelt (vgl. LG Passau, Urteil vom 29.04.2015, Az. 3 S 101/14; AG Augsburg, Urteil vom 19.07.2019, Az. 20 C 1003/19).
In diesem Sinne hatte auch das Amtsgericht Hannover in unserem Fall entschieden: Das Gericht ist von zwei getrennten Angelegenheiten ausgegangen, die getrennt abzurechnen waren. Diese Kosten waren auch erforderlich und von der beklagten Versicherung zu erstatten.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Für das Autohaus treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Mehrere Geschädigte aus einem Verkehrsunfall sollten den Anwalt separat beauftragen und jeder eine Vollmacht unterzeichnen. Sie sind nicht verpflichtet, denselben Anwalt gemeinsam zu beauftragen. Zudem wollen auch mehrere Geschädigte in der Regel keinen gemeinsamen Auftrag erteilen. Ein gemeinsamer Auftrag würde dazu führen, dass die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts untereinander aufgehoben wäre. So würde der Fahrer alles erfahren, was den Eigentümer betrifft (Alter des Fahrzeugs, Vorschäden, Höhe des Schadensersatzes etc.). Umgekehrt würde der Eigentümer sämtliche Umstände erfahren, die den Fahrer betreffen (Umfang der Verletzungen, Vorerkrankungen, Höhe des Schmerzensgeldes etc.).