Nach einem Verkehrsunfall kann der Geschädigte vom Unfallverursacher Schadensersatz für Sachschäden verlangen. Neben den reinen Fahrzeugschäden gibt es eine Reihe von möglichen Folgeschäden, die hier erläutert werden sollen.
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Verkehrsunfall: Anwaltskosten als Schadensposition?
Die Anwaltskosten werden im Haftpflichtfall von der Versicherung des Unfallverursachers übernommen. Das gilt für den privaten, aber auch für den geschäftserfahrenen Unfallgeschädigten, wie ein Richter am Amtsgericht in Dortmund sehr bildhaft beschrieben hat (Az. 431 C 2044/09):
„Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nach Auffassung des seit fast 30 Jahren mit Verkehrsunfallhaftpflichtfragen befassten Richters jeder Verkehrsunfallgeschädigte gut beraten, die Regulierung selbst kleiner Schäden wie der vorliegend angemeldeten und dann auch regulierten 645,13 Euro Sachschadenersatz von Anfang an in die Hand eines erfahrenen Rechtsanwalts zu geben. (…) Da die Haftpflichtversicherer bei der Schadenregulierung inzwischen geradezu systematisch fast jede übliche Schadensposition in zahlreichen Zivilprozessen zum Gegenstand umfangreicher Auseinandersetzungen machen, muss auch der geschäftserfahrene Geschädigte stets auf der Hut sein und befürchten, dass eine Schadensposition, die noch gestern anerkannt worden wäre, von der gegnerischen Versicherung jetzt nicht mehr akzeptiert wird. (….)“.
Professionelle Unfallregulierung auch für Fahrzeugflotten, Fuhrunternehmen etc.
Auch Fuhrunternehmen und Fahrzeugflotten dürfen zur Regulierung eines Verkehrsunfalls anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Dies haben zum Beispiel das AG Freiburg (Urteil v. 28.06.2016, Az. 5 C 643/16), das AG Nürnberg (Urteil v. 05.12.2016, Az. 20 C 6406/16), das AG Siegen (Urteil v. 05.12.2016, Az. 14 C 1512/16) und auch das AG Eisenach (Urteil v. 07.11.2016, Az. 57 C 175/16) entschieden. Die wesentlichen Argumente der Gerichte waren: Aufgrund der zum Teil nicht mehr nachvollziehbaren Kürzungen der Versicherer gäbe es keinen „einfachen Verkehrsunfall“ mehr.
Auch erfahrene Firmenkunden haben Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten. Denn mit Streit um die Höhe des Schadens sei jederzeit zu rechnen. Auch sei nicht vorhersehbar, ob die Versicherungen ohne Weiteres ihrer Ersatzpflicht in vollem Umfang nachkommen werden (so AG Melsungen, Urteil v. 07.07.2016, Az. 4 C 143/16; AG Wiesbaden, Urteil vom 23.05.2016, Az. 93 C 60/16; AG Bad Neustadt a.d. Saale, Urteil vom 23.06.2016, Az. 1 C 35/16).
Gleiches gilt für Leasinggesellschaften. Das AG Darmstadt hat dies damit begründet, dass die Rechtsprechung zu den einzelnen Schadenspositionen und die Zahl der dazu ergangenen Urteile kaum noch zu überblicken sei (AG Darmstadt, Urteil vom 20.04.2017, Az. 316 C 273/16). Anders hat das AG Kenzigen argumentiert: Die Leasinggesellschaft dürfe sich dem Grundsatz der Waffengleichheit folgend einen Anwalt nehmen, da auch der Versicherer über spezialisierte Juristen verfüge (AG Kenzingen, Urteil v. 23.05.2017, Az. 1 C 20/17).
Feinstaubplakette / Umweltplakette Teil des ersatzfähigen Schadens?
Bei unverschuldeten Haftpflichtschäden kürzen Versicherer gerne an kleineren Posten. In der Summe rentiert sich das für die Versicherer, vor allem, weil sie damit rechnen, dass sich die Geschädigten nicht wehren.
