

Es kommt immer wieder vor: Autos schleudern Steine von der Fahrbahn hoch oder Steine fallen von Ladeflächen von vorausfahrenden Lkws. Diese Steine können an den nachfolgenden Fahrzeugen schwere Schäden anrichten. Kann der Geschädigte diese Schäden bei dem Vorausfahrenden bzw. dessen Haftpflichtversicherung geltend machen?
Die Antwort lautet: nur in sehr wenigen Fällen kann der Vordermann haftbar gemacht werden. Sofern Steine von einem vorbeifahrenden Fahrzeug aufgeschleudert werden, dürfte der Anspruch schon daran scheitern, dass der Schädiger nicht ausfindig gemacht werden kann. Bei einem Verkehrsunfall haftet nach § 7 Abs.1 S. 1 StVG der Halter des Kraftfahrzeugs aufgrund der Betriebsgefahr auch dann, wenn ihm kein Verschulden am konkreten Schadensereignis zur Last gelegt werden kann (sog. Gefährdungshaftung). Dies gilt aber nicht, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis (§ 17 Abs. 3 StVG) verursacht wird. Unabwendbar ist ein Ereignis, das auch durch äußerste Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Der Maßstab ist der Idealfahrer, der sachgemäß und geistesgegenwärtig über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus handelt.
Grundsätzlich stellt das Hochschleudern von Steinen durch ein vorausfahrendes Fahrzeug ein unabwendbares Ereignis dar, das dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen ist. Eine Haftung ergibt sich nur dann, wenn zum allgemeinen Betriebsrisiko eines Fahrzeugs ein gefahrerhöhendes Verhalten des Vorausfahrenden hinzukommt: sei es, dass er durch rücksichtlose Fahrweise die Steine zum „Hochschleudern bringt”, dass er aus Baustellen oder Steinbrüchen kommt, ohne vorher die Reifen untersucht zu haben oder, dass er seine aus Steinen bestehende Ladung nicht ordnungsgemäß gesichert oder geprüft hat.
1) Stein fällt von der Ladefläche eines Lkw
Die größten Chancen auf Ersatz seines Schadens hat ein Geschädigter, der nachweisen kann, dass der Stein aus der Ladung des vorausfahrenden Lkw stammt. War die Ladung nicht ausreichend gesichert, war der Unfall nicht unabwendbar. Ein Lkw-Fahrer ist verpflichtet, vor Fahrtantritt dafür zu sorgen, dass sich auf der Ladefläche keine Steine befinden oder dass diese gegen Herabfallen gesichert sind. Steht fest, dass das Fahrzeug des Geschädigten, während es hinter einem Lkw fuhr, im vorderen Bereich von mehreren Steinen getroffen worden ist, kann es offen bleiben, ob die Steine von der Ladefläche des Lkw herunter gefallen sind oder ob sie erst nach dem Herabfallen durch den Lkw von der Fahrbahn aufgewirbelt worden sind. In beiden Fällen verwirklicht sich die Betriebsgefahr.
2) Vorausfahrendes Fahrzeug wirbelt Steine auf
Wird ein Stein von einem fahrenden Kraftfahrzeug von der Straße aufgewirbelt und beschädigt die Windschutzscheibe des nachfahrenden Kfz, war der Unfall in der Regel unabwendbar – zumindest dann, wenn die Gefahrenlage nicht ersichtlich war und der Fahrer nicht mit dem Stein rechnen musste. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Kraftfahrer auf einer gut ausgebauten, asphaltierten Fernverkehrsstraße fährt, auf der hohe Geschwindigkeiten gefahren werden dürfen, und kein Anhaltspunkt für das Herumliegen loser Steine besteht (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 30.03.2017, Az. 2 S 2191/16).
Anders ist die Sachlage bei verschmutzter Fahrbahn oder im Bereich von Baustellen. Fährt ein Verkehrsteilnehmer in einem Baustellenbereich mit einer mit losen Steinen verschmutzten Straße, muss er seine Geschwindigkeit reduzieren. Fährt er dennoch zu schnell und damit rücksichtlos, so dass dadurch die Steine zum hochgeschleudert werden, dürfte eine Haftung gegeben sein.
3) Steine lösen sich aus Reifen
Lösen sich Steine eines vorausfahrenden Fahrzeugs aus den Reifen, dürfte eine Anspruch in der Regel ausscheiden. Dazu müsste der Geschädigte nachweisen, dass der Vordermann gewusst hat, dass ein Stein im Profil seines Reifens war. Ausnahmsweise kann eine Haftung gegeben sein, wenn die Steine in das Reifenprofil des Fahrzeugs geraten sind, bevor die Fahrt auf einer öffentlichen Straße fortgesetzt worden ist, beispielsweise wenn ein Lkw aus einer Kiesgrube oder einer Baustelle kommt, sich dort ein Stein festgesetzt hat und später weggeschleudert wurde. Hier muss der Lkw-Fahrer vor Fahrtantritt seine Reifen kontrollieren, um auszuschließen, dass sich Steine oder Schmutzpartikel im Reifenprofil oder im Fahrzeugaufbau festgesetzt haben.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Bei der Reparatur eines Schadens aufgrund Steinschlags wird der Geschädigte nur in Ausnahmefällen einen Erstattungsanspruch in Höhe der Reparaturkosten gegen die Haftpflichtversicherung des Vorausfahrenden haben. Vielmehr dürfte eine Regulierung über die Teilkaskoversicherung in Anspruch kommen.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Nachdem ein schadensersatzrechtlicher Erstattungsanspruch nur in Ausnahmefällen gegeben ist, sind die Gutachterkosten als Schadensersatzposition natürlich auch nur in Ausnahmefällen von einem Dritten zu erstatten. Über die Teilkaskoversicherung wird das Gutachterhonorar nicht erstattet.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Sollte eine Haftung des Vorausfahrenden ausscheiden, hat der Geschädigte zumindest bei Glasbruch einen Anspruch gegen die Teilkaskoversicherung. Diese muss in der Regel Glasbruchschäden übernehmen. Allerdings ist nur der Bereich der Verglasung versichert und nicht die lackierten Bleche. Um auch diesen Bereich abzudecken, benötigt der Geschädigte eine Vollkaskoversicherung.