

Nicht immer bleibt es bei Blechschäden nach einem Unfall, manchmal gibt es auch Verletzte. Für die bei einem Unfall erlittenen Verletzungen kann der Geschädigte Schmerzensgeld verlangen. Anspruchsgrundlage hierfür ist § 253 Abs. 2 BGB. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt vom Maß der körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen beim Geschädigten ab. Es gibt Schmerzensgeldtabellen mit mehreren tausend zusammengestellten Gerichtsentscheidungen, die nach der Höhe des Schmerzensgeldes oder der Art der Personenschäden gestaffelt sind. Anhand dieser können die Verletzungen des Unfallgeschädigten mit den dort erfassten Fällen verglichen werden. So war es bislang gängige Praxis und herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung.
Gegen diese Auffassung hatte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. erstmals mit Urteil vom 18.10.2018, Az. 22 U 97/16, die (bislang nur in der Theorie bestehende) taggenaue Schmerzensgeldbemessung in der Praxis erprobt. Mit einem weiteren Urteil vom 16.7.2020, Az. 22 U 205/19, wurde dieser Weg fortgesetzt.
Über die Revision gegen letztgenanntes Urteil hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 15.2.2022, Az. VI ZR 937/20, entschieden:
Sachverhalt:
Der Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich verletzt. Über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren war er, verteilt über 13 Aufenthalte, insgesamt 500 Tage im Krankenhaus. Unter anderem wurde ihm der rechte Unterschenkel amputiert. Der Kläger ist seitdem zu mindestens 60 % in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Die Einstandspflicht der Beklagten (Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Pkw) ist unstreitig.
Das Landgericht hat dem Kläger ein Schmerzensgeld von 100.000 Euro zugesprochen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG Frankfurt a.M. die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von insgesamt 200.000 Euro verurteilt.
Das OLG Frankfurt a.M. benutzte im Berufungsverfahren die sogenannte “taggenaue Berechnung” des Schmerzensgeldes. Bei dieser Methode werde drei Rechenschritte angewandt.
Auf der ersten Stufe werden zunächst unabhängig von der konkreten Verletzung und den individuellen Schmerzen Tagessätze zusammengerechnet, die nach Behandlungsphase (Intensivstation, Normalstation, stationäre Reha-Maßnahme, ambulante Behandlung zuhause, Dauerschaden) gestaffelt sind. Vorliegend wurden 150 Euro für einen Tag auf der Intensivstation, 100 Euro für einen Tag auf der Normalstation und 60 Euro für einen Tag in der Rehaklinik angesetzt. Grundlage für den Tagesbetrag ist das durchschnittliche Einkommen und die unterschiedliche starke Lebensbeeinträchtigung während der einzelnen Behandlungsphasen.
Auf der zweiten Stufe werden von der “taggenau” errechneten Summe individuelle Zu- oder Abschläge vorgenommen. Das Berufungsgericht hat auf dieser Stufe wegen der erheblichen Vorerkrankungen des Klägers einen Abschlag berücksichtigt.
In der dritten Stufe kann die Summe beispielsweise wegen Dauerschäden und besonders schwerwiegenden Verfehlungen des Schädigers noch erhöht werden. Hiervon wurde im Streitfall kein Gebrauch gemacht.
Mit der Revision begehren die Beklagten nun die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Begründet wurde dies wie folgt:
Die “taggenaue Berechnung” wird dem Einzelfall nicht gerecht, entschied der BGH und verdeutlichte gleichzeitig, welche Kriterien für die Höhe des Schmerzensgeldes heranzuziehen sind.
Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers.
Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falles, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Es sind in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen.
Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das Schadensbild festzusetzen, die sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lässt.
Deswegen hat sich der BGH gegen die taggenaue Berechnung entschieden, die das Berufsgericht angestellt hat. Die schematische Konzentration auf die Anzahl der Tage, die der Kläger auf der Normalstation eines Krankenhauses verbracht hat und die er nach seiner Lebenserwartung mit der dauerhaften Einschränkung voraussichtlich noch wird leben müssen, lässt wesentliche Umstände des konkreten Falles außer Acht.
So bleibt nicht nur das konkrete Verletzungsbild, dessen Behandlung und das individuelle Leiden des Unfallopfers, sondern auch die eingeschränkte zukünftige Lebensführung unbeachtet. Auch ein zugrunde gelegtes durchschnittliches Einkommen wird einer individuellen Betrachtung nicht gerecht.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Für das Autohaus treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalls verletzt worden, kann er Schmerzensgeld gegen den Schädiger geltend machen. Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls und es sind in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Damit ist eine einheitliche Entschädigung für das Schadensbild festzusetzen, die sich jedoch nicht streng rechnerisch (anhand einer taggenauen Berechnung) ermitteln lässt.