Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall geht es dem Geschädigten darum, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung die Haftungsübernahme möglichst schnell bestätigt und sein Unfall reguliert wird. Denn aus Sicht des Geschädigten ist meist „alles klar“.
Aber wie lange hat die gegnerische Haftpflichtversicherung denn eigentlich Zeit, ihre Eintrittspflicht zu bestätigen? Gibt es hierfür feste Fristen?
Bei der Regulierung von Unfallschäden ist dem Kfz-Versicherer grundsätzlich eine Prüffrist zuzubilligen, so das OLG Saarbrücken mit Beschluss vom 19.11.2017, Az. 4 W 16/17. Eine solche Frist wird zugebilligt, da diese im Interesse der Gesamtheit der pflichtversicherten Kfz-Halter liegt, die über ihre Prämien die Unfallschäden im Ergebnis zu tragen haben. Deshalb muss insoweit das Interesse des Geschädigten an einer möglichst schnellen Schadensregulierung zurücktreten (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 31.01.2012, Az. I-24 W 69/11).
Das OLG Saarbrücken hat im o.g. Beschluss einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen als angemessene Prüffrist angesehen; ebenso haben entschieden das OLG Saarbrücken mit Beschluss vom 09.02.2010, Az. 4 W 26/10, das OLG Köln mit Beschluss vom 31.01.2012, Az. I-24 W 69/11 und das OLG Frankfurt mit Beschluss vom 02.12.2014, Az. 7 W 64/14. Das LG Zweibrücken beispielsweise hat mit vom Urteil vom 16.10.2015, Az. 2 O 104/15 dem Versicherer nur eine Prüffrist von vier Wochen zugestanden.
Die Prüffrist beginnt mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens beim Haftpflichtversicherer. Darin muss der Geschädigte Angaben zum Unfallhergang machen, also Angaben zum Unfallort, Unfallzeit und eine grobe Darstellung des Unfallhergangs. Ein gemeinsamer an Ort und Stelle ausgefüllter Unfallbericht erfüllt diese Anforderungen beispielsweise.
Starre oder feste Regeln für die Länge der Prüffrist gibt es aber keine. Bei einem komplexen Unfallhergang, bei Auslandsberührung oder auch bei mehreren dazwischenliegenden Feiertagen kann sich der Zeitraum verlängern. Gleiches gilt, wenn die Haftpflichtversicherung konkrete Unterlagen anfordert und deren Eingang abwartet, ohne dass der Geschädigte widerspricht. Keine Verlängerung rechtfertigt hingegen grundsätzlich die beabsichtigte Einsicht in die polizeiliche Ermittlungsakte. Selbst dann kann es aber nach Treu und Glauben geboten sein, dass der Geschädigte, wenn er einerseits an der Ermöglichung der Einsicht mitwirkt und dem Verlangen des Haftpflichtversicherers nicht widerspricht, die Prüfungsfrist so zu verlängern, dass der Versicherer in angemessen kurzer Frist die ihm zugeleiteten Unterlagen zur Kenntnis nehmen und dann (umgehend) regulieren kann (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.12.2014, Az. 7 W 64/14).
Das OLG Frankfurt hat mit Beschluss vom 06.02.2018, Az. 22 W 2/18, der gegnerischen Haftpflichtversicherung sogar nur eine Prüffrist von maximal vier Wochen zugebilligt. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass auch der technische Fortschritt in der Schadenssachbearbeitung zu berücksichtigen sei, weshalb deutlich kürzere Fristen zu erwägen seien (vgl. ebenso OLG München, Beschluss vom 26.02.2018, Az. 10 W 270/18).
Wird eine Klage vor Ablauf der Prüffrist eingereicht, birgt das für den Geschädigten die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung zwar ein sofortiges Anerkenntnis abgibt, der Geschädigte aber die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Nach § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) muss die beklagte Partei nämlich die Kosten bei einem Anerkenntnis nur tragen, wenn sie zur Klage Veranlassung gegeben hat. Dies ist vor Ablauf der Prüffrist aber nicht der Fall.
Für das Autohaus heißt das Folgendes:
Sollte das Autohaus zusammen mit dem Geschädigten den Unfall aufnehmen, ist darauf zu achten, dass alle wichtigen Angaben zum Unfall vorliegen und entweder an die Haftpflichtversicherung oder an den Rechtsanwalt des Geschädigten übermittelt werden. Dieser kann dann zeitnah ein spezifiziertes Anspruchsschreiben an die gegnerische Versicherung versenden und somit die Prüffrist in Gang setzen.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Für den Sachverständigen treten hier keine Besonderheiten auf. Er erstellt sein Gutachten wie immer. Zur alleinigen Bestätigung der Eintrittspflicht muss das Gutachten noch nicht vorgelegt werden. Der Beginn der Prüffrist ist unabhängig hiervon. Liegt das Gutachten vor, kann der Schaden im Anspruchsschreiben bereits vorläufig beziffert werden.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Der Geschädigte sollte alle wesentlichen Unfalldaten parat haben und diese am besten seinem Rechtsanwalt weitergeben. Dann kann dieser das Anspruchsschreiben verfassen, so dass die Prüffrist der Versicherung zu laufen beginnt. Nach einer Frist von vier bis sechs Wochen kann frühestens Klage eingereicht werden, sofern es sich um einen einfach gelagerten Unfall handelt und die Versicherung gar nicht reagiert.