

In unserem letzten Newsletter 05/2025 hatten wir herausgearbeitet, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Werkstatt- und Sachverständigenrisiko auch auf andere Schadenpositionen übertragen werden kann.
Heute schauen wir uns weitere „andere Schadenpositionen“ an.
Abschleppkosten
Die Abschleppunternehmen werden in der Regel nicht vom Geschädigten selbst beauftragt, dies geschieht meist durch die Polizei oder eine Notrufzentrale. Der Geschädigte hat somit auf die Entstehung und Höhe der Abschleppkosten und der Kosten für das Aufräumen und Reinigen der Unfallstelle keinen Einfluss. Für die Abschleppkosten sind die Grundsätze des Werkstattrisikos analog anzuwenden. Viele Gerichte reden auch vom „Hakenrisiko“, wenn es um die Erstattung der Abschleppkosten geht. Sofern der Geschädigte die Abschleppkosten noch nicht bezahlt hat, muss Zahlung an das Abschleppunternehmen, Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Rückforderungsansprüche gegen das Abschleppunternehmen aus der Ausschlepprechnung, verlangt werden. Sofern der Geschädigte die Rechnung über die Abschleppkosten schon selbst bezahlt hat – manche Abschleppunternehmen „geben das Auto nur gegen sofortige Zahlung frei“ – muss Zahlung an den Geschädigten verlangt werden, wiederum Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Rückforderungsansprüche gegen das Abschleppunternehmen aus der Ausschlepprechnung.
Standkosten
Wenn der Abschleppunternehmer das verunfalle Fahrzeug von der Unfallstelle auf sein Firmengelände abschleppt und es dort vorübergehend steht, entstehen Standkosten. Diese kann der Geschädigte weder in ihrer Entstehung noch der Höhe nach beeinflussen.
Das Werkstattrisiko kommt zur Anwendung. Es muss Zahlung an den Abschleppunternehmer, Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Rückforderungsansprüche gegen den Abschleppunternehmer an den Versicherer, verlangt werden.
Kann der Geschädigte auch hier auf eine Alltagserfahrung zurückgreifen? Ja, aber keine zu seinem Nachteil, denn: Eine gewerbliche Verwahrung von Fahrzeugen kostet immer Geld. Bzgl. der Höhe der Standkosten hat der BGH mit Urteil vom 05.02.2013, Az. VI ZR 363/11 festgehalten, dass die Kosten eines Parkhauses ein Anhaltspunkt sein können. Wenn der vor allem städtische Kunde die Standkosten damit vergleicht, sind die üblichen Standkosten (ca. 15 bis 20 Euro pro Tag) wohl im Rahmen der Lebenserfahrung.
Mietwagenkosten
Bei den Mietwagenkosten ist zu unterscheiden:
- Mietwagentarif
Grundsätzlich muss der Unfallgeschädigte vor Anmietung eines Mietwagens einen Preisvergleich anstellen und dann den günstigsten Mietwagen in Anspruch nehmen. Tut er das nicht, können die Gerichte den Mietwagentarif nach § 287 ZPO schätzen. Als gängige Schätzmethoden sind die Fraunhofer-Tabelle, die Schwacke-Liste und der Fracke-Tarif zu nennen. Entspricht die Mietwagenrechnung dann der Schätzmethode, kann der Unfallgeschädigte bei Kürzungen gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung klagen. Auf ein sog. „Mietwagenrisiko“ muss er sich nicht berufen.
- „Selbstfahrervermietfahrzeug“
Mietet der Geschädigte einen Mietwagen an, der nicht als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassen ist, erstatten die Versicherungen oft nur einen Werkstattersatztarif. Dieser ist deutlich niedriger als ein Mietwagentarif und liegt bei ca. 30 bis 35 Euro pro Tag. Ob der Mietwagen ein Selbstfahrervermietfahrzeug ist, kann und wird der Geschädigte aber vor Anmietung nicht wissen und kontrollieren. Daher unterfällt das dem „Mietwagenrisiko“. Der Geschädigte muss wiederum Zahlung an den Autovermieter Zug um Zug gegen Abtretung seiner Rückforderungsansprüche gegen den Vermieter verlangen.
