Zurzeit verschicken Haftpflichtversicherungen an die Autohäuser/Kfz-Werkstätten vermehrt Schreiben, die sinngemäß lauten wie folgt (bzw. siehe Bild oben):
„Die vom Kunden eingereichte oben bezeichnete Rechnung hatten wir geprüft und gekürzt. Anschließend waren diese Reparaturkosten Gegenstand eines Klageverfahrens. Die Rechnungssumme haben wir bereits in voller Höhe nach dem beigefügten ergangenen Urteil des Amtsgerichts an den Kunden erstattet. Bitte überweisen Sie den Differenzbetrag in Höhe von …… Euro innerhalb von zwei Wochen nach Posteingang auf unser Konto……“
Damit die Haftpflichtversicherung überhaupt gegen die Werkstatt direkt vorgehen kann, benötigt sie vom Geschädigten eine Abtretungserklärung. Die Haftpflichtversicherung lässt sich daher den Anspruch des Geschädigten auf Rückerstattung zu viel bezahlten Werklohns gegen die Werkstatt abtreten. Diese Abtretung kann bereits außergerichtlich abgegeben werden oder es erfolgt in einem Schadensersatzprozess des Geschädigten eine Zug-um-Zug-Verurteilung der Haftpflichtversicherung zur Zahlung des Schadensersatzes gegen Abtretung etwaiger Erstattungsansprüche des Klägers gegen die Werkstatt aus dem Reparaturvertrag.
Auf diese Abtretung hat die Haftpflichtversicherung auch einen Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73). Eine solche Abtretung schmälert die Rechtsposition des Geschädigten nicht und ist nicht davon abhängig, dass etwaige Ansprüche gegen die Werkstatt tatsächlich bestehen. Vielmehr genügt es, dass es möglich erscheint, dass solche Ansprüche vorhanden sind. Die Berechtigung eines solchen Anspruchs ist dann im Verhältnis zwischen der Haftpflichtversicherung und der Kfz-Werkstatt zu klären.
Der Hintergrund des Ganzen ist folgender: Der Geschädigte holt nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ein Sachverständigengutachten ein und lässt sein verunfalltes Fahrzeug auf Basis eines abgeschlossenen Werkvertrags reparieren. Dabei beauftragt er die Werkstatt, so zu reparieren, wie vom Sachverständigen vorgesehen. Der Geschädigte darf sich auf die Feststellungen des Gutachters verlassen. Es macht keinen Unterschied, ob der Reparaturbetrieb dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeit in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind. Der Schädiger trägt das sogenannte Werkstatt- und Prognoserisiko und hat dem Geschädigten den Rechnungsbetrag aus der Reparaturrechnung zu erstatten.
Dem Schädiger entsteht dadurch kein Nachteil, da er, wie bereits oben beschrieben, die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt verlangen kann. Insofern hat er die gleiche Rechtsstellung, als wenn er die Reparatur selbst in Auftrag gegeben hätte.
Ein Anspruch der Haftpflichtversicherung gegen die Werkstatt aus der Abtretung und damit der Regress bleibt aber ohne Erfolg, sofern eine Pflichtverletzung der Werkstatt nicht nachgewiesen werden kann.
Wenn der Geschädigte der Kfz-Werkstatt den Auftrag erteilt hatte, die Reparatur auf Grundlage des zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens durchzuführen, wird dadurch der Reparaturumfang festgelegt. Die Werkstatt darf auf die Feststellungen im Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vertrauen und damit von der Richtigkeit des eingeholten Gutachtens ausgehen. Sie darf den erteilten Auftrag „Reparatur wie vom Gutachter vorgesehen“ ordnungsgemäß abarbeiten, ohne eigene Prüfungen anzustellen (vgl. AG Erding, Urteil vom 10.08.2018, Az. 14 C 3232/17; AG München, Urteil vom 18.04.2019, Az. 344 C 11554/18). Wenn die Werkstatt der Pflicht, im Umfang des Gutachtens zu reparieren, nachkommt, liegt keine Pflichtverletzung und damit kein Regressanspruch der Haftpflichtversicherung vor.
Für das Autohaus/ Kfz-Werkstatt heißt das Folgendes:
Für einen eventuellen Regress der Haftpflichtversicherung gegen das Autohaus/Kfz-Werkstatt sollte das Autohaus einen Auftrag des Geschädigten mit dem genauen Auftragsumfang nachweisen können. Auf diesem sollte sich dann ergeben, dass die Reparatur so durchgeführt werden soll, wie im Gutachten festgehalten. Letztendlich legt dann das Sachverständigengutachten in Verbindung mit dem Auftrag des Geschädigten den Reparaturumfang fest. Sind diese Punkte eingehalten, ist der Beweis einer Pflichtverletzung durch die Haftpflichtversicherung ein steiniger und langer Weg.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige sollte selbstverständlich nur alle notwendigen und erforderlichen Reparaturschritte in seinem Gutachten mit aufnehmen. Andernfalls kann die Haftpflichtversicherung bei ihm aufgrund eines fehlerhaften Gutachtens Regress nehmen, und zwar auf der Grundlage der Rechtskonstruktion des „Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter“.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte darf auf die Sachkunde des Sachverständigen vertrauen und dann der Werkstatt den Auftrag erteilen, die Reparatur so vorzunehmen, wie im Gutachten festgelegt.