

Seit nunmehr über einem Jahr können sich Unfallgeschädigte bzgl. der Erstattungsfähigkeit von Reparaturkosten auf das Werkstattrisiko, das der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteilen vom 16. 01.2024, Az. VI ZR 38/22, VI ZR 239/22, VI ZR 253/22, VI ZR 266/22 und VI ZR 51/23, festgehalten hat, berufen. Das heißt im Klartext:
Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Reparatur, ohne dass ihn ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden trifft, sind die Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen und damit nicht erforderlich nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind. Nicht erfasst vom Werkstattrisiko sind lediglich Reparaturen, die nur bei Gelegenheit der Instandsetzungsarbeiten mitausgeführt worden und somit nicht Teil der Reparatur der Unfallschäden sind oder Fahrzeugschäden, die nicht unfallbedingt sind.
Als Gegenzug muss der Geschädigte gegebenenfalls bestehende Ansprüche gegen die Werkstatt im Rahmen des Vorteilsausgleichs an den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung abtreten. Aus der Abtretung kann die gegnerische Haftpflichtversicherung dann gegen die Werkstatt im Wege des Regresses vorgehen und die Kosten für nicht durchgeführte oder nicht erforderliche Reparaturmaßnahmen zurückfordern.
In der Praxis sieht das so aus: Die Haftpflichtversicherung schreibt die Werkstatt zunächst außergerichtlich an und fordert die Rückzahlung von Reparaturkosten, gestützt auf einen Prüfbericht. Dieser wurde meist schon bei der Geltendmachung der Schadenersatzansprüche des Geschädigten gegenüber der Haftpflichtversicherung vorgelegt. Reagiert die Werkstatt nicht, kommt es immer häufiger zur Regressklage.
Für einen solchen Regress der Haftpflichtversicherung sollte die Werkstatt vorbereitet sein.
Was tun bei einer Regressforderung?
Zu beachten ist zunächst, dass die Haftpflichtversicherung auf Rückzahlung von dem durch den Unfallgeschädigten – nach Auffassung der Haftpflichtversicherung – zu viel bezahlten Werklohn klagt. Zu prüfen ist daher Werkvertragsrecht, insbesondere ob der Werklohn von der Werkstatt werkvertraglich zu Recht in Rechnung gestellt worden ist. Es geht also – soweit hinsichtlich der Kosten keine Vereinbarung vorliegt – um die Üblichkeit der Kosten nach § 632 Abs. 2 BGB.
Die Versicherung stützt ihre Forderung auf folgende Punkte:
1) Arbeitsschritt nicht ausgeführt, aber berechnet
Die Versicherung behauptet, dass die Werkstatt einen bestimmten Arbeitsschritt nicht ausgeführt, aber berechnet und für die Rechnungsstellung das Gutachten nur abgeschrieben hat. Für diesen Vortrag ist die Versicherung beweisbelastet. Sie muss also vortragen und unter Beweis stellen, welche Arbeitsschritte nicht gemacht worden sind.
Sollte sich herausstellen, dass die Werkstatt tatsächlich etwas berechnet hat, was nicht gemacht wurde, hat der Werkstattkunde einen Rückforderungsanspruch gegen die Werkstatt. Dieser Anspruch ist mit der Abtretung auf die Versicherung übergegangen, so dass die Rückforderung der Versicherung berechtigt wäre.
2) Arbeiten zu umfangreich ausgeführt
Oder die Versicherung trägt vor, dass die erledigten Arbeiten zu umfangreich ausgeführt wurden und stützt sich auf den Prüfbericht.
In so einem Fall sollte die Werkstatt nachweisen, dass der Geschädigte folgenden Auftrag erteilt hat: “Reparatur des Unfallschadens gem. des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen „(Name)“ vom „(Datum)“. Wird dieser Auftrag von der Werkstatt abgearbeitet werden, ist er erfüllt. Gegebenenfalls kann die Durchführung besonders strittiger und von den Versicherungen oft angegriffenen Reparaturpositionen (Verbringungskosten, Probefahrt, Endreinigung etc.) dokumentiert werden.
Liegt ein solcher Auftrag vor, ist es auch unerheblich, wenn die Versicherung mit der Behauptung, ein bestimmter Arbeitsschritt wäre überflüssig gewesen, richtig läge, denn der überflüssige Arbeitsschritt war beauftragt. Der Kunde kann aber nichts als überflüssig zurückfordern, wenn er es beauftragt hat und so kann es die Versicherung aus der Abtretung auch nicht. Zudem waren die als „überflüssig“ bezeichneten Arbeitsschritte im Schadengutachten vorgesehen.
3) Werkstatt hat zu hoch abgerechnet
Gegen die Behauptung der Versicherung, die Werkstatt hätte zu hoch abgerechnet, hilft eine Preisvereinbarung mit dem Kunden. Denn die Versicherung kann mit der Abtretung nur das zurückfordern, was auch der Kunde zurückfordern könnte. Wenn die Werkstatt aber mit dem Kunden die Preise vereinbart hat, geht der Einwand der Versicherung ins Leere. Die Preisvereinbarung geht nach § 632 Abs. 2 BGB der Üblichkeit vor, vgl. AG Cham, Urteil vom 03.01.2024, Az. 8 C 615/23.