- Dauer der Anmietung
Nimmt der Geschädigte für die Dauer der Reparatur einen Mietwagen und verzögert sich die Reparatur, kann der Geschädigte in der Regel nichts für die Verzögerung. Der Geschädigte hat keine Möglichkeit, die Arbeit der Werkstatt zu beschleunigen. Also ist auch das eine Position, auf die der Geschädigte keinen Einfluss hat und die vom Geschädigten nicht kontrollierbar ist. Verzögerungen bei der Reparatur des unfallbeschädigten Kfz, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, gehen daher zu Lasten des Schädigers. Der Geschädigte kann sich auf das Werkstattrisikoberufen. Auch hier ist Zahlung der Mietwagenkosten direkt an die Mietwagenfirma/Werkstatt, Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Rückforderungsansprüche gegen die Werkstatt auf Ersatz des durch die Verzögerung entstandenen Schadens, zu verlangen.
Zu diesem Themenbereich gibt es bereits ein aktuelles Urteil des AG Geestland vom 29.7.24, 3 C 54/24: „Es ist daher nach den Grundsätzen des Werkstattrisikos bzgl. der angefallenen Mietwagenkosten mit diesen 13 Ausfalltagen zu rechnen, wobei dahinstehen kann, ob eine andere Werkstatt hier vielleicht schneller gewesen wäre, da auch nicht ansatzweise erkennbar ist, dass den Kläger bei der Auswahl der Werkstatt ein Verschulden treffen würde oder aber er die Werkstatt nicht ausreichend überwacht hätte. Bei der Übergabe eines Pkw zur Reparatur an einen fachkundigen Dritten liegt die genaue Art und auch die Dauer der Reparatur nicht mehr in der Hand des Auftraggebers. Die Werkstatt wird ab dann so viel Zeit in Anspruch nehmen, wie sie braucht, um den Pkw wiederherzustellen. Diese Situation würde aber bei dem Schädiger, wenn er nach dem Leitgedanken des § 249 BGB die Reparatur selbst in Auftrag gegeben hätte, in gleichem Maße eintreten, wie sie beim Geschädigten eintritt. Auch der Schädiger hätte es nicht in der Hand, wie schnell die Reparatur in der Werkstatt ablaufen würde.
Für das Autohaus/Kfz-Werkstatt heißt das Folgendes:
Das Autohaus berechnet dem Geschädigten nicht nur die Reparaturkosten, sondern manchmal auch andere Positionen wie Mietwagen, Standgeld oder Abschleppkosten. Auch bei diesen Positionen kann sich der Geschädigte auf das Werkstattrisiko berufen und er erhält die Kosten erstattet. Allerdings muss er gegebenenfalls bestehende Ansprüche gegen das Autohaus im Rahmen des Vorteilsausgleichs an den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung abtreten. Aus dieser Abtretung kann die Versicherung dann gegen das Autohaus im Wege des Regresses vorgehen und die Kosten für nicht durchgeführte oder nicht erforderliche Arbeiten oder verschuldete Reparaturverzögerungen zurückfordern.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Die Geschädigte kann sich nicht nur bei den Reparaturkosten auf das sog. Werkstattrisiko berufen, sondern bei allen Schadensersatzpositionen, auf deren Entstehung und Höhe er keinen Einfluss hat, weil er die Abwicklung in die Hände Dritter gegeben hat. Das Werkstattrisiko gilt somit für die Abschleppkosten, die Standkosten und den Mietwagenkosten bzgl. der Dauer und der Frage, ob ein Selbstfahrervermietfahrzeug vorliegt. Im Rahmen des Vorteilsausgleichs muss der Geschädigte, sofern er die Rechnung noch nicht bezahlt hat, Zahlung an den jeweiligen Rechnungsaussteller, Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Rückforderungsansprüche gegen den Rechnungsaussteller aus der jeweiligen Rechnung, verlangen.
Allerdings ist der Geschädigte bei solchen Rechnungspositionen, bei denen er vergleichbare Preise aus dem Alltag kennt (wie Standkosten) zu einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. Sind die im Haftpflichtfall berechneten Preise erkennbar überhöht, kann sich der Geschädigte nicht auf das Werkstattrisiko berufen.