

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit heutigem Urteil (Urteil vom 15.05.2018, Az. VI ZR 233/17) entschieden, dass die mit einer Dashcam gefertigten Bildaufnahmen in einem Haftpflichtprozess verwertbar sind. Bedenken wegen des Datenschutzes seien im Zweifel nachranging zu bewerten.
Im vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger den Beklagten und dessen Haftpflichtversicherung nach einem Verkehrsunfall auf restlichen Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Verkehrsunfall ereignete sich folgendermaßen: Die Fahrzeuge der Parteien fuhren innerorts beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Linksabbiegespuren und kollidierten seitlich; dabei wurde der Pkw des linksfahrenden Klägers vorne rechts, der des rechts fahrenden Beklagten hinten links beschädigt. Die Parteien stritten darüber, wer von beiden seine Spur verlassen und die Kollision herbeigeführt hat. Die Fahrt und die Kollision selber wurden von einer Dashcam im Fahrzeug des Klägers aufgezeichnet.
Das AG Magdeburg hatte mit Urteil vom 19.12.2016, Az. 104 C 630/15 dem Kläger nur die Hälfte seines Schadens zugesprochen. Der Kläger habe für seine Behauptung, der Beklagte sei beim Abbiegen mit seinem Fahrzeug auf die von ihm genutzte Fahrspur geraten, keinen Beweis erbringen können. Weder die Zeugin des Klägers noch der Sachverständige konnten zur Aufklärung des Unfallhergangs beitragen. Die vom Kläger mit einer Dashcam gefertigten Bildaufnahmen zum Unfall seien nicht zu verwerten, so das AG Magdeburg. Die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht LG Magdeburg mit Urteil vom 05.07.2017, Az. 1 S 15/17 ebenfalls zurückgewiesen. Die Aufzeichnung verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen und die informatielle Selbstbestimmung des einzelnen und unterliege einem Beweisverwertungsverbot, insbesondere deshalb weil die Kamera dauerhaft über vier Stunden gelaufen sei.
Mit der jetzigen Entscheidung des BGH herrscht damit zumindest etwas Klarheit für die Autofahrer: Aufnahmen von Minikameras in Fahrzeugen dürfen als Beweismittel vor Gericht verwendet werden, allerdings darf weiterhin nicht automatisch immer gefilmt werden.
So hat der BGH festgehalten, dass permanente anlasslose Aufzeichnungen des gesamten Geschehens gegen die Datenschutzbestimmungen verstoßen, da solche ohne Einwilligung der betroffenen gefilmten Personen erfolgen.
Dennoch führe die Unzulässigkeit der Beweiserhebung in einem Haftpflichtprozess nicht ohne weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Bei der Abwägung, die in jedem Einzelfall vorzunehmen ist, hat der BGH dem Interesse an der Aufklärung eines Unfallhergangs den Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht von gefilmten Verkehrsteilnehmern gegeben. Da sich der Unfall im öffentlichen Straßenraum ereignete, habe sich der gefilmte Unfallgegner selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Zudem sei der Verstoß gegen das Datenschutzrecht nachrangig, da Unfallbeteiligte nach § 34 StVO sowieso Angaben zu Person, Versicherung und Führerschein machen müssten.
Technisch sollten Dashcams daher auf jeden Fall so eingerichtet sein, dass die Aufzeichnungen in kurzen Abständen dauerhaft überschrieben werden und eine Speicherung erst bei einer Kollision oder starken Verzögerung des Fahrzeugs ausgelöst wird.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Bei der Frage, ob ein Haftpflicht- oder ein Kaskoschaden vorliegt, und wie das Verschulden eines am Unfall beteiligten Fahrers nachgewiesen werden, kann in einem Haftpflichtprozess zukünftig auf Aufzeichnungen einer Dashcam zurückgegriffen werden. Das Autohaus sollte daher den Geschädigten bei strittigem Unfallhergang auch immer gleich fragen, ob dieser eine Dashcam im Auto hatte.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Mit Hilfe der Dashcam-Aufzeichnung lässt sich im Streitfall ein Unfallhergang nachvollziehen; das kann die Frage, ob ein Haftpflichtfall mit vollem Verschulden der Gegenseite vorliegt, erleichtern. Denn nur im Haftpflichtfall bekommt der Geschädigte die Kosten für das Gutachten von der gegnerischen Versicherung erstattet. Im Kaskofall hingegen sollte die Beauftragung eines Gutachters immer zuerst mit der Kaskoversicherung abgesprochen werden.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Dashcam-Aufzeichnungen können dem Geschädigten im Streitfall helfen, einen für ihn günstigen Unfallhergang zu beweisen. Allerdings sind auch Datenschutzbestimmungen zu beachten, da ansonsten hohe Bußgelder drohen. Der BGH zeigt in seinem Urteil einen Lösungsweg auf, der das Datenschutzproblem möglicherweise löst: Die Verwendung von Kameras, bei denen die Aufzeichnungen in kurzen Abständen dauerhaft überschrieben werden und eine Speicherung erst bei einer Kollision oder starken Verzögerung des Fahrzeugs ausgelöst wird.