Ein solch kleinere Position ist beispielsweise die Feinstaubplakette. Autofahrer benötigen diese, um in Städte und Gemeinden, die Umweltzonen eingerichtet haben, hineinfahren zu dürfen. Die Plakette ist an der Windschutzscheibe anzubringen und kann nicht wiederverwendet werden.
Nach einem Austausch der Frontscheibe müssen Autobesitzer daher eine neue Umweltplakette kaufen, sie haben keinen Anspruch auf einen kostenlosen Ersatzaufkleber.
Wenn wegen eines unverschuldeten Unfalls die Frontscheibe ausgetauscht werden muss oder ein Ersatzfahrzeug eine neue Plakette benötigt, sind die Kosten für die Plakette ersatzfähig. Der Geschädigte kann den von Werkstätten und Kfz-Prüfstationen berechneten Betrag vom Schädiger erstattet verlangen.
Inkassokosten als Schadensposition?
Inkassokosten stellen bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall grundsätzlich keine Schadensersatzposition da. Inkassokosten wären nur erstattungsfähig, sofern nachweislich zum Zeitpunkt der Beauftragung des Inkassounternehmens mit der Geltendmachung der Schadenersatzansprüche bereits Verzug eingetreten wäre.
Ungeachtet dessen müssen Kosten für die Einschaltung eines Inkassounternehmens nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich sein. Genau das dürfte meist nicht der Fall sein: Das Inkassounternehmen nimmt nämlich, anders als ein Rechtsanwalt, keine inhaltliche Prüfung des Schadenersatzanspruchs vor und begründet diesen nicht gegenüber der gegnerischen Versicherung. Die Chance, dass die gegnerische Versicherung von ihrer bisherigen Rechtsauffassung abweicht, ist daher gering. Durch die Abgabe der Forderung an ein Inkassounternehmen werden daher unnötige, zusätzliche Kosten geschaffen und der Geschädigte verstößt gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht.
Es ist für den Geschädigten bereits absehbar, dass es trotz Einschaltung des Inkassounternehmens zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen wird, für die er dann ohnehin einen Rechtsanwalt beauftragen muss (vgl. BGH, Beschluss v. 20.10.2005, VII ZB 53/05; AG Brandenburg, Urteil v. 27.08.2012, Az. 31 C 266/11; AG Dieburg, Urteil v. 20.07.2012, Az. 20 C 646/12).
Merkantiler Minderwert: Wer ersetzt den Wertverlust des Fahrzeugs?
Neben dem reinen Fahrzeugschaden am Kfz gibt es bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall eine weitere Schadensposition: die Beeinträchtigung des Fahrzeugwerts. Diese wird als Minderwert oder auch als Wertminderung bezeichnet. Zu unterscheiden ist dann zudem zwischen dem technischen und dem merkantilen Minderwert.
Ein technischer Minderwert liegt vor, wenn trotz durchgeführter Reparatur nicht alle Schäden am Unfallfahrzeug in technisch einwandfreier Art und Weise beseitigt werden konnten. Aufgrund der fortschreitenden Reparaturtechnik sind diese Fälle mittlerweile aber äußerst selten geworden.
Wesentlich häufiger ist der merkantile Minderwert. Dabei handelt es sich um den Makel, den das Fahrzeug trotz einer fachgerechten Reparatur dadurch behält, dass es nunmehr als Unfallfahrzeug qualifiziert wird. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt werden die Unfallfahrzeuge gegenüber unfallfreien Fahrzeugen erfahrungsgemäß mit Preisabschlägen gehandelt. Der Minderwert soll diesen Abschlag ausgleichen.
So hat auch der Bundesgerichtshof festgestellt: „Der Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung, dass auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge einen geringeren Preis erzielen, als unfallfreie, weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadenanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht, trifft trotz aller Fortschritte der Reparaturtechnik nach wie vor zu, zumal die technische Entwicklung im Fahrzeugbau insoweit auch höhere Anforderungen stellt.“, BGH, Urteil v. 23.11.2004, Az. VI ZR 357/03.
Diese Reduzierung des Wertes des reparierten Fahrzeugs entsteht bereits mit dem Unfall und nicht erst mit dem späteren Verkauf.
