In unserem Newsletter 01/2018 hatten wir davon berichtet, in welcher Höhe bei einer fiktiven Abrechnung die Stundenverrechnungssätze von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu erstatten sind. Wenn das Auto des Geschädigten älter als drei Jahre und nicht scheckheftgepflegt ist, verweisen die Versicherungen regelmäßig auf Referenzwerkstätten mit günstigeren Stundensätzen. Einige Gerichte, insbesondere auch das Oberlandesgericht (OLG) München (Urteil vom 13.09.2013, Az. 10 U 859/13), hielten dies dann für unzulässig, wenn im Sachverständigengutachten bereits (nur) die üblichen und durchschnittlichen Stundenverrechnungssätze des allgemeinen und regionalen Marktes festgehalten worden sind.
Höchstrichterlich geklärt war dieses Thema bislang noch nicht – jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 25.09.2018, Az. VI ZR 65/18 darüber entschieden.
In dem Fall des OLG München hatte der Sachverständige mittlere ortsübliche Sätze der Region München, nämlich die Sätze eines markenungebundenen Eurogarant-Betriebs, zugrunde gelegt. Die Frage, ob der Geschädigte sich unter diesen Umständen auf eine billigere Werkstatt verweisen lassen muss, hat das OLG München verneint. Dem OLG München sind einige Gerichte gefolgt (vgl. Newsletter 01/2018), und die geschädigtenfreundliche Rechtsprechung wurde von den Sachverständigen auch angewandt.
Dem hat der BGH jetzt ein Ende gesetzt – denn: Der Schädiger bzw. dessen Versicherer darf bei der fiktiven Abrechnung von Reparaturkosten bei Haftpflichtschäden auch dann auf die Preise einer konkret benannten anderen Werkstatt verweisen, wenn im Schadengutachten statt der Markenwerkstattpreise bereits ortsübliche mittlere Stundenverrechnungssätze die Kalkulationsgrundlage bildeten, so der BGH.
Unter dem für den BGH maßgeblichen Aspekt der Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 BGB ist das konsequent (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2017, Az. VI ZR 182/16). Zudem entspricht es der bisherigen Rechtsprechung zur fiktiven Abrechnung (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2003, Az. VI ZR 398/02). Demnach müssen die Preise der Verweiswerkstatt „(markt-)üblich“ sein. Hierunter ist eine Zugänglichkeit für Jedermann, also eine Betriebsüblichkeit, und gerade keine Üblichkeit im Sinne eines abstrakten Mittelwerts und auch keine Üblichkeit gem. § 632 Abs. 2 BGB zu verstehen. Der Durchschnittssatz der regionalen Stundensätze kann daher keine Begrenzung des Stundensatzes im Rahmen der fiktiven Abrechnung sein.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Fiktive Abrechnungen sind im Autohaus nicht gerade beliebt, da das Autohaus „nichts verdient“. Dennoch kann das Autohaus seinen Kunden bei Kenntnis der neuesten Rechtsprechung entsprechend beraten. Nachdem die Rechtsprechung des OLG München nun „überholt“ ist, entschließt sich vielleicht doch der ein oder andere Geschädigte wieder eher zu einer Reparatur als zu einer fiktiven Abrechnung.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Der Sachverständige sollte mit dem Geschädigten besprechen, ob der Geschädigte konkret oder fiktiv abrechnen will. Ebenso ist abzuklären, ob das Auto, sofern es älter als drei Jahre ist, in einer Markenwerkstatt scheckheftgepflegt ist. Bei einer fiktiven Abrechnung bei einem nicht scheckheftgepflegten Auto sollten weiterhin reale ortsübliche Stundensätze angesetzt werden. Es bleibt abzuwarten, wie die Versicherungen aufgrund des BGH-Urteils reagieren, insbesondere, ob auch dann ein Verweis erfolgt, wenn der Stundensatz im Gutachten nur knapp über dem der Referenzwerkstatt liegt. Erfolgen Verweise, muss der Geschädigte dann prüfen (lassen), ob diese wirksam sind.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Wenn der Geschädigte fiktiv abrechen will und sein Auto älter als drei Jahre und nicht in einer Markenwerkstatt scheckheftgepflegt ist, droht ihm ein Verweis auf eine Referenzwerkstatt. Diesen Verweis sollte der Geschädigte prüfen (lassen). Er ist nur wirksam, wenn die Reparatur in der freien Werkstatt qualitativ gleichwertig und diese ohne weiteres zugänglich ist. Zudem darf die Reparatur dort nicht nur aufgrund von Sonderkonditionen für den Kfz-Haftpflichtversicherer günstiger sein, sondern die günstigen Preise müssen jedem zugänglich sein.