Für die Werkstatt ist es am einfachsten, wenn die Preisbestandteile direkt im Auftrag, und nicht über einen Preisaushang vereinbart werden. Dies kann wie folgt aussehen:
„Preisbestandteile:
Stundenverrechnungssatz Karosserie netto
Stundenverrechnungssatz Lackierung netto
Lackmaterialzuschlag
Ersatzteilaufschlag
Verbringung zum Lackierer netto
Probefahrt nach Zeitaufwand nach jeweiligem Stundenverrechnungssatz
Reinigungskosten nach Zeitaufwand mit jeweiligen Stundenverrechnungssatz
Standkosten im Freien/in der Halle täglich netto“
4) Werkstatt hätte Gutachten überprüfen müssen
Eine weitere Behauptung lautet, dass ein bestimmter Arbeitsschritt von der Werkstatt ausgeführt worden sei, der nicht notwendig war, da die Werkstatt sich nicht an das Sachverständigengutachten hätte halten dürfen.Der Werkstatt wird also vorgeworfen, dass sie nicht auf das Sachverständigengutachten vertrauen darf, sondern dieses überprüfen und den Auftraggeber beraten muss.
Die überwiegende Rechtsprechung sieht jedoch keine Beratungspflicht bei der Werkstatt.
Denn: „Vorgerichtliche Gutachten in Unfallsachen dienen gerade einer unabhängigen Ermittlung der Schadenhöhe bzw. der erforderlichen Kosten, insbesondere unabhängig von einem etwaigen Interesse einer Werkstatt an einer möglichst hohen Vergütung. Die Einholung eines vorgerichtlichen Gutachtens wäre überflüssig und sinnwidrig, wenn der Auftrag an die Werkstatt dann lauten würde, das Gutachten außer Acht zu lassen und die Arbeiten auszuführen, die die Werkstatt für sinnvoll hält. Im Übrigen liegt dem Konzept der Schadenregulierung zugrunde, dass der Schadengutachter mehr Sachkunde habe als die Werkstatt“, vgl. AG Duisburg-Hamborn, Urteil vom 13.10.2023, Az. 23 C 199/23.
Ebenso sehen dies das AG Kronach, Urteil vom 05.03.2020, Az. 2 C 10/20, und das AG Kempten/Allgäu, Urteil vom 18.05.2022, Az. 7 C 1119/21. Der Geschädigte darf sich grundsätzlich auf die Richtigkeit des Sachverständigengutachtens verlassen. Die Werkstatt verletzt bei einer Reparatur nach Gutachten keine Aufklärungs- und/oder Hinweispflichten und darf den Auftrag „Reparatur wie vom Gutachter vorgesehen“ abarbeiten, ohne eigene Prüfungen anzustellen.
Wenn der Kunde die Reparatur gemäß Gutachten beauftragt, bedarf er der Fürsorge der Werkstatt nicht; eine Beratungspflicht der Werkstatt scheidet daher aus (vgl. AG Cham, Urteil vom 03.01.2024, Az. 8 C 615/23, AG Forchheim, Urteil vom 09.02.2023, Az. 70 C 568/22).
Nun wird auch deutlich, warum es unerlässlich ist, dass der Geschädigte immer einen Sachverständigen mit der Feststellung der Schadenshöhe beauftragt (außer es liegt ein Bagatellschaden vor) und ein Kostenvoranschlag der Werkstatt nicht ausreicht. Sowohl der Geschädigte als auch die Werkstatt dürfen sich auf das Sachverständigengutachten des unabhängigen Dritten verlassen. Damit ist sowohl der Geschädigte im Schadensersatzprozess als auch die Werkstatt im Regressprozess geschützt. Ein von der Werkstatt selbst erstellter Kostenvoranschlag der Werkstatt reicht nicht, da es keinen Rechtsgrundsatz gibt, dass man sich auf sich selbst verlassen darf.
Die Versicherung muss die Werkstatt – sollte es zu einer Klage kommen – an dem Gericht auf Rückzahlung verklagen, in dessen Bezirk der Geschäftssitz der Werkstatt liegt. Für die Werkstatt hat das den Vorteil, dass man nach ein paar Prozessen die Rechtsauffassung des Gerichts kennt. Ist die für die Werkstatt günstig, kann diese den Rückforderungen der Versicherung gelassen entgegensehen.
Zu beachten ist noch, dass nach § 634a BGB Ansprüche der Haftpflichtversicherung im Regressverfahren in 2 Jahren verjähren. Die Frist beginnt ab Abnahme des Werks. Sind also die Reparaturleistungen abgerechnet bzw. das Werk zweieinhalb Jahre vor Klageeinreichung abgenommen worden, sind Ansprüche aus dem Werkvertrag verjährt, vgl. AG Gotha, Urteil vom 21.01.2025, 22 C 602/24.
Für das Autohaus/Kfz-Werkstatt heißt das Folgendes:
Da die Kürzung des Ersatzanspruchs des Geschädigten aufgrund der Werkstattrisikos nicht mehr möglich ist (Ausnahme bei Laienerkennbarkeit), werden die Regresse weiter zunehmen. Für einen solchen Regress der Haftpflichtversicherung gegen das Autohaus/Kfz-Werkstatt sollte das Autohaus vorbereitet sein und folgendes beachten:
- Immer Sachverständigengutachten einholen (außer bei Reparaturkosten unter 1000 Euro netto) und keinen Kostenvoranschlag
- Auftrag des Geschädigten einholen: Reparatur des Unfallschadens gem. des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen …. vom ….
- Preisvereinbarung mit in den Auftrag aufnehmen
- Die Durchführung besonders strittiger und von den Versicherungen oft angegriffenen Reparaturpositionen (Verbringungskosten, Probefahrt, Endreinigung etc.) dokumentieren
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Für den Geschädigten treten hier keine Besonderheiten auf.