

In unserem jüngsten Newsletter 29/2019 hatten wir darüber berichtet, dass einen hinter einem Fahrschulfahrzeug fahrenden Autofahrer erhöhte Sorgfaltspflichten treffen. Der Verkehrsteilnehmer, der einem deutlich als solchen gekennzeichneten Fahrschulfahrzeug folgt, muss mit plötzlichen und sonst nicht üblichen Reaktionen rechnen und seine Fahrweise darauf einstellen.
Wenn es trotzdem zu einem Unfall kommt und der Fahrschüler einen Verkehrsverstoß begangen hat, wer haftet dann eigentlich – der Fahrschüler oder der Fahrlehrer?
Bei Unfällen mit einem Fahrschulwagen, an dessen Steuer ein Fahrschüler saß, kommen zunächst als Haftende in Betracht: der Halter des Fahrschulwagens, dessen Haftpflichtversicherung und i.d.R. der Fahrlehrer. Der Fahrschüler ist grundsätzlich während der Übungs- und Prüfungsfahrten nicht Führer des Kraftfahrzeugs und damit nicht selbst verantwortlich und haftbar (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 01.12.2003, Az. 12 U 772/02, OLG Bamberg, Urteil vom 24.03.2009, Az. 2 Ss OWi 127/2009). Allein der den Fahrschüler betreuende Fahrlehrer ist nämlich Führer des Kraftfahrzeugs. Das folgt aus § 2 Abs. 15 S. 1 StVG.
Danach muss ein Fahrschüler, der zur Ausbildung oder Ablegung der Prüfung ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr bewegt, von einem Fahrlehrer i.S.d. Fahrlehrergesetzes begleitet werden, der ggf. durch Doppelpedal eingreifen kann (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.1969, Az. VI ZR 80/68). Bei solchen Fahrten sowie bei der Hin- und Rückfahrt zu oder von einer Prüfung gilt der Fahrlehrer als Führer des Kraftfahrzeugs, wenn der Kraftfahrzeugführer keine entsprechende Fahrerlaubnis besitzt.
Eine bedeutsame Ausnahme ist in der Rechtsprechung für die Konstellation entwickelt worden, dass sich der Fahrschüler bereits in einem fortgeschrittenen Ausbildungsstand befunden und sich für den Fahrlehrer in der konkreten Situation keine Veranlassung zum Eingreifen ergeben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 23.09.2014, Az. 4 StR 92/14). Den Ausbildungsstand des Fahrschülers muss allerdings der Geschädigte beweisen, was in der Praxis nicht einfach sein dürfte – eine Befragung über den Ausbildungsstand des Fahrschülers ist anzuraten. Gelingt der Beweis, haftet der Fahrschüler.
Fehlt dem Fahrschüler also noch am Anfang seiner Ausbildung das erforderliche Können, haftet er nicht; je länger seine Ausbildung dauert, desto größer ist die Möglichkeit seiner Haftung. Folgende Urteile verdeutlichen dies:
OLG Stuttgart, Urteil vom 17.12.1998, Az. 7 U 138/98:
Wird ein Fahrlehrer bei einer Ausbildungsfahrt eines bereits zur Prüfung angemeldeten Fahrschülers verletzt, kann das die Annahme eines alleinigen Verschuldens des Fahrschülers rechtfertigen. Ein bereits zur Prüfung angemeldeter Fahrschüler hatte die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs vor der Kreuzung mit einer Vorfahrtstraße, auf der sich ein von ihm wahrgenommener Bus genähert hat, zunächst deutlich herabgesetzt. Er ist aber dann unter plötzlicher Beschleunigung auf die bevorrechtigte Straße eingefahren und mit dem Bus kollidiert. Das Gericht hat entschieden, dass ihn allein und nicht den neben ihm sitzenden Fahrlehrer die Schuld am Unfall trifft und der Fahrschüler auch für den dem Fahrlehrer entstandenen Personenschaden einzustehen hat.
OLG Koblenz, Urteil vom 01.12.2003, Az. 12 U 772/02:
Das OLG Koblenz hat entschieden, dass ein Fahrschüler dem Geschädigten – hier gesamtschuldnerisch mit dem Fahrlehrer – haftet. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Fahrschülerin sollte nach links abbiegen. Da der Kläger entgegenkam, hielt sie zunächst an, begann dann aber doch mit dem Abbiegen. Ein weiteres Linksabbiegen verhinderte der Fahrlehrer mit einem eigenen Bremseingriff. Der entgegenkommende vorfahrtsberechtigte Kläger geriet ins Schleudern und kam von der Straße ab.
Bei solch einer Situation haftet zum einen der Fahrschüler, wenn er einen Fahrfehler begeht, den er auch unter Berücksichtigung seiner Ausbildungssituation (Wissen und Können) unschwer hätte vermeiden können. Dies sah das Gericht als gegeben an, da der Fahrschüler eine einfache und nächstliegende Sicherheitsvorsorge missachtet hat, die auch schon jedem Fußgänger vertraut ist. Daneben haftet auch der Fahrlehrer, da er schuldhaft die Einleitung des Linksabbiegevorgangs nicht unterbunden hat.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Für das Autohaus treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Wer in einen Unfall mit einem Fahrschulfahrzeug verwickelt wird und Schadenersatz gegen den Unfallverursacher geltend machen möchte, kann in der Regel gegen den Halter des Fahrschulwagens, dessen Haftpflichtversicherung und den Fahrlehrer vorgehen. Der Fahrschüler ist grundsätzlich nicht Führer des Kraftfahrzeugs und damit nicht haftbar. In bestimmten Situationen haftet der Fahrschüler aber auch selbst: Entweder wenn er sich bereits in einem fortgeschrittenen Ausbildungsstand befunden hat und sich für den Fahrlehrer in der konkreten Situation keine Veranlassung zum Eingreifen ergeben hat. Oder wenn der Fahrschüler bestimmte grundlegende Pflichten im Straßenverkehr verletzt hat, die nicht aus der besonderen Situation als Fahrschüler heraus zu erklären sind.