In den letzten Jahren wurden in Deutschland sukzessive Straßenkreuzungen zu Kreisverkehren umgebaut, um das Risikos von Unfällen im Kreuzungsbereich zu verringern und den Verkehrsfluss zu fördern. Verkehrsteilnehmer sollen durch die Straßenführung gezwungen werden, ihre Geschwindigkeit zu reduzieren. Mit Hilfe der besonderen Vorfahrtsregelung im Kreisverkehr sollen sich Einfahrende zudem gefahrlos in den fließenden Verkehr einreihen können.
Was aber, wenn es trotzdem zum Unfall im Kreisverkehr kommt? Wer haftet? Und welche Norm hat derjenige verletzt?
Gesetzliche Regelung
Im Kreisverkehr besteht nach § 8 Abs. 1 a StVO ein besonderes Vorfahrtsrecht für den Verkehr in der Kreisbahn immer dann – aber auch nur dann – wenn an der Einmündung in den Kreis die beiden Verkehrszeichen 215 (Kreisverkehr) und 205 (Vorfahrt gewähren) gemeinsam angebracht sind.
Fehlt zumindest eines der Zeichen, gelten die allgemeinen Vorfahrts- und Abbiegeregeln, was wiederum bedeutet: An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt, § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO.
Vorfahrtsberechtigt ist grundsätzlich derjenige, der die Zeichen passiert hat und in den Kreisverkehr eingefahren ist. Diesem gegenüber wartepflichtig sind die Kraftfahrzeuge, die noch nicht in den Kreisverkehr eingebogen sind. Dies gilt jedenfalls bei einem „normalen“ Verkehrsfluss.
Anscheinsbeweis zugunsten des Vorfahrtsberechtigten
Zur Vorfahrtsverletzung hat der Bundesgerichtshof (BGH) Folgendes festgehalten:
„Kommt es im Bereich einer vorfahrtsgeregelten Einmündung zu einer Kollision zwischen dem Wartepflichtigen und dem vorfahrtsberechtigten Verkehr, so spricht der Beweis des ersten Anscheins regelmäßig dafür, dass der Wartepflichtige den Unfall durch eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung verursacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.1975, Az. VI ZR 172/74; BGH, Urteil vom 15.06.1982, Az. VI ZR 119/81). Einfach ausgedrückt: Der erste Anschein spricht für eine Vorfahrtsverletzung des Wartepflichtigen. Dies gilt grundsätzlich auch bei Unfällen im Kreisverkehr.
Spezielle Situationen im Kreisverkehr
Im Kreisverkehr sind folgende Konstellationen zu unterscheiden:
- Der Anscheinsbeweis spricht für einen Vorfahrtsverstoß des Einfahrenden, wenn er mit einem auf der Kreisbahn fahrenden vorfahrtberechtigten Verkehrsteilnehmer kollidiert.
- Steht fest, dass der Einfahrende zum Zeitpunkt des Einfahrens in den Kreisverkehr noch nicht wartepflichtig war, da kein anderes Fahrzeug im Kreisverkehr ist, liegt von vornherein kein Vorfahrtsverstoß vor.
- Ist offen, welcher Unfallbeteiligte zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist, ist die Anwendung des Anscheinsbeweises strittig.
- Einige Gerichte wenden den Anscheinsbeweis an und folgern, dass im Regelfall ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden desjenigen spricht, in dessen Einmündungsbereich sich der Unfall ereignet hat (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12.03. 2015, Az.19 U 153/14; LG Saarbrücken, Urteil vom 28.03.2014, Az. 13 S 196/13; AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 24.5.2018, Az. 812 C 4/18).
- Andere Gerichte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.09.2016, Az. I-1 U 195/14; OLG Koblenz, Urteil vom 20.06.2016, Az. 12 U 312/15; LG Detmold, Urteil vom 22.12.2004, Az. 2 S 110/04) lehnen dies ab. Entscheidend für das Vorfahrtsrecht im Kreisverkehr sei, wer zeitlich zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist, und nicht, wer bereits die längere Strecke im Kreisverkehr zurückgelegt hat. Deshalb könne aus der räumlichen Zuordnung der Kollisionsstelle im Kreisverkehr zu den naheliegenden Einfahrten der Vorrang eines Unfallbeteiligten vor dem anderen nicht bestimmt werden. Vielmehr müsse sich jeder Fahrzeugführer auf das Einbiegen des anderen einstellen.
- Beschleunigt der gerade in einem engen Kreisverkehr Einfahrende stark, während nahezu gleichzeitig in Höhe der nächsten Einfahrt ein weiterer Pkw-Fahrer in den Kreisverkehr einbiegt, kann es an einem Verschulden des letztgenannten Einfahrenden fehlen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.11.1999, Az. 13 U 58/99).
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Für das Autohaus treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Vorfahrtsverletzungen im Kreisverkehr können eindeutig sein, müssen es aber nicht. Behauptet der Unfallgegner, dass beide gleichzeitig in den Kreisverkehr eingefahren seien oder der (links von ihm) Einfahrende zu schnell war, wird es – wie so häufig – im Prozess auf eine unfallanalytische Überprüfung hinauslaufen. Die Kosten für solch ein Gutachten muss der Geschädigte vorstrecken. Nachdem diese Kosten meist zwischen 2.000 und 3.000 Euro liegen, ist der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung sinnvoll. Diese übernimmt die Gutachterkosten auch dann, wenn der Prozess verloren geht.