Mitunter kommt es vor, dass ein eigenes Auto eines Autohauses bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall beschädigt wird. Das Auto wird dann in der eigenen Werkstatt repariert und die Reparaturkostenrechnung bei der gegnerischen Versicherung eingereicht. Diese kürzt in vielen Fällen die Reparaturrechnung um den Unternehmergewinn – das sind zwischen 10 und 20 %. Ob und wenn ja, wie der Kürzung bei konkreter Abrechnung der Reparaturkosten entgegengetreten werden kann, hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits mit Urteil des vom 19.11.2013, Az. VI ZR 363/12, entschieden (vgl. unser Newsletter 10/2018).
Wie aber sieht es bei einer fiktiven Abrechnung aus? Können auch hier die Reparaturkosten um den Unternehmergewinn gekürzt werden? Über diese Frage hat der BGH mit Urteil vom 26.05.2023, Az. VI ZR 274/22, entschieden.
Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt eine Kfz-Reparaturwerkstatt. Ein Pkw der Klägerin wurde bei einem Unfall mit einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw beschädigt. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Die Klägerin macht fiktive Reparaturkosten gemäß Sachverständigengutachten in Höhe von 4.000,33 € netto geltend. Sie hat das Fahrzeug zwischenzeitlich unrepariert verkauft. Die Beklagte hält 20 % der geltend gemachten Reparaturkosten (800,07 €) als Unternehmergewinn für nicht erstattungsfähig.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidung:
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hatte vorliegend keinen Anspruch auf Ersatz des Unternehmergewinns.
Ob der Geschädigte im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall den Unternehmergewinn als Teil der Reparaturkosten fordern kann, richtet sich nach folgenden Grundsätzen:
Es gilt wie immer: Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadenersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadenersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.
Davon, dass eine Kfz-Werkstatt, die auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist, keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Fremdreparatur einschließlich des Gewinnanteils haben soll, wenn sie das Fahrzeug selber repariert, steht dort nichts.
Deshalb wird ein selbst reparierender Betrieb grundsätzlich so entschädigt, als wäre die Reparatur in einem Fremdbetrieb und nicht im eigenen Unternehmen durchgeführt worden.
Allerdings ist im Rahmen der sogenannten subjektbezogenen Schadenbetrachtung immer die besondere Situation zu beachten, in der sich der Geschädigte befindet. Sind seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten beschränkt oder bestehen gerade für ihn Schwierigkeiten, so ist hierauf zu seinen Gunsten Rücksicht zu nehmen.
Verfügt der Geschädigte über besondere Expertise, erhöhte Einflussmöglichkeiten oder sonstige Vorteile oder Erleichterungen, so ist hierauf auch zugunsten des Schädigers Rücksicht zu nehmen. Diese Umstände können sich also anspruchsverkürzend auswirken. Die Schadensersatzpflicht besteht von vornherein nur insoweit, als sich das Verhalten des Geschädigten im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft hält. Der Geschädigte soll am Unfall nicht „verdienen“.
Nach diesen Grundsätzen hat der Geschädigte regelmäßig Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten, unabhängig davon, ob er das Fahrzeug voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt.
Reparaturkosten in dieser Höhe stehen daher grundsätzlich auch dem Geschädigten zu, der kraft besonderer Fähigkeiten oder aus sonstigen individuellen Gründen zu einer kostengünstigen Eigenreparatur imstande ist. Dies gilt auch für einen Geschädigten, der einen auf Gewinnerzielung ausgerichteten Reparaturbetrieb führt. Er hat grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Fremdreparatur einschließlich des Gewinnanteils.
Allerdings muss er sich unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB auf eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit in seiner eigenen Werkstatt verweisen lassen. Nämlich dann, wenn sein auf Gewinnerzielung ausgerichteter Betrieb nicht ausgelastet ist und es ihm zumutbar ist, ansonsten ungenutzte Kapazitäten für die notwendige Reparatur zu nutzen.
Diese Schadensminderungspflicht gilt auch bei der fiktiven Abrechnung, sonst stünde der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung besser als bei der konkreten Schadensabrechnung.
Der Schädiger ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der gewinnorientierte Betrieb des Geschädigten nicht ausgelastet war und er diese ansonsten ungenutzte Kapazität für die notwendige Reparatur hätte nutzen können. Dem Geschädigten obliegt es im Rahmen der sekundären Darlegungslast, seine betriebliche Auslastungssituation konkret darzustellen.
Die Revision war vorliegend deshalb nicht erfolgreich, weil die Klägerin nichts zur Auslastungssituation ihrer Werkstatt vorgetragen hat. Wäre die Klägerin zwischen Schadenfeststellung und Verkauf ausgelastet gewesen und hätte sie das vorgetragen, wäre ihr der Gewinnanteil zugesprochen worden.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Sollte die gegnerische Versicherung den Unternehmergewinn bei der Abrechnung der fiktiven oder konkreten Reparaturkosten kürzen, muss das Autohaus darlegen, dass die die Werkstatt im Reparaturzeitraum bzw. in dem Zeitraum, in dem die Reparatur hätte durchgeführt werden sollen, ausgelastet war. Bei Auslastung ist die Kürzung nämlich unberechtigt.
Eine praktikable Methode des Nachweises ist die folgende:
Die Werkstatt beziffert, wie viele Arbeitswerte in der Abteilung Karosserie tatsächlich zur Verfügung stehen, indem sie die Anzahl der Mitarbeiter und die Soll-Arbeitswerte darstellt. Dabei müssen Abwesenheiten wegen Lehrgängen, Krankheit etc. berücksichtigt werden. Dem stellt die Werkstatt gegenüber, wie viele Arbeitswerte im maßgeblichen Zeitraum abgerechnet wurden. Wenn sich dann eine Überstundensituation ergibt, ist der Beweis der ausreichenden Auslastung geführt.
Für den Sachverständigen heißt:
Der Sachverständige sollte in seinem Gutachten den Unternehmergewinn immer mit einkalkulieren. Auf Grundlage des Gutachtens kann das Autohaus das unfallbeschädigte Fahrzeug reparieren oder fiktiv abrechnen und den Unternehmergewinn bei Auslastung der Werkstatt von der gegnerischen Versicherung erstattet verlangen.