Eine Wertminderung gibt es auch für Lkw, Bus und Transporter (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2004, VI ZR 357/03; AG Hamburg, Urteil v. 22.02.2007, Az. 51b C 134/06; AG Nürnberg, Urteil v. 24.07.2008, Az. 20 C 1630/08 und AG Hamburg-Altona, Urteil v. 02.04.2013, Az. 318c C 274/12) und für Fahrschulwagen (AG Nürnberg, Urteil v. 20.01.2009, Az. 31 C 5330/08).
Berechnung merkantiler Minderwert
Die Bestimmung der Höhe des merkantilen Minderwertes war schon immer – und wird wohl weiterhin – ein Dauerbrenner in der Unfallregulierung sein. Es gibt mindestens 16 verschiedene Berechnungsmethoden und -formeln, und jede kommt bei Eingabe der Eckdaten zu einem anderen Ergebnis. Das allein zeigt die Schwäche eines jeden Berechnungsversuchs.
Gerichte wenden des Öfteren die Tabelle von Ruhkopf/Sahm an. Maßgebliche Faktoren für die Berechnung des merkantilen Minderwertes sind hier das Alter, die Schadenshöhe und der Zeitwert des Fahrzeugs. Die jeweiligen Werte werden dann nochmals prozentual zueinander ins Verhältnis gesetzt.
Eine Wertminderung lässt sich aber nicht formelhaft „berechnen“. Vielmehr muss die tatsächliche Situation am Markt geprüft werden. Daher sollte die Wertminderung von einem Sachverständigen geschätzt werden. Dabei gibt es immer eine Bandbreite, innerhalb derer sich der Sachverständige festlegt. Das bedeutet auch: Wenn 500 Euro Wertminderung richtig sind, wären 400 oder 600 Euro wohl auch nicht falsch gewesen.
Ein wichtiger Faktor für die Bestimmung der Wertminderung durch den Sachverständigen ist die Kenntnis des Marktes: Ist ein Fahrzeug selten und daher gesucht, hat der Verkäufer bessere Karten und muss sich nicht auf große Preisabschläge einlassen. Die Wertminderung wird daher geringer ausfallen. Gibt es aber ein großes Überangebot an unfallfreien Fahrzeugen, schlägt der reparierte Unfall weit deutlicher auf den Preis durch. Die Wertminderung wird daher höher ausfallen.
Dabei gibt es weder starre Alters- noch Kilometergrenzen, so auch das OLG Düsseldorf: „Zu berücksichtigen ist, dass auch bei älteren Fahrzeugen mit hoher Laufleistung sich ein Unfall nachteilig auf die Preisbildung bei einem Verkauf auswirkt. Denn auch beim Verkauf älterer Fahrzeuge pflegt ein Käufer nach der Unfallfreiheit zu fragen und erwartet einen deutlichen Preisnachlass, wenn die Frage verneint werden muss.“, Urteil v. 27.03.2012, Az. I-1 U 139/11.
Wertminderung bei fiktiver Abrechnung
Eine Wertminderung kann auch bei der fiktiven Abrechnung geltend gemacht werden. Wenn ein Autohaus ein verunfalltes Fahrzeug unrepariert in Zahlung nimmt, sind die von der gegnerischen Haftpflichtversicherung erwarteten Beträge meist Teil des Kaufpreises für das Fahrzeug, das der Geschädigte ersatzweise angeschafft.
Insoweit es für den Geschädigten von Bedeutung, dass er auch bei einer fiktiven Abrechnung die Erstattung der Wertminderung verlangen kann (vgl. auch AG Starnberg, Urteil v. 16.11.2017, Az. 7 C 609/17, AG Lindau, Urteil v. 18.03.2019, Az. 1 C 249/18; LG Regensburg, Urteil v. 26.02.2019, Az. 22 S 90/18).
Für den Fall, dass der Geschädigte zuerst auf Basis eines Kostenvoranschlags abgerechnet hat und dann feststellt, dass ihm dabei die Wertminderung entgeht, kann er einen Sachverständigen isoliert mit der Ermittlung des merkantilen Minderwerts beauftragen. Der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer muss die Kosten dafür erstatten, vgl. AG Ulm, Urteil v. 26.10.2017, Az. 1 C 1097/17.
Ölbeseitigungskosten nach Unfall: erstattungsfähig?
Zu den erstattungsfähigen Kosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall zählen auch die Kosten für die Beseitigung von Ölspuren oder anderen Verschmutzungen auf der Fahrbahn (sog. Ölbeseitigungskosten).
Geschädigter in diesem Fall ist der Träger der Straßenbaulast. Ihm gegenüber muss die Firma, die die Straße reinigt – oft machen das die Abschleppunternehmen – abrechnen. Der Träger der Straßenbaulast kann dann den Rechnungsbetrag bei der gegnerischen Versicherung geltend machen.
Der BGH hat zu den erforderlichen Kosten der Beseitigung einer Ölspur wie folgt Stellung genommen: Weil durch Ölspuren die Verkehrssicherheit beeinträchtigt und daher Eile geboten ist, darf die zuständige Straßenmeisterei ohne weitere Prüfung den örtlichen Unternehmer, der diese Leistung anbietet, beauftragen. Dass keine große Konkurrenz am Ort besteht, weil die Maschinen teuer sind und die Straßenmeistereien eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit verlangen, ist hinzunehmen. Die Vorlage der jeweiligen (bezahlten) Rechnung durch die Behörde lässt ohne Weiteres auf die schadenrechtliche Erforderlichkeit der damit berechneten Kosten schließen. Die Gerichte müssen im Streitfall daher keine Gutachten einholen, ob die Kosten angemessen sind oder ob es irgendwie auch günstiger gegangen wäre, vgl. BGH, Urteil v. 15.09.2015, Az. VI ZR 475/14.
Restbenzin im Tank als Schadensposition?
Ist das verunfallte Auto ein Totalschaden und wird zum Restwert verkauft, kommt es mitunter vor, dass sich noch Treibstoff im Tank befindet. Für diesen Treibstoff hat der Geschädigte bezahlt, kann ihn jetzt aber nicht weiter nutzen. Nicht zuletzt wegen gestiegener Spritpreise ist diese Schadensposition mittlerweile ein Dauerbrenner, der verstärkt auch die Gerichte beschäftigt.
Veröffentlichte obergerichtliche Rechtsprechung ist rar, die Spruchpraxis der Amts- und Landgerichte sehr unterschiedlich. Nach Ansicht einiger Gerichte ist der restliche Treibstoff beim Totalschaden zu ersetzen, so z.B. AG Minden, Urteil v. 23.09.2016, Az. 19 C 30/16; AG Regensburg, Urteil v. 14.06.2016, Az. 3 C 1136/16; AG Meschede, Urteil v. 10.11.2015, Az. 6 C 129/15; AG Solingen, Urteil v. 18.06.2013, Az. 12 C 638/12; AG Germersheim, Urteil v. 08.03.2012, Az. 1 C 473/11; AG Landau/Pfalz, Urteil v. 26.08.2011, Az. 4 C 236/11; AG Pforzheim, Urteil v. 31.08.2007, Az. 5 C 23/07; LG Hagen, Urteil v. 19.10.2015, Az. 4 O 267/13; LG Kiel, Urteil v. 19.07.13, Az. 13 O 60/12.
Dem Geschädigten sei nicht zuzumuten, den Treibstoff abzuzapfen und zu verkaufen. Zum Nachweis, wie viel Benzin noch im Tank war, empfiehlt es sich, ein Foto der Tankanzeige in das Schadengutachten mit aufzunehmen.
Für andere Gerichte hingegen ist der Treibstoff im Tank kein erstattungsfähiger Schaden. Begründet wird dies unterschiedlich: Nach einer Ansicht ist der zur Unfallzeit im Tank befindliche Kraftstoff Teil des Wiederbeschaffungswerts und somit nicht gesondert zu ersetzen (so z.B. OLG Frankfurt Urteil v. 08.07.2007, Az. 4 U 223/06). Eine andere Ansicht will das restliche Benzin beim Restwert berücksichtigt sehen (AG Dortmund, Urteil v. 18.04.2013, Az. 406 C 6809/12).
Ein dritter Ansatz, eine Ersatzpflicht zu verneinen, ist der Weg über § 254 BGB: dem Geschädigten wird ein Mitverschulden vorgeworfen. Dabei sind zwei Argumentationsweisen zu beobachten: „Der Geschädigte hätte den Treibstoff abpumpen und umfüllen können“ (so LG Darmstadt, Urteil v. 24.07.1990, Az. 17 S 388/89; OLG Düsseldorf, Urteil v. 09.02.2016, Az. I-1 U 81/15) oder „Der Geschädigte hätte sich den restlichen Treibstoff vom Aufkäufer bezahlen lassen können“, so OLG Düsseldorf, Urteil v. 10.01.2017, Az. I-1 U 46/16). Durch den Unfall sei dem Geschädigten noch kein Schaden bezüglich des Treibstoffrests entstanden. Der wirtschaftliche Nachteil sei erst eingetreten, als er sich aus freien Stücken entschlossen habe, das Unfallfahrzeug zum Restwert zu veräußern.
Standgeld: bis zu welcher Höhe ist Erstattung möglich?
Ein verunfalltes, nicht mehr fahrtüchtiges Fahrzeug kann nicht einfach am Straßenrand abgestellt werden. Meist stellt ein Unfallgeschädigter sein Auto bei seiner Kfz-Werkstatt ab. Aber auch die ist keine kostenlose Abstellfläche für verunfallte Autos. Grund und Boden ist teuer, jeder andere Parkplatzvermieter verlangt für diesen Kapitaleinsatz Geld. Das darf eine Kfz-Werkstatt auch, und zwar in Form von sog. Standgeld.
Schadensrechtlich erstattungsfähig sind Kosten, wenn sie nicht höher sind als bspw. in einem öffentlichen Parkhaus und die Werkstatt die Kosten dem Kunden auch tatsächlich berechnet (vgl. BGH, Urteil v. 05.02.2013, Az. VI ZR 363/11).
Zivilrechtlich gesehen handelt es sich um einen konkludent geschlossenen Verwahrvertrag, wenn der Geschädigte sein beschädigtes Fahrzeug in der späteren Reparaturwerkstatt abstellt und sich nach Eingang des Schadengutachtens zur Reparatur entscheidet. Da mit dem Abstellen des Fahrzeugs für die Werkstatt auch Haftungsrisiken verbunden sind, könne der Geschädigte nicht erwarten, dass die Verwahrung kostenlos übernommen wird, so das AG Bautzen (Urteil v. 12.07.2017, Az. 20 C 255/17).
Das Standgeld kann ab Abstellen des Fahrzeugs bis zum Erteilen des Reparaturauftrags verlangt werden. Je nachdem, ob das Fahrzeug im Freien oder in der Halle untergebracht wird – z.B., wenn das Fahrzeug nicht mehr wetterdicht oder verschließbar ist –, unterscheidet sich die Höhe des Standgelds.
In der Praxis gilt: 10 Euro im Freien und 15 Euro in der Halle – jeweils netto – sind angemessen. Wochen- oder Monatspreise sind – anders als bei Mietwagenkosten – nicht erforderlich. Denn bei den Standkosten sinkt der Aufwand anders als bei den Mietwagenkosten nicht.
Überführungskosten als ersatzfähiger Schaden?
Wer nach einem Verkehrsunfall ein neues Auto kauft bzw. z.B. wegen einem Totalschaden kaufen muss, muss für den Transport zum Händler an seinem Heimatort extra bezahlen (sog. Überführungskosten).
Diese Kosten können schnell mehr als 500 Euro ausmachen. Kauft der Unfallgeschädigte nun als Ersatz für das verunfallte Auto ein Ersatzfahrzeug und kann er ein solches am regionalen Markt nicht finden, fallen auch hier Überführungskosten zum Heimatort an. Diese Überführungskosten kann der Geschädigte vom gegnerischen Haftpflichtversicherer ersetzt verlangen. Das hat das LG Saarbrücken entschieden:
„Der Geschädigte kann bei konkreter Schadensabrechnung die im Zuge der Ersatzbeschaffung tatsächlich entstandenen Aufwendungen wie z. B. Transportkosten ersetzt verlangen, soweit sie zur Schadensbehebung erforderlich waren. Denn es handelt sich dabei um (Neben-)Kosten, die bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes nicht berücksichtigt werden und die deshalb neben dem Ersatz des eigentlichen Wiederbeschaffungsaufwands als selbstständige Schadenspositionen im Rahmen des § 249 Abs. 1 Satz 2 BGB ersatzfähig sind.“, Urteil v. 19.05.2017, Az. 13 S 185/16.
Das Gericht hält zudem fest, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, seine Suche nach einem Ersatzfahrzeug zunächst auf den regionalen Markt zu beschränken, um die Kosten für den Schädiger gering zu halten. Voraussetzung für die Erstattung der Überführungskosten ist allerdings, dass der Geschädigte konkret abrechnet, also die Rechnung oder den Kaufvertrag nebst Zahlungsbeleg für das Ersatzfahrzeug vorlegt.
Sofern sich der Preis des Neuwagens aus dem Kaufpreis zuzüglich Überführungskosten zusammensetzt, ist auch die Umsatzsteuer (= Mehrwertsteuer) auf die Überführungskosten zu erstatten, vgl. LG Duisburg, Urteil v. 17.04.2014, Az. 12 S 153/13. Denn dann sind die Überführungskosten ein Teil des Betrags, der für die Ersatzbeschaffung aufgewendet wird. Die darin enthaltene Umsatzsteuer ist also zu berücksichtigen.
Unkostenpauschale: Erstattung ohne konkreten Schadensnachweis?
Nach einem Verkehrsunfall bekommt der Geschädigte von der gegnerischen Haftpflichtversicherung die sog. Unkostenpauschale erstattet.
Grundsätzlich muss jeder Schaden konkret nachgewiesen werden, im Verkehrsrecht ist aber bei dieser Schadensposition eine pauschale Abrechnung möglich. So ist es für den Geschädigten einfacher, einen Anspruch geltend zu machen, der sich nur auf kleinere Beträge beläuft. Diese Kostenpauschale ersetzt damit pauschal und ohne Vorlage von Quittungen oder Rechnungen den finanziellen Aufwand für die Regulierung.
Üblich sind je nach Gerichtsbezirk 20 bis 30 Euro. Im Gerichtsbezirk München beispielsweise werden 25 Euro zugesprochen, vgl. OLG München, Urteil v. 26.02.2016 – 10 U 579/15.
Damit abgegolten sind insbesondere die Kosten für Telefonate, für den Schriftverkehr zwischen den Unfallbeteiligten und die Korrespondenz zwischen Geschädigtem und Versicherer sowie die Wegekosten. Nicht erstattet wird jedoch der Zeitaufwand für die Regulierung.
Verbandskasten, Warndreieck & Warnweste: Schadenspositionen?
Nach einem Urteil des Amtsgerichts Tostedt sind nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall auch die Kosten für Verbandskasten, Warndreieck und Warnweste nach § 249 Abs. 1 BGB vom Schädiger zu erstatten (AG Tostedt, Urteil v. 12.04.2018, Az. 18 C 170/17).
Schafft sich der Geschädigte nach einem Unfall mit Totalschaden ein Ersatzfahrzeug an, kann er die Ab- und Anmeldekosten erstattet verlangen, aber eben auch die Kosten für einen Verbandskasten, ein Warndreieck und eine Warnweste. Das Amtsgericht Tostedt hat das so begründet: Der Geschädigte ist nach § 35h, § 53a StVZO i.V.m. § 31 StVZO dazu verpflichtet, sein neues Kraftfahrzeug mit den genannten Gegenständen auszustatten. Eine Zulassung ist ohne diese Sicherheitsartikel per Gesetz nicht möglich.
Daraus folgt auch, dass ein Fahrzeug im Falle eines Verkaufs eben nicht durch den Verkäufer mit diesen Gegenständen auszustatten ist, sondern durch den Käufer. Die Kosten für diese zusätzliche Ausstattung sind auch nicht im Wiederbeschaffungswert laut Gutachten enthalten. Es handelt sich vielmehr um Kosten der Anmeldung des neu angeschafften Fahrzeugs.
Wertminderung
Siehe zur Wertminderung den Abschnitt „merkantiler Minderwert“.
Zeitaufwand für Schadensregulierung nicht erstattungsfähig?
Der Zeitaufwand des Geschädigten bei der außergerichtlichen Abwicklung von Schadensersatzansprüchen nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ist keine Schadensersatzposition, vgl. Bundesgerichtshof (BGH) Urteil v. 09.03.1976, Az. VI ZR 98/75.
Der BGH hat festgestellt, dass übliche persönliche Bemühungen um die Erlangung des geschuldeten Ersatzes ohne besondere Entschädigung erbracht werden müssen.
Das gilt auch dann, wenn der Geschädigte für diese Aufgaben besonderes Personal eingestellt hat, vgl. BGH, Urteil v. 31.05.1976, Az. II ZR 133/74. Der Arbeitsaufwand bei der Abwicklung eines Schadensfalls gehört nämlich jedenfalls zum eigenen Pflichtenkreis einer Behörde. Etwas anderes würde gelten, wenn die Arbeit des Personals bei der Abwicklung eines bestimmten Schadenfalls den Rahmen allgemeiner Verwaltungstätigkeit überschreiten würde. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn ein Mitarbeiter für einen gewichtigen Zeitraum von seiner üblichen Arbeit freigestellt werden müsste.
Ebenso kann der Geschädigte einen Verdienstausfall, der ihm durch unbezahlten Urlaub entstanden ist, nicht als Schaden aus dem Verkehrsunfallereignis geltend machen. Für die Zeit, die der Geschädigte zur Vorführung des beschädigten Fahrzeugs bei einem Sachverständigen oder für die Verbringung seines Fahrzeugs in die Reparaturwerkstatt und die spätere Abholung aufgewandt hat, besteht daher kein Anspruch auf Ersatz eines Erwerbsausfallschadens.
Zinsschaden: wann bekommt ihn der Geschädigte ersetzt?
Zahlt der Geschädigte nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall eine durch den Unfall entstandene Rechnung im Voraus und muss er dafür sein Konto (weiter) überziehen, muss der gegnerische Versicherer die dafür entstehenden Zinskosten übernehmen, vgl. AG Buchen, Urteil v. 24.05.2012, Az. 1 C 127/12.
Zu beachten ist dabei allerdings, dass vor Geltendmachung der Schadensersatzposition „Zinsen“ die gegnerische Versicherung nach § 254 Abs. 2 BGB gewarnt werden muss. Durch den Warnhinweis kann sich der Schädiger darauf einstellen, dass ein um die Zinsen erhöhter Schaden droht und er diesen durch eine schnelle Zahlung vermeiden kann.
Ein solcher Warnhinweis muss beinhalten, dass der Geschädigte die gegnerische Versicherung vorgerichtlich darauf aufmerksam macht, zu einer Vorfinanzierung der Reparatur aus eigenen Mitteln nicht in der Lage zu sein. Er muss aber nicht bereits mit dieser Mitteilung detailliert zu seinen finanziellen Verhältnissen vortragen oder Nachweise beifügen, vgl. AG Oranienburg, Urteil v. 18.12.2014, Az. 21 C 197/14.
Der Zinsschaden ist daher – nach entsprechender Warnmitteilung und weiterhin ausbleibender Zahlung – vom Schädiger zu ersetzen. Eine Pflicht des Geschädigten zur Kreditaufnahme gibt es gerade nicht (vgl. BGH, Urteil v. 06.03.2007, Az. VI ZR 36/06; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2009, Az. I-1 U 14/09). Ebenso wenig ist der Geschädigte verpflichtet, seine Vollkaskoversicherung zur Vorfinanzierung der Reparaturkosten in Anspruch zu nehmen (vgl. LG Chemnitz, Urteil v. 03.06.2011, Az. 6 S 422/10; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.07.2011, Az. I-1 U 220/10).
UNFALL-RE
STEFANIE MOSER
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Verkehrsrecht
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Deutscher Anwaltverein, Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV (Deutscher Anwalt Verein), Rechtsanwaltskammer München,
Anwaltverein Memmingen, Liste „Auf Unfallschadenregulierung spezialisierte Rechtsanwälte“ der Zeitschrift IWW Unfallregulierung effektiv
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