Ein Landwirt treibt seine Kühe von einer Weide zur nächsten, dabei wird ein am Feldweg geparkter Pkw beschädigt. Wer haftet für die Beschädigung? Über einen solchen Sachverhalt hatte das Landgericht Koblenz in zweiter Instanz entschieden (Urteil vom 09.10.2020, Az. 13 S 45/19).
Sachverhalt:
Ein Landwirt hatte seine Kühe von einer Weide über einen schmalen Feldweg auf eine 200 Meter entfernt liegende Weide getrieben. Der Weg war auf einer Seite durch den Zaun einer Baustelle beengt. Ein Autofahrer hatte sein Fahrzeug unmittelbar neben der Baustelle am Rande des Feldwegs abgestellt. Für die Kühe verblieb damit am Ausgang der Weide ein nur wenige Meter breiter Weg zwischen dem Fahrzeug und der Baustelle.
Ein Spaziergänger hatte dem Landwirt noch berichtet, dass der Pkw-Fahrer ihm mitgeteilt habe, dass er nur kurz spazieren gehe, etwas essen und nach 10 Minuten weiterfahre. Nichtsdestotrotz entschied sich der Landwirt, die Kühe über den Feldweg auf die andere Weide zu treiben. Um das Auto zu schützen und die Kühe auf Abstand zu halten, stellte er sich mit dem Rücken gegen das Auto, während die Kühe am Fahrzeug vorbeiliefen.
Einige Tage später erhielt der Landwirt Post vom Anwalt des Autofahrers, der für seinen Mandanten für einen Schaden am Pkw 7.500 Euro Schadenersatz forderte. Denn: Ein Spaziergänger hatte dem Autofahrer berichtet, dass der Landwirt seine Kühe an seinem Fahrzeug vorbei getrieben habe. Dieser bestätigte auch, dass am Auto vorher kein Schaden war und er danach eine Delle und am Auto haftende Kuhhaare festgestellt habe.
Der Landwirte bestritt, dass eine seiner Kühe den Schaden verursacht habe und weigerte sich zu zahlen. Er war der Ansicht, dass er mit dem Abschirmen des Autos die erforderliche Sorgfalt eingehalten habe. Jedenfalls sei der Autofahrer mit Schuld, da er verbotswidrig geparkt habe.
Entscheidung:
Das Amtsgericht hatte den Landwirt zur Zahlung verurteilt; gegen das Urteil legte dieser Berufung ein. Das Landgericht Koblenz hat die Berufung für unbegründet erachtet und den Landwirt zur Zahlung verurteilt.
Sowohl Zeugen als auch ein Sachverständiger bestätigen, dass die Kühe den Schaden verursacht haben mussten. Das Gericht sah den Landwirt daher im Rahmen seiner Tierhalterhaftung nach § 833 BGB als schadensersatzpflichtig an. In dieser Vorschrift heißt es:
„1Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.“
Vorliegend war Satz 2 einschlägig: Die Kühe sind Nutztiere, die der Erwerbstätigkeit dienen. Der Landwirt haftet damit zwar im Grundsatz nicht für jeden Schaden (wie ein privater Tierhalter), aber er muss die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten.
Nach Ansicht des Gerichts hatte der Landwirt seine Sorgfalt hier aber erheblich verletzt. Denn er wartete nicht ab, bis der Autofahrer sein parkendes Auto weggefahren hatte. Es wäre ihm zumutbar gewesen, die relativ kurze Zeit von 10 Minuten zu warten, bis keine Gefahr mehr bestanden hätte. Für den Landwirt sei es zudem ersichtlich gewesen, dass es gefährlich war, die Kühe zwischen Auto und Zaun durch die Engstelle zu treiben. Das Verschulden des Landwirts war aus Sicht des Gerichts so erheblich, so dass es nicht mehr darauf ankam, ob der Autofahrer sorgfaltswidrig oder verbotswidrig geparkt hatte.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Die Haftung nach einem „Unfall mit einem Tier“ ist oft eindeutig. Denn ein privater Tierhalter haftet aus Gefährdungshaftung, also ohne, dass ein Verschulden vorliegen muss. Eine Ausnahme macht der Gesetzgeber dann, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wurde, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dient. In solch einem Fall muss für eine Haftung eine Sorgfaltspflichtverletzung bei der Beaufsichtigung gegeben sein. Dies sollte das Autohaus wissen, bevor es mit der Reparatur des Fahrzeugs in „Vorlage geht“.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen gilt dasselbe wie für das Autohaus.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte muss einen eventuellen Anspruch gegen den Tierhalter direkt durchsetzen. Die meisten Tierhalter haben zwar eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, mit der auch korrespondiert werden kann. Letztendlich besteht aber kein Direktanspruch gegen die Versicherung (wie bei der Kfz-Haftpflichtversicherung), so dass ein Geschädigter gegen den Tierhalter selbst vorgehen muss.