Nach einem unverschuldeten Autounfall darf sich der Geschädigte für die Dauer der Reparatur seines verunfallten Autos einen Mietwagen nehmen; die Kosten hierfür muss die gegnerische Haftpflichtversicherung tragen. Die Versicherungen behaupten nun immer häufiger, der Geschädigte habe keinen Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten, denn er habe gar keinen gebraucht.
Es gibt mehrere Fallgruppen, bei denen das Argument „Mietwagen war nicht erforderlich“ eingesetzt wird, von denen ich einige herausgreife:
Mietwagennutzung von weniger als 20 km/Tag: Bus, Bahn und Taxi wären billiger gewesen
Mit Urteil vom 05.02.2013, Az. VI ZR 290/11 hatte der BGH entschieden, dass für die Frage, ob die Mietwagennutzung erforderlich ist, grundsätzlich die Faustregel „20 km pro Tag“ gelte. Doch gibt es auch Fälle, in denen es für den Geschädigten darauf ankomme, ständig über einen Mietwagen verfügen zu können.
- Alt, krank und geschwächt
Das Amtsgericht Bremen (Urteil vom 13.12.2012, Az. 9 C 330/11) hat einem Rentner, der im ländlichen Raum wohnte und gesundheitlich angeschlagen war, die Nutzung eines Mietwagens zugesprochen, obwohl er in fünf Tagen nur 44 km zurück gelegt hatte. Der Geschädigte benötigte den Mietwagen aber für erforderliche spontane Arztbesuche. Überhaupt gilt: Wenn es auf dem Lande keine sinnvoll nutzbaren öffentlichen Verkehrsmittel gibt, kann der Geschädigte darauf auch nicht verwiesen werden (AG Arnsberg, Urteil vom 27.08.2008, Az. 3 C 162/08). Auch kann der Versicherer den Geschädigten nicht generell auf die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) verweisen, denn dieser bietet nicht die gleiche Mobilität und Qualität wie ein Fahrzeug (AG Hannover, Urteil vom 07.11.2016, Az. 420 C 7631/16).
- Handwerker und Material
Wenn ein Handwerksbetrieb nach einem Unfall einen Transporter als Ersatzfahrzeug anmietet, ist nicht von Bedeutung, dass damit weniger als 20 km pro Tag zurückgelegt wurden. Denn der Transport der Werkzeuge und des Materials zur Baustelle per Taxi scheidet von vorneherein aus (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 08.05.2012, Az. 102 C 3316/11).
- Rufbereitschaft
Bestimmte Berufsgruppen, wie z.B. Ärzte oder Feuerwehrleute, müssen sich auch in ihrer Freizeit in Rufbereitschaft halten. Diese Berufsgruppen dürfen auch dann einen Mietwagen nehmen, wenn sie im Ergebnis weniger als 20 km/Tag damit fahren: denn im Alarmfall ist die Benutzung von Bus, Bahn oder Taxi nicht zielführend (AG Schwabach, Urteil vom 09.11.2016, Az. 2 C 671/16).
Für das Autohaus als Vermieter und die Mietwagenunternehmen heißt das Folgendes:
In den o.g. Fallgruppen können Sie dem Geschädigten bei Fahrstrecken von weniger als 20 km/Tag guten Gewissens zur Inanspruchnahme eines Mietwagens raten.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
In den o.g. Fallgruppen dürfen Sie auch bei Fahrstrecken von weniger als 20 km/Tag einen Mietwagen nehmen– lassen Sie sich dann bei der Frage der Erstattung nicht von den Argumenten der Versicherung täuschen.