Wenn sich nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall abzeichnet, dass das unfallbeschädigte Fahrzeug für lange Zeit ausfällt, kann es dem Geschädigten zumutbar sein, ein Interimsfahrzeug zu kaufen. Dasselbe gilt, wenn der Geschädigte nach dem Unfall ganz erheblichen Fahrbedarf hat. Ein Interimsfahrzeug ist ein Gebrauchtwagen, den der Geschädigte nur zur Überbrückung erwirbt und danach wieder verkauft. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung später einwendet, die Mietwagenkosten seien unverhältnismäßig und werden daher nicht erstattet.
Typische Fallgruppen sind:
- Neuwertentschädigung:Das verunfallte Fahrzeug war jünger als einen Monat, die Laufleistung lag unter 1.000 km und es wurde erheblich beschädigt. In solch einem Fall darf sich der Geschädigte für den Kauf eines neuen Fahrzeugs auf Kosten der gegnerischen Versicherung entscheiden; das neue Fahrzeug hat aber eine lange Lieferzeit.
- Lieferschwierigkeiten beim Ersatzteil:Bereits zum Schadenszeitpunkt ist bekannt, dass ein bestimmtes Ersatzteil nicht lieferbar ist und auch ein Lieferzeitpunkt ist nicht absehbar.
- Spezialfahrzeuge:Ist das verunfallte Fahrzeug ein Spezialfahrzeug, reicht es dem Geschädigten nicht, wenn er ein gleichartiges Basisfahrzeug kauft. Es müssen noch zusätzliche Umrüstungsarbeiten erledigt werden. Diese finden im Nutzfahrzeugbereich oft durch externe Betriebe statt, deren Leistungsgeschwindigkeit nicht beeinflusst werden kann.
Immer wenn sich die Frage stellt, ob der Geschädigte ein Interimsfahrzeug zur Vermeidung höherer Kosten, wie zum Beispiel Mietwagenkosten oder Nutzungsausfall ankaufen soll, ist eine Absprache mit der gegnerischen Versicherung sinnvoll. Diese kann wie folgt aussehen:
Das Autohaus sucht mit dem Kunden ein passendes Interimsfahrzeug aus dem Gebrauchtwagenbestand, kalkuliert einen Verkaufspreis und unter Annahme eines vorhersehbaren Kilometerverbrauchs einen späteren Ankaufspreis. Die Differenz zwischen beiden Werten bildet für den Geschädigten den Wertverlust, den die gegnerische Versicherung zu erstatten hat.
Der Versicherer wird dann nach § 254 Abs. 2 BGB (Schadensminderungspflicht des Geschädigten) auf die derzeitige Situation und auf die überlange Ausfalldauer hingewiesen. Ihm wird der Vorschlag der Interimslösung unterbreitet und die entstehenden Kosten (Wertverlust, An- und Abmeldekosten nebst Kennzeichen) werden beziffert. Nun kann der Versicherer entscheiden, ob er diesen Schadenspositionen zustimmt.
- Stimmt der Versicherer zu, kann der Geschädigte schnellst möglichst auf das Interimsfahrzeug umsteigen. Bis zur Zustimmung des Versicherers darf der Geschädigte Nutzungsausfall geltend machen bzw. einen Mietwagen nutzen.
- Stimmt der Versicherer nichtzu, muss der Versicherer dann entweder Nutzungsausfallentschädigung oder die Mietwagenkosten zahlen.
Durch die Abstimmung mit dem gegnerischen Versicherer kann dieser sich nachher nicht darauf berufen, dass es anders doch billiger gewesen wäre. In einem Verfahren vor dem Landgericht Augsburg beispielsweise bat der Geschädigte um Zusage für die Kosten eines Interimsfahrzeugs; die gegnerische Versicherung lehnte jedoch. Die Lieferung des Neuwagens verzögerte sich, und der Geschädigte machte Nutzungsausfall für 148 Tage klageweise geltend. Im Klageverfahren berief sich die Versicherung dann darauf, dass sich der Geschädigte doch ein Interimsfahrzeug hätte anschaffen müssen. Das aber lehnte das Landgericht ab: eine solche Anschaffung sei unzumutbar, wenn der Versicherer auf Anfrage hin die Kostenübernahme zunächst abgelehnt habe (vgl. LG Augsburg, Urteil vom 10.11.2016, Az. 101 O 1089/16).
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
In den oben aufgeführten Fallgruppen ist vor der Vermietung eines Mietwagens immer daran zu denken, ob nicht der Kauf eines Interimsfahrzeug günstiger ist. Dies dürfte dann der Fall sein, wenn es ohne Schwierigkeiten möglich ist, als Interimsfahrzeug ein Fahrzeug zu kaufen, welches nach kurzem Gebrauch ohne Verlust weiterverkauft werden kann. Zu berücksichtigen sind aber auch immer der nicht unerhebliche Abwicklungsaufwandes eines Kaufs und Verkaufs (Ummeldung, Versicherung, Steuern; Anzeigenschaltung, Terminvereinbarungen und Haftungsrisiken beim Verkauf etc.) und das Verlustrisikos hinsichtlich des späteren Verkaufs. Da dies für den Laien schwer einzuschätzen ist, ist hier professionelle Beratung durch das Autohaus notwendig.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Bei langer Ausfalldauer oder auch wenn der Geschädigte einen sehr hohen Fahrbedarf hat, muss der Geschädigte prüfen, ob er anstelle der Anmietung eines Mietwagens ein Interimsfahrzeug anschafft. Diese Variante kann als die preisgünstigere Alternative in Betracht kommen. In diesem Fall werden dann anstelle der Mietwagenkosten die Kosten für die An- und Abmeldung des Interimsfahrzeuges, der Wertverlust sowie Versicherungsmehrkosten bei der gegnerischen Versicherung geltend gemacht.