Seit nunmehr über einem Jahr können sich Unfallgeschädigte bzgl. der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten auf das Sachverständigenrisiko, das der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 12.03.2024, Az. VI ZR 280/22, festgehalten hat, berufen. Das heißt im Klartext:
Sobald der Geschädigte den Gutachtensauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände des Sachverständigen gegeben hat, sind seinen Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten auch im werkvertraglichen Verhältnis mit dem Sachverständigen Grenzen gesetzt. Ersatzfähig im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger sind demnach auch diejenigen Rechnungspositionen des Sachverständigen, die ohne Schuld des Geschädigten etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise unangemessen, mithin nicht zur Herstellung erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind.
Als Gegenzug muss der Geschädigte gegebenenfalls bestehende Ansprüche gegen den Sachverständigen im Rahmen des Vorteilsausgleichs an den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung abtreten. Aus der Abtretung kann die gegnerische Haftpflichtversicherung dann gegen den Sachverständigen im Wege des Regresses vorgehen und eine zu hohe Zahlung zurückfordern.
In der Praxis sieht das so aus: Die Haftpflichtversicherung schreibt den Sachverständigen zunächst außergerichtlich an und fordert die Rückzahlung von Honorar, gestützt auf einen Prüfbericht. Dieser wurde meist schon bei der Geltendmachung der Schadenersatzansprüche des Geschädigten gegenüber der Haftpflichtversicherung vorgelegt. Reagiert der Sachverständige nicht, kommt es immer häufiger zur Regressklage.
Für einen solchen Regress der Haftpflichtversicherung sollte der Sachverständige vorbereitet sein.
Was tun bei einer Regressforderung?
Zu beachten ist zunächst, dass die Haftpflichtversicherung auf Rückzahlung von dem durch den Unfallgeschädigten – nach Auffassung der Haftpflichtversicherung – zu viel bezahlten Werklohn klagt. Zu prüfen ist daher Werkvertragsrecht, insbesondere ob der Werklohn vom Sachverständigen werkvertraglich zu Recht in Rechnung gestellt worden ist. Es geht also – soweit hinsichtlich der Kosten keine Vereinbarung vorliegt – um die Üblichkeit der Kosten nach § 632 Abs. 2 BGB.
Ein Argument der Versicherung ist:
1. Das berechnete Grundhonorar und die Nebenkosten sind nicht üblich
Dem kann der Sachverständige wie folgt entgegnen.
- Honorarvereinbarung
Am besten schließt der Sachverständige mit dem Geschädigten eine Honorarvereinbarung ab. Eine solche Vereinbarung geht der Üblichkeit vor, § 632 Abs. 2 BGB. In dieser wird vereinbart, dass der Sachverständige sein Honorar auf Grundlage der Schadenshöhe berechnet. Am besten fügt der Sachverständige eine Tabelle bei, aus der das jeweilige Honorar entsprechend der Schadenshöhe sowie die Nebenkostenpositionen ersichtlich sind.
Diese Preisvereinbarung darf allerdings das Übliche nicht nennenswert überschreiten. Ist sie an die BVSK-Honorarbefragung angelehnt, dürfte dies dem Üblichen entsprechen. Mit der Vereinbarung, nach Schadenshöhe abzurechnen, dürfte fürs erste auch das Argument der Versicherungen, der Sachverständige müsse nach Zeithonorar abrechnen, entkräftet sein.
- Honorar berechnet nach der BVSK-Honorarbefragung
Hat der Sachverständige keine Honorarvereinbarung abgeschlossen, sollte er sein Honorar nach der BVSK-Honorarbefragung berechnen. Damit ergibt sich die Üblichkeit aus der BSVK-Honorarbefragung, weil die der Mehrzahl der Schadengutachter als Orientierung dient. Ein Verweis auf eine versicherungseigene Tabelle widerspricht den Grundsätzen der Dispositionsfreiheit und der Ersetzungsbefugnis.
Selbst wenn der Sachverständige sich an der BVSK-Honorarbefragung orientiert, aber leicht höher liegt als der Durchschnitt, ändert dies nichts. Denn der Durchschnitt ist nicht die Obergrenze, sondern setzt sich aus niedrigeren und höheren Werten zusammen. So hat auch der BGH zur Üblichkeit festgehalten (Urteil vom 04.04.2006, Az. X ZR 122/05): „Darüber hinaus ist die übliche Vergütung regelmäßig nicht auf einen festen Betrag oder Satz festgelegt, sondern bewegt sich innerhalb einer bestimmten Bandbreite, neben die darüber hinaus aus der Betrachtung auszuscheidende und daher unerhebliche “Ausreißer” treten können“.
Damit wird alles, was in der Bandbreite der BVSK-Befragung liegt, von der Üblichkeit getragen.
Ein anderes Argument der Versicherung ist:
2. Der Schaden ist niedriger als vom Sachverständigen kalkuliert
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 24.10.2017, Az. VI ZR 61/17) berechnet sich das Grundhonorar des Sachverständigen nach dem Wert der zutreffend festgestellten Höhe des Schadens.
Die Haftpflichtversicherung will auf Grundlage eines Prüfberichts, der zu einem niedrigeren Schaden als vom Sachverständigen kalkuliert führt, das Honorar nach dem niedrigeren Schaden berechnen und fordert den zu viel bezahlten Betrag zurück.
Ist der Schaden in der Tat niedriger, als vom Sachverständigen kalkuliert, liegt die Versicherung richtig. Denn auch der BGH sagt im o.g. Urteil: „Maßgebliche Größe für die Ableitung der Höhe des Honorars ist der vom Sachverständigen ermittelte Schadensaufwand aber nur, wenn er zutreffend ermittelt ist.“
Der Sachverständige muss also selbstkritisch anhand des Prüfberichts prüfen, ob der Angriff des Versicherers berechtigt ist.
Gerichtsstand und Verjährung
Die Versicherung muss den Sachverständigen – sollte es zu einer Klage kommen – an dem Gericht auf Rückzahlung verklagen, in dessen Bezirk der Geschäftssitz des Sachverständigen liegt. Für den Sachverständigen hat das den Vorteil, dass er nach ein paar Prozessen die Rechtsauffassung des Gerichts kennt. Ist die für den Sachverständigen günstig, kann dieser den Rückforderungen der Versicherung gelassen entgegensehen.
Zu beachten ist noch, dass nach § 634a BGB Ansprüche der Haftpflichtversicherung im Regressverfahren in 2 Jahren verjähren. Sind also die Gutachterleistungen abgerechnet, verjähren Ansprüche aus dem Werkvertrag nach 2 Jahren.
Für das Autohaus/Kfz-Werkstatt heißt das Folgendes:
Für das Autohaus treten hier keine Besonderheiten auf.
Für den Sachverständigen heißt das Folgendes:
Da die Kürzung des Ersatzanspruchs des Geschädigten aufgrund des Sachverständigenrisikos nicht mehr möglich ist (Ausnahme bei Laienerkennbarkeit), werden die Regresse weiter zunehmen. Für einen solchen Regress der Haftpflichtversicherung gegen den Sachverständigen sollte der Sachverständige vorbereitet sein und folgendes beachten:
- mit dem Geschädigten eine Honorarvereinbarung abschließen,
- vereinbaren, dass das Honorar auf Grundlage der Schadenshöhe berechnet wird,
- eine Tabelle beifügen, aus der das jeweilige Honorar entsprechend der Schadenshöhe sowie die Nebenkostenpositionen ersichtlich sind,
- dabei sollte die Preisvereinbarung das Übliche nicht nennenswert überschreiten und an die BVSK-Honorarbefragung angelehnt sein.
Wenn der Sachverständige keine Honorarvereinbarung abgeschlossen hat, sollte sich sein Honorar an der BVSK-Tabelle orientieren.
Für den Geschädigten heißt das Folgendes:
Für den Geschädigten treten hier keine Besonderheiten